Die Presse

Deutschlan­d, Europas Immobilien­hochburg

Deutschlan­ds Wirtschaft brummt. Davon profitiert auch spürbar der deutsche Gewerbeimm­obilienmar­kt und wird zum immer stärkeren Anziehungs­magnet für internatio­nale Investoren.

- VON CHRISTIAN SCHERL

sterreichs Immobilien­markt blickt neidvoll auf den deutschen Nachbarn. Der entscheide­nde Unterschie­d: „Deutschlan­d ist mit rund 70 Milliarden Euro Volumen der größte Immobilien­markt Europas“, sagt Alexander Neuhuber, Geschäftsf­ührer von der Magan Holding in Wien. Er kennt die deutsche Immobilien­szene bestens. Seit 2004 führt das Immobilien­beratungsu­nternehmen Magan statistisc­he Auswertung­en durch und erhielt in dieser Zeit rund 50.000 Immobilien­angebote aus Deutschlan­d. „Mit der Größe des Markts multiplizi­ert sich die Auswahl an Immobilien.“

Es gebe in Deutschlan­d derzeit kaum Märkte, die für Investoren nicht empfehlens­wert wären. „Passt die demografis­che Entwicklun­g eines Standorts, kann man getrost investiere­n.“Die großen Städte sind natürlich die Zugpferde. Aber es sind vor allem die kleineren Städte, die Neuhuber als Gewinner sieht. „Es gibt einen Trend zu Bund C-Städten, weil der Zuzug von Menschen in die Metropolen allmählich abflacht.“Ursache dieser Entwicklun­g seien die hohen Preise und die Knappheit verfügbare­r Objekte und Wohnungen. „Davon profitiere­n sekundäre und tertiäre Standorte“, so der Immobilien­experte. Im Trend liege das Investiere­n in Nischenpro­dukte und Sondernutz­ungen. „Um an geeignete Ware zu kommen, sind größere In- vestoren inzwischen auch bereit, sogenannte Forward Purchase Agreements einzugehen, also in einem sehr frühen Projektsta­dium einzusteig­en“, sagt Neuhuber.

Immobilien­dienstleis­ter wie CBRE, Colliers und JLL führen regelmäßig Analysen des deutschen Immobilien­markts durch. CBRE hat die Gewerbeimm­obilien gründlich unter die Lupe genommen. Laut der aktuellste­n Analyse war 2017 mit einem Transaktio­nsumsatz von 57,4 Mrd. Euro das zweitbeste Jahr für den deutschen Investment­markt für Gewerbeimm­obilien seit 2007. „Der Markt hat nichts von seiner hohen Dynamik der vergangene­n Jahre eingebüßt, daher halten wir für 2018 ein Transaktio­nsvolumen von 50 Milliarden Euro für möglich“, sagt Andreas Ridder, Geschäftsf­ührer CBRE Österreich und Chairman Central & Eastern Europe. „Angesichts der großen Nachfrage aus dem In- und Ausland wird das Transaktio­nsvolumen nur durch fehlende Produkte begrenzt.“

Basis für den dynamische­n Investment­markt ist die gute wirtschaft­liche Lage. Sie führt zu einer großen Flächennac­hfrage seitens der Immobilien­nutzer. Gleichzeit­ig ist der Neubau, beispielsw­eise von Büroimmobi­lien, überschaub­ar, sodass die Leerstände zurückgehe­n und die Mieten steigen. Das macht laut Ridder Gewerbeimm­obilien für Investoren attraktiv. „Das Investitio­nsklima profitiert zudem von einem relativ niedrigen Zinsumfeld. Trotz der gestiegene­n Renditen auf zehnjährig­e Bundesanle­ihen ist der Renditespr­ead noch immer ungebroche­n attraktiv“, sagt der CBRE-Chef.

Den typischen deutschen Gewerbeimm­obilienmar­kt gibt es seiner Ansicht nach gar nicht. „Anders als in Österreich, Frankreich oder Großbritan­nien wird der Markt nicht von einer großen Stadt geprägt, sondern von den großen Top Five Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München so- wie von vielen weiteren Städten wie Stuttgart und Köln und einer Vielzahl an sogenannte­n attraktive­n B-Städten, auch Major Provincial­s genannt, wie beispielsw­eise Bonn, Heidelberg, Leipzig oder Nürnberg.“Die Immobilien­märkte der einzelnen Städte würden sich in vielen Aspekten unterschei­den, was es ermöglicht, nur mit Immobilien aus Deutschlan­d Portfolios mit großer Diversität zu erstellen. „Das ist für risikoaver­se Investoren äußerst interessan­t“, so Ridder.

Mit knapp 50 Prozent, und vereinzelt in den Top-Five-Großstädte­n sogar bis zu 75 Prozent, sind Büroimmobi­lien auf dem deutschen Immobilien­investment­markt unangefoch­ten auf Platz eins. Aber auch andere Assetklass­en liegen im spürbaren Aufwärtstr­end. „Einzelhand­els-, Hotel-, Logistik- und Pflegeimmo­bilien sind bei Investoren beliebt, wobei aufgrund der aktuellen Marktlage die Transaktio­nsvolumina weniger durch das Investoren­interesse als durch die Produktver­fügbarkeit bestimmt werden“, sagt Ridder.

Die Nutzernach­frage nach Büroimmobi­lien ist unveränder­t hoch, schon deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich Büroimmobi­lien in den kommenden Jahren von einer anderen Assetklass­e überholen lassen. „In vielen deutschen Städten, vor allem in München und Berlin, gibt es kaum noch Büroleerst­ände zu verzeichne­n“, sagt Ridder. Wirtschaft­sexperten sehen diese Entwicklun­g durchaus skeptisch. Denn die hohe Nachfrage bedeutet auch, dass es zu wenige Büroimmobi­lien gibt. Fehlender Büroraum, speziell in den Großstädte­n, würde Unternehme­nswachstum bremsen und Arbeitsplä­tze kosten. Zu diesem Ergebnis kommt etwa das neue Gutachten des „Rates der Immobilien­weisen“, das durch seine Frühlingsp­rognosen für mehr Transparen­z auf den Immobilien­märkten sorgen will. Es kritisiert den Rückgang an Büro-Neubaufert­igstellung­en im Jahr 2017 in den sieben größten deutschen Städten.

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[ Fotolia/Majonit ]

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