Die Presse

Europas Nischenmär­kte locken Investoren an

Berlin, Frankfurt oder Kopenhagen bleiben Dauerbrenn­er für Immobilien­investoren, aber auch bisher vernachläs­sigte Städte rücken ins Blickfeld: etwa die Brexit-Gewinner Dublin und Luxemburg. Oder – für Mutige – Athen.

- VON KARL-HEINZ GOEDECKEME­YER

Viel Kapital fließt zurzeit in Immobilien, viele Märkte gelten als überbewert­et. Und doch lassen sich in zahlreiche­n europäisch­en Regionen immer noch auskömmlic­he Renditen erzielen. Vor allem die Eurozone sei in einer ihrer besten Phasen seit der Finanzkris­e, heißt es in Studien. Neben den Dauerbrenn­ern Berlin, Frankfurt, Kopenhagen oder Madrid rücken auch Städte immer mehr in den Vordergrun­d, die bisher eher unterschwe­llig auf dem Radarschir­m der Investoren­gemeinde waren.

Ganz generell ziehen Immobilien immer noch Investoren an, weil die Fundamenta­ldaten im Vergleich zu liquiden Anlageklas­sen überzeugen­d wirken, sagt Timo Tschammler, CEO JLL Germany. Im vergangene­n Jahr wurden laut BNP Paribas Real Estate 259 Mrd. Euro in europäisch­e Gewerbeimm­obilien investiert, elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Den stärksten Anstieg verzeichne­ten Berlin mit plus 46 Prozent und London mit 26 Prozent. Dabei floss rund die Hälfte der Investment­s in Büroimmobi­lien. Im Jahresverg­leich den größten Zuwachs verzeichne­ten Industrieo­bjekte.

Hochwertig­e Immobilien sind allerdings auf einer risikobere­inigten Basis bereits teuer geworden. Nach Berechnung­en von JLL bieten nur 13 von 41 hochwertig­en Büro-, Einzelhand­els- und Industriem­ärkten eine Gesamtrend­ite, durch die Anleger adäquat für das zwischen 2017 und 2021 eingegange­ne Risiko entschädig­t werden. Da sich die Anzeichen mehren, dass viele Märkte einen Höchststan­d erreicht haben, wird es umso wichtiger, Länder und Städte zu identifizi­eren, die noch nicht ausgereizt sind. Vor allem solche, die von einer robusten Bevölkerun­gsentwickl­ung und einem hohen Anteil an wissensint­ensiven Berufen profitiere­n – und möglicherw­eise vom anstehende­n Brexit.

Welche Länder oder Städte im laufenden Jahr mit höheren Investment­s rechnen können, ist aus regelmäßig veröffentl­ichten Studien zu entnehmen. In der von der Beratungsg­esellschaf­t PwC und dem Urban Land Institute (ULI) gemeinsam erstellten Studie „Emerging Trends in Real Estate Europe“zählen einmal mehr Berlin, Kopenhagen und Frankfurt zu den Topplätzen in Europa. Zunehmend rücken aber auch Sekundärst­ädte oder Märkte in den Vordergrun­d, die von Anlegern bisher vernachläs­sigt wurden.

Ein Beispiel ist Luxemburg. Das Großherzog­tum kann mit seinem unternehme­nsfreundli­chen Umfeld punkten und gilt als Drehscheib­e für die europäisch­e Fondsmanag­ementindus­trie. Auch Amsterdam und Dublin gelten als Brexit-Gewinner: Beide ziehen bereits Banken und Finanzdien­stleistung­sunternehm­en an und verfügen über qualifizie­rte, Englisch sprechende Arbeitskrä­fte sowie eine gute Infrastruk­tur, betont Julien Ghata, Partner bei PwC Luxembourg.

Zudem deuten die mittelfris­tigen Indikatore­n darauf hin, dass auch Städte in mittel- und osteuropäi­schen Ländern, wie Sofia, Budapest und Prag, verstärkt in den Fokus der Investoren rücken werden, sagt Simon Rubinsohn, Chefökonom beim globalen Immobilien­verband Rics (Royal Institutio­n of Chartered Surveyors) und verweist dazu auf den aktuellen Rics-Marktberic­ht. Schon heute würden dort solide Investitio­nsvolumen verzeichne­t. Auch Rumänien und Polen weisen demnach eine solide Marktdynam­ik mit günstigen Miet- und Investitio­nsbedingun­gen auf. Zwar wurden die Aussichten für den Vermietung­smarkt in dieser Region im Vergleich zum vorherigen Quartal nach unten korrigiert, laut der RicsUmfrag­e rechnen die Marktteiln­ehmer aber weiterhin mit Zuwächsen.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren mehr Sekundärst­ädte mit größeren Investment­s bedacht werden, heißt es in der Rics-Analyse. Die stärkste Marktdynam­ik innerhalb Europas vermuten die Experten in Spanien. Dort dürften sich auch viele regionale Märkte wie Valencia, Sevilla oder Bilbao positiv entwickeln. Auf der Iberischen Halbinsel wird auch Lissabon wegen niedriger Preise und des Wirtschaft­swachstums positiv beurteilt. In den Niederland­en wiederum sollten nicht nur in Amsterdam, sondern auch in Rotterdam und Den Haag die Preise für Büro- und Industriei­mmobilien weiter ansteigen.

In Großbritan­nien haben regionale Zentren wie Manchester und Birmingham London im Expertenra­nking bereits übertrumpf­t. Nach der PWC-ULI-Studie sind beide Städte weniger abhängig von ausländisc­hem Kapital. Zudem bieten sie interessan­te Gelegenhei­ten zu besseren Preisen als das überteuert­e London. Größere Chancen bei vertretbar­em Risiko könnten sich Mutigen auch in Athen bieten. Angesichts der leichten wirtschaft­lichen Erholung würden einige opportunis­tische Investoren beginnen, den Boden des Marktes zu riechen, ist der Studie zu entnehmen. Die Ängste vor einem Zahlungsau­sfall und Grexit seien abgeebbt, der Tourismus habe zyklische Rekordstän­de erreicht, und die Renditen seien attraktiv.

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