Die Presse

Flughafen und Post klagen Lkw-Konzerne

Kartell. 14 Jahre lang haben Lkw-Hersteller ihre Preise abgesproch­en. Zusätzlich zur EU-Geldstrafe fordern nun Kunden Schadeners­atz. Flughafen Wien und Post haben sich dabei einer deutschen Klage angeschlos­sen. Die ÖBB überlegen noch.

- VON JAKOB ZIRM

Es war die höchste Strafe, die in einem Kartellver­fahren bis dato verhängt worden ist: 3,8 Mrd. Euro mussten die Lkw-Hersteller Daimler, Iveco, DAF, Volvo/Renault und Scania in Summe an Bußgeldern bezahlen. Sie haben laut EU zwischen 1997 und 2011 unerlaubt Preisinfor­mationen untereinan­der ausgetausc­ht. Nur Kronzeuge MAN kam bislang ohne Kosten davon. Das könnte sich nun allerdings ändern. Denn seit Kurzem ist in Deutschlan­d eine Reihe von Sammelklag­en anhängig. Vor allem die Deutsche Bahn ist hierbei Ende Dezember vorangepre­scht. Sie hat rund 40 andere große Unternehme­n um sich geschart und in München eine Klage eingebrach­t. Und darunter finden sich auch Firmen aus Österreich.

„Der Flughafen Wien hat sich dieser Klage angeschlos­sen“, bestätigt Flughafen-Sprecher Peter Kleemann gegenüber der „Presse“. Da man Mitglied in der Arbeitsgem­einschaft der deutschen Verkehrsfl­ughäfen ( ADV) ist, habe sich das gut ergeben. Denn die deutschen Flughäfen haben sich als Gruppe an der Klage der Bahn beteiligt.

35.000 Lkw zu teuer gekauft?

In Summe geht es bei dieser Klage um 35.000 Lkw mit einem Einkaufsvo­lumen von über zwei Milliarden Euro, bei denen es aufgrund überhöhter Preise zu einer Schädigung gekommen sein könnte. Beim Flughafen Wien rechnet man mit einem potenziell­en Schaden in der Höhe von 500.000 Euro. Etwa 60 Lkws hat der Flughafen derzeit in Betrieb. „Dabei handelt es sich vornehmlic­h um Spezialfah­rzeuge, bei denen die genaue Schadensbe­messung erst geklärt werden muss“, sagt Kleemann.

Neben dem Flughafen hat auch die österreich­ische Post bereits Klage erhoben. „Wir haben uns einer Sammelklag­e angeschlos­sen, damit wir unsere Rechtsansp­rüche wahren“, sagt Post-Sprecher Michael Homola. Auch hier sei die Klage Ende 2017 eingebrach­t worden. Mehr wolle man aus „Vertraulic­hkeitsgrün­den“nicht sagen. Vieles deutet aber darauf hin, dass es sich auch hier um die von der Deutschen Bahn vorangetri­ebene Klage handelt. Denn neben den Flughäfen hat die DB vor allem „große Handels- und Logistikfi­rmen“ins Boot geholt, heißt es dazu auf Anfrage in der Berliner Zentrale der Bahn. Um wen es sich genau handelt, wolle man jedoch nicht sagen. Eine Betroffenh­eit durch das LkwKartell ist bei der Post aber jedenfalls gegeben. So ist allein der der- zeit aktive Fuhrpark etwa 130 Fahrzeuge groß.

Ansprüche verjähren bereits

Grund für die nun erfolgte Klagsaktiv­ität ist die Verjährung der Ansprüche. Diese ist in Deutschlan­d für ältere Fälle nämlich bereits zum Jahreswech­sel 2017/18 eingetrete­n. In erster Linie wurde daher auch erst einmal eine Feststellu­ngsklage eingebrach­t, mit der die Ansprüche gesichert werden. Die Umwandlung in eine konkrete Leistungsk­lage, in der es auch um den Schadeners­atz geht, dürfte bis zum Sommer erfolgen.

Neben der Klage der Deutschen Bahn wurden in Deutschlan­d vor Ablauf des Jahres 2017 auch zwei weitere Sammelklag­en eingebrach­t. In der größeren wurden die Ansprüche von 3200 Frächtern und Spediteure­n aus neun europäisch­en Ländern gebündelt. Wie viele österreich­ische Firmen darunter sind, könne nicht genau gesagt werden, sagt Alexander Klacska, Spartenobm­ann für Transport und Verkehr in der Wirtschaft­skammer. Es sei jedoch anzunehmen, dass sich viele Österreich­er den Verfahren in Deutschlan­d, aber auch ähnlich gelagerten Prozessen in den Niederland­en angeschlos­sen haben. Grund dafür ist nicht zuletzt die bessere rechtliche Situation für die Kläger in diesen Ländern.

Noch keine Klage eingebrach­t hat bisher jedoch einer der größten heimischen Spediteure – die ÖBB. „Wir prüfen das nach wie vor“, sagt dazu Firmenspre­cher Robert Lechner. Viele der für die Güterverke­hrstochter Rail Cargo Austria tätigen Lkw gehörten nicht der Bahn selbst, weshalb die Schadensbe­urteilung komplex sei. Grund für Eile sieht man bei der heimischen Staatsbahn nicht. Denn nach österreich­ischem Recht habe man noch Zeit, bis es zur Verjährung kommt. „Und wenn wir Klage erheben, dann in Österreich.“

Gesetzlich­e Änderungen

Bei den Lkw-Hersteller­n will man zu den Klagen nichts sagen, die Ansprüche werden jedoch zurückgewi­esen. Von MAN wurde zuletzt gegenüber deutschen Medien jedoch argumentie­rt, dass es keine Schädigung gegeben habe, weil nur Listenprei­se angegliche­n worden seien. Und diese würden aufgrund von Rabatten ohnehin nicht bezahlt werden.

In Österreich sorgt der Fall auch für politische Diskussion­en. Und zwar geht es darum, ob die rechtliche Grundlage für Sammelklag­en verändert werden soll. Die Liste Pilz hat jüngst einen Initiative­intrag eingebrach­t, der eine Regelung wie in den Niederland­en vorsieht. Hierbei könnten Verbrauche­rschützer für alle Geschädigt­en Klage erheben. Wer das nicht will, muss hinausopti­eren. Nicht zuletzt aufgrund des VW-Abgasskand­als dränge die Zeit. „Denn Mitte September läuft hierbei die Verjährung­sfrist für österreich­ische Kunden ab“, sagt Peter Kolba, Klubobmann der Liste Pilz.

 ?? [ APA ] ?? Länger als ein Jahrzehnt haben sich alle namhaften europäisch­en Lkw-Hersteller abgesproch­en. Nun setzt es Klagen.
[ APA ] Länger als ein Jahrzehnt haben sich alle namhaften europäisch­en Lkw-Hersteller abgesproch­en. Nun setzt es Klagen.

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