Die rumänische Düs’n wird noch höher steigen
Fahrbericht. Mit dem neugestalteten Kompakt-SUV Duster gelang Renault/Dacia ein schöner Wurf: charaktervoll und weniger pompös als viele Suvlinge, stark im Auftritt, ohne Angeber zu sein, qualitativ okay und preislich einfach unschlagbar.
Gehen wir die Sache einmal aus der Luftfahrtperspektive an. Wo, glauben Sie, hat man das erste Flugzeug mit Strahlantrieb gebaut? In Deutschland, oder? Oder doch in Großbritannien? Nein: Es war in Rumänien.
1910 hatte der Ingenieur Henri Coanda˘ (1886–1972) dort einen Doppeldecker gebaut, der aussah wie ein zu langer Dartpfeil und keinen Propeller hatte. Vorn war ein Rohr, wo ein Kolbenmotor einen Verdichter antrieb, in den Luftstrahl ward Benzin gespritzt, ein heißer, druckvoller Strahl entstand. Mit dem Thermojet, wie dieser Motor heißt, soll die Coanda-˘1910 einmal kurz geflogen sein, fing Feuer und fiel zu Boden. Das war’s leider.
Auf dem Boden hat sich in den vergangenen Jahren etwas anderes aus Rumänien metaphorisch in die Lüfte erhoben wie ein Düsenflieger und wird wohl noch lang fliegen: Der Duster, das kompakte SUV von Dacia, das mehr als viele andere einem klassischen Geländewagen ähnelt und aus dem Straßenbild etwa in Österreich nicht mehr wegzudenken ist. 2010 kam er heraus, heuer in einer modifizierten, neu designten zweiten Generation, die aber wirklich allerorten unübersehbar aus dem Asphalt schießt, und plötzlich scheint’s, als habe mindestens ein Nachbar so einen.
Weltweit wurden vom Duster, der mit der Mutterfirma Renault entwickelt wurde und viele Teile bis hin zur Plattform mit anderen Autos von Renault und Nissan teilt, mehr als zwei Millionen verkauft, mehr als 20.000 in Österreich. Aber obwohl der Staubaufwirbler (Duster heißt eigentlich Staubtuch oder Zerstäuber) damit 2017 die Top 20 bei uns knapp verfehlte (mit etwa 3600 Stück), fällt er überproportional auf. Was am extrem gelungenen Duster II und den jüngeren Modellen der Vorgeneration liegen dürfte.
Bis 2013 hatten Dusters tüchtig Ost-Charme und etwas Ladahaftes, was nicht schiach sein muss. Doch nun kommt letztlich der Brandneue so daher, als sei er in die Malstiftbüchse eines französischen Designers gefallen. So elegant die Front mit dem wabenförmigen Kühlergrill, lasziv gerippt-gewölbt die Motorhaube, schön fließend die Linien, männlich massiv Unterfahrschutz und Unterkanten/Seitenschweller. Dazu das kristallin neckische Blinzeln der Augen. Hach! Am Heck mit den Legosteinhaften Rücklichtern darf man noch feilen. Insgesamt kommt er charaktervoll und weniger pompös daher als viele Suvlinge, stark im Auftritt, ohne ein Angeber zu sein.
Wir fuhren die Topvariante Prestige mit 125-PS-4WD-Benziner (stärker ist er nicht). Forcierte Kurvenfahrt no problemo, Bodenhaftung bei Nässe optimal, die Federung etwas herb, oder sagen wir: Man spürt noch, dass ein Steinchen ein Steinchen und ein Kanaldeckel ein Kanaldeckel ist. Die Schaltung war teilweise hakelig, die Beschleunigung überraschend in den Sitz drückend. Innen wirkt’s leicht spröde. Verkleidungen aus Hartplastik, die Anzeigen hinterm Lenkrad angenehm retro. Die Ästhetik des Multifunktionsdisplays ist irgendwie anders; leider gelang es nicht, mein Smartphone damit zu koppeln, obwohl es ein französisches Modell ist. Der große Laderaum ist superbillig mit Karton und Pressfilz verkleidet.
Nervig war das hypersensible Keyless-Lock-System: Man kann sich kaum einen Meter entfernen, da sperrt der Duster zu, von einem fröhlichen Doppelhupen begleitet. Und wieder ist da die Sache mit den Becherhaltern! Und die bei der Testfahrt gemessenen 8,6 Liter auf 100 sind auch so lala.
Nun ist bei Dacia halt Geld ein Thema. Nämlich weil es keines ist: Dacia/Renault fährt eine radikale Low-cost-Politik bei akzeptabler Qualität. Beim Duster II heißt das einen Einstiegspreis von ca. 12.000 Euro. Nur fehlt da manch Elementares, etwa das Radio, wie es überhaupt Sachen wie Klimaanlage und elektrische Fenster hinten serienmäßig erst in den höchsten der vier Ausstattungsklassen gibt, teilweise auch dort nur als Extra. Aufrüsten kostet allerdings nicht viel. Die Topvariante startet bei 19.000 Euro. Für einen mit allem Drum und Dran (auch mit Poser-Zeug wie Ledersitzen) warf der Online-Rechner 22.044 € aus. Viel mehr geht kaum noch. Der simpelste VW Golf (ab 19.800 €) ist in derselben Preisschublade wie der teuerste Duster.
Wetten, dass diese rumänische Düs’n noch höher steigt.