Gheorghiu solo: Die Diva als Bauernmädchen
In einem Recital auf der Bühne der Wiener Staatsoper präsentierte die Primadonna musikalische Kleinkunst.
Also, die Geschmacksfrage durfte man nicht stellen – Programmpunkte wie die zur Schnulze verbogene Chopin-Etüde oder Flotows „letzte Rose“, auf Englisch als eine Art Musical-Nummer präsentiert, wurden nur durch die schmeichelweiche Wiedergabe von Schuberts „Ständchen“in vollständiger rhythmischer Freizügigkeit überboten; und doch: Selbst in diesem, sämtlichen Gesetzen des feinsinnigen deutschen Liedgesangs hohnsprechenden Gefilden gelang es Angela Gheorghiu, der letzten Textzeile zu innigster Wirkung zu verhelfen: „Komm, beglücke mich“, heißt es da – und auch wer es (wie vieles an diesem Abend) nicht verstand, erfuhr das Gemeinte via Gesangston, in schwebendes, doch satt tönendes Pianissimo zurückgenommen.
Solcher Momente wegen war man gekommen. Die Diva wird sich schon nicht dazu versteigen, uns einmal die „Winterreise“vorzusingen. Der Schubert war vielmehr die charmante Verbeugung vor dem Genius Loci; und das Programm davor eine Sammlung von mehr oder – vor allem im Fall des rumänischen Blocks – weniger bedeutsamen Kompositionen unterschiedlichster Provenienz, die der von Alexandra Dariescu durchwegs behutsam begleiteten Stimme Gelegenheit boten, sich zu verströmen.
Das ist im Falle der Gheorghiu nach wie vor ereignishaft, auch wo die sinnlich von unten her angepeilten Töne nicht ganz erreicht werden: Immer klingen sie voll, prächtig dunkel timbriert und immer wieder zu endlos wirkenden Phrasen verbunden, die auch dynamisch elegant geschwungen ihre Wirkung nicht verfehlen. Dort, wo – etwa in Ottorino Respighis „Nebbie“– die Grenzen zwischen Lied und opernhafter Dramatik verschwimmen, sind Gheorghiu und ihre in einigen Soli virtuos explodierende Pianistin in ihrem ureigensten Element. (sin)