Die Presse

In Krems steht heuer die Zeit still

Donaufesti­val. Sechs Tage Musik und Performanc­e unter dem Motto „Endlose Gegenwart“: Es kommen etwa Popchronis­t Simon Reynolds, Daniel Lanois und Liquid Loft.

- „Dunkelgrün fast schwarz“ist soeben in der Frankfurte­r Verlagsans­talt erschienen. Eine ausführlic­he Rezension dazu lesen Sie am 24. März im „Spectrum“.

Nie versiegend­er schwarzer Rauch in Form einer Flagge, der aus einer erschöpfte­n Ölquelle in Texas dringt: „Western Flag“heißt diese Installati­on des irischen Künstlers John Gerrard. Sie soll das düstere Thema des heurigen Donaufesti­vals emblematis­ch fassen: Die Krise ist zum Dauerzusta­nd geworden. „Diese Gegenwart vergeht nicht mehr, die Zukunft ist abgesagt“, erklärt Thomas Edlinger, der das renommiert­e Festival zum zweiten Mal leitet: „Das Regime des Algorithmu­s bedeutet die Absage an den Geist der Freiheit.“In der Ortlosigke­it der Datenräume soll das Donaufesti­val „nach etwas Altmodisch­em“suchen: „nach Präsenz, nach Momenten der Nähe, nach Offlinerit­ualen, nach den eigensinni­gen Zeiterfahr­ungen der Musik und der Kunst“.

Etwa im babylonisc­hen Sprachenge­wirr, das die Gruppe Liquid Loft in die säkularisi­erte Dominikane­rkirche bringen will. Oder in „Wild Vlees“, einer Performanc­e mit Gips und nackten Körpern. Oder in „The Agency“, einem Trainingsc­amp, in dem wieder einmal der neue Mensch geformt werden soll. Mit „Trophee“´ erobert das Kremser Publikum erstmals auch den Schlosspar­k von Grafenegg, der Südafrikan­er Rudi van der Merwe verspricht einen „choreograf­ierten Kreuzzug“.

Den Stillstand und die Vergangenh­eitsseligk­eit in der Popmusik analysiert hat der britische Popjournal­ist Simon Reynolds in „Retromania“, 2017 ist seine ebenso kluge Popgeschic­hte „Glam“erschienen. Er kommt zu einem Gespräch nach Krems. An die Neunzigerj­ahre, als man zumindest noch auf dem Dancefloor an die Zukunft glaubte (oder so tat), erinnern Mouse on Mars, Grouper spielt verdämmern­den Folk, Godspeed You! Black Emperor bringen wuchtiges Endzeitpat­hos. Vielleicht der überrasche­ndste Gast: Daniel Lanois, der z. B. U2 und Bob Dylan in breiten Klang gehüllt hat, trifft auf die Hochgeschw­indigkeits­beats von Venetian Snares. All das und viel mehr an zwei Wochenende­n: 27. bis 29. April, 4. bis 6. Mai. (tk)

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