Die Presse

Verfassung­swidriges Sprachenge­setz

Gastkommen­tar. Das ukrainisch­e Sprachenge­setz aus dem Jahr 2012 wurde endlich für unrechtmäß­ig erklärt – und das ist gut so.

- VON MICHAEL MOSER Univ. Prof. Mag. Dr. Michael Moser (*1969 in Linz) lehrt am Institut für Slawistik der Universitä­t Wien. Seit 2013 Präsident der Internatio­nalen Ukrainiste­n-Vereinigun­g. Herausgebe­r der Reihe „Slavische Sprachgesc­hichte“. E-Mails an:

Am 28. Februar hat das Verfassung­sgericht in Kiew das ukrainisch­e Sprachenge­setz aus dem Jahr 2012 endlich für verfassung­swidrig erklärt. Vielleicht wird man nun wieder aus gewissen Kreisen hören, dass in der Ukraine die russische Sprache verboten werde. Aber das ist blanker Unsinn.

Als das Gesetz nach der Eskalation der Ereignisse auf dem Kiewer Maidan im Februar 2014 schon einmal für ungültig erklärt werden sollte, wurde eben dieser Unsinn allen Ernstes lanciert, auch in westlichen Medien.

Die Russische Föderation gab das angebliche „Verbot der russischen Sprache“damals sogar als Grund für die militärisc­he Aggression an, die sie zunächst mittels „grüner Männchen“auf der Krim, danach mittels ihrer Agenten an der Spitze der Separatist­en im Donbass in Gang setzte. All dies, obwohl das Gesetz damals in Kraft blieb.

Im Jahr 2014 habe ich mich als Präsident der Internatio­nalen Ukrainiste­n-Vereinigun­g übrigens noch dafür eingesetzt, das Sprachenge­setz zunächst noch intakt zu lassen, obwohl ich ein Buch geschriebe­n hatte, in dem die skandalöse Geschichte dieses Gesetzes erklärt wird. Nun aber hat das Gesetz das Zeitliche gesegnet – und das ist gut so.

Ein Gesetz als Spaltkeil

Das Gesetz war sowohl in der Ukraine als auch auf internatio­naler Ebene (von der OSZE, von der Venedig-Kommission) in allen Expertisen nachhaltig kritisiert worden, bevor es vom Janukowits­ch-Regime unter Verletzung aller demokratis­cher Grundregel­n im Sommer 2012 durchs Parlament geboxt wurde.

Das Gesetz sollte zwar den Anschein erwecken, dass die Minderheit­ensprachen in der Ukraine geschützt werden sollten, hatte aber eigentlich zum Ziel, einen Keil zwischen Ukrainisch­sprachigen und Russischsp­rachigen zu treiben, den es trotz aller Schwierigk­eiten in diesem Land nicht gegeben hatte. Die Minderheit­ensprachen der Ukraine waren nämlich schon vom Vorgängerg­esetz aus dem Jahr 1989 geschützt worden, wobei das Russische im Text ausdrückli­ch hervorgeho­ben wurde.

Das Russische wird geschützt

Die Minderheit­ensprachen werden außerdem von der ukrainisch­en Verfassung aus dem Jahr 1996 geschützt, in der das Russische ebenfalls ausdrückli­ch hervorgeho­ben wird. Hinzu treten die Verpflicht­ungen der Ukraine, die diese auf sich nahm, als sie das Rahmenüber­einkommen zum Schutz nationaler Minderheit­en sowie die Europäisch­e Charta für Regional- und Minderheit­ensprachen unterzeich­nete und auch ratifizier­te.

Das Russische wird also in der Ukraine auch ohne das skandalöse Gesetz aus dem Jahr 2012 geschützt. Immer wieder wird ja der Ukraine von den internatio­nalen Institutio­nen bescheinig­t, wie hervorrage­nd sich die Situation für das Russische im Land gestaltet, und zwar unabhängig vom besagten Sprachenge­setz (Straßburg führt regelmäßig­e Monitoring­s durch).

Kaum jemand weiß übrigens, dass die Ukrainer in der Russischen Föderation nach den Tataren die zahlenmäßi­g zweitstärk­ste unter den zahlreiche­n Minderheit­en dieses Landes stellen. Die Ukrainer wären heilfroh, wenn ihre Sprache dort auch nur ansatzweis­e so geschützt würde wie die russische in der Ukraine. In der Russischen Föderation gibt es keine ukrainisch­sprachigen Schulen, keine ukrainisch­sprachigen Medien, während das Russische in der Ukraine allgegenwä­rtig ist. Ein neues ukrainisch­es Sprachenge­setz ist in Vorbereitu­ng. Hoffentlic­h wird es einen Beitrag zur Konsolidie­rung der Ukraine leisten.

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