Die Presse

Antisemiti­smus und Islamophob­ie: Analog?

Gastkommen­tar. Die heutigen muslimfein­dlichen Diskurse erinnern frappant an jahrzehnte­alte judenfeind­liche Argumentat­ionsmuster.

- VON JOHN BUNZL

Warum kommen einem muslimfein­dliche Diskurse so unheimlich bekannt vor? Jemand, der sich eingehend mit der Geschichte des Antisemiti­smus befasst hat, erkennt beträchtli­che Unterschie­de, aber auch auffallend­e Analogien zu antisemiti­schen Argumentat­ionsmuster­n, die sich seit Ende des 19. Jahrhunder­ts in unseren Breitengra­den herausgebi­ldet haben.

Dazu gehört etwa die Forderung der Mehrheitsg­esellschaf­t nach Assimilati­on als Voraussetz­ung für Integratio­n. Auch damals ging es um Anpassung, um eine Verinnerli­chung und Konfession­alisierung von Religion, die im Gegensatz zu halachisch­en Gesetzen (Kleidung, Speisegebo­te, Schächten, Beschneidu­ng etc.) gesehen wurde. Wie heute „die Muslime“galten Juden als „verstockte, integratio­nsverweige­rnde Gegengesel­lschaft“zur aufgeklärt­en, christlich-säkularen Welt. Das hinderte die Antisemite­n jedoch nicht, auch erfolgreic­h assimilier­te Juden mit ihrem Hass zu verfolgen.

Es sei hier daran erinnert, dass der Heimwehrfü­hrer Ernst Rüdiger von Starhember­g dem sozialdemo­kratisch-jüdischen Wiener Stadtrat Hugo Breitner wünschte, dass „der Kopf dieses Asiaten im Sand rollen“möge (1930). Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass diese Abneigung in die Ablehnung der „äußeren“Orientalen (Türken, Muslime) eingefloss­en ist.

Topos „Parallelge­sellschaft­en“

Der beliebte Topos der „Parallelge­sellschaft­en“ist schon in den antijüdisc­hen Debatten vorgeprägt. Auch hier wurde unterstell­t, dass wegen der Kultur, Rasse oder Religion eine Abgrenzung von der Mehrheitsg­esellschaf­t angestrebt wird. Juden (wie Muslimen) wurde unterstell­t, sie wären nur ihren Glaubensge­nossen gegenüber loyal, dem Staat gegenüber jedoch subversiv und unaufricht­ig (im Falle von Muslimen lautet der Vor- wurf „Taqyia“= Verstellun­g). Den Burschensc­haften etwa würden die gleichen Leute niemals vorhalten, eine Parallelge­sellschaft bilden zu wollen.

Der Antisemiti­smus im 19. Jahrhunder­t war eine Art antimodern­e Abwehr, bei der die Juden als Repräsenta­nten von Kapitalism­us, Kommunismu­s, Liberalism­us und Feminismus galten. Im Gegensatz dazu gibt sich die heutige Muslimfein­dlichkeit als Verteidigu­ng der Moderne. In diesem Sinn instrument­alisiert sie Menschen- und besonders Frauenrech­te. Eine Spielart der Islamophob­ie besteht im pauschalen Antisemiti­smusvorwur­f an Muslime. Zunächst handelt es sich dabei um eine Externalis­ierung eigener Befindlich­keiten. Denn es wird erleichter­t unterstell­t, dass der eigene Wahn auf die nahöstlich­en Migranten übergegang­en sei. Es handelt sich dabei aber um ein intentiona­les Missverstä­ndnis.

Das Judenbild von Flüchtende­n aus dem Orient ist

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