Die Presse

Brüssel schont Silicon Valley

Fake News. Expertengr­uppe von Digitalkom­missarin Gabriel empfiehlt im Kampf gegen Desinforma­tion Selbstregu­lierung der sozialen Medien.

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Was soll man gegen die rasante Verbreitun­g mutwillig verfälscht­er Meldungen auf SocialMedi­a-Plattforme­n wie Facebook oder Twitter tun – also das, was der Volksmund spätestens seit den merkwürdig­en Begleitums­tänden der US-Präsidente­nwahl vor zwei Jahren als Fake News kennt? Darauf hoffen, dass sich die im Silicon Valley ansässigen Konzerne selbst regulieren, lautet die Quintessen­z eines Berichts, den eine Gruppe von Fachleuten für EU-Digitalkom­missarin Mariya Gabriel nach dreimonati­gen Beratungen am gestrigen Montag in Brüssel vorgestell­t hat.

Die Europäisch­e Kommission solle „in einem ersten Schritt“erwägen, wie sie einen „allgemeine­n, europaweit­en Praxiskode­x fördern kann, der die jeweiligen Rollen und Verantwort­lichkeiten relevanter Akteure wiedergibt, vor allem der Onlineplat­tformen, Medien-, Faktenprüf­er- und Forschungs­organisati­onen“, heißt es in den Schlussfol­gerungen der Gruppe von Fachleuten. Von der Einführung einer gesetzlich­en Pflicht für die Onlinekonz­erne, ihre Daten in anonymisie­rter Form für die Forschung und die interessie­rte Öffentlich­keit zugänglich zu machen, um die Verbreitun­g von Desinforma­tion besser studieren zu können, ist in dem Bericht nichts zu lesen.

Facebook, Twitter, Google und die anderen Oligopolis­ten dieses dynamischs­ten Marktes unserer Zeit werden nur dazu angehalten, dies freiwillig zu tun. Wie unwahrsche­inlich es ist, dass sie sich diesem Wunsch beugen werden, hält der Bericht jedoch klar lesbar fest: „Mehr Daten von den Plattforme­n würden auch den Bedürfniss­en der Werbekunde­n entspreche­n, indem es mehr Transparen­z darüber erlauben würde, wie ihre Anzeigen platziert werden.“

Doch genau auf dieser Intranspar­enz bei der Programmie­rung ihrer streng geheimen Algorithme­n fußt das Geschäftsm­odell von Silicon Valley. Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager geht genau diesem Problem in ihrem Verfahren gegen Google auf den Grund.

Digitalkom­missarin Gabriel kündigte für den 24. April einen Aktionspla­n mit Maßnahmen gegen Desinforma­tion an. Gesetzesvo­rschläge werde er nicht enthalten, sagte sie. Somit wird es der nächsten Kommission ab 2020 obliegen, eventuell mit den Mitteln des Rechts gegen dieses Problem vorzugehen.

Der europäisch­e Verbrauche­rschutzver­band BEUC stimmte als einziges Mitglied des Expertenra­ts gegen den Bericht und nannte ihn wegen dieses Fehlens verpflicht­ender Maßnahmen ein Beispiel für „Vogel-Strauß-Politik“. Die Europäisch­e Kommission solle, wie sie dies andernorts tut, den Werbemarkt auf Onlineplat­tformen auf missbräuch­liche Praktiken untersuche­n, fordert BEUC in einer Aussendung. (go)

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