Nestroyplatz-Attacke: Täter als Dealer
Vorstrafen. Waren die Messerangriffe des Afghanen Jafar S. (23) zu verhindern? Die Justiz hatte wenig Handhabe. Indes verübte S. am Montag in U-Haft einen Suizidversuch.
Vorige Woche stach der 23-jährige afghanische Asylwerber Jafar S. eine Familie (Vater, Mutter, Tochter) und einen 20-jährigen Landsmann in Wien Leopoldstadt auf der Straße nieder. Alle vier wurden schwer verletzt, der Vater schwebte in Lebensgefahr. Am Montag unternahm S. in seinem Haftraum im Gefängnis Wien Josefstadt einen Suizidversuch. Die Justizwache schritt rechtzeitig ein. S. wurde nicht ernsthaft verletzt.
Zurück zu den Messerattacken: Hätten Behörden den – immerhin gerichtsbekannten – Mann früher aus dem Verkehr ziehen können, ja müssen? Die Justiz hatte kaum Handhabe. Wenn, dann hätte das Bundesasylamt handeln müssen.
Schon bevor Jafar S. die Taten begangen hat (S. ist geständig, als Motiv gibt er an, er sei mit seiner Lebenssituation unzufrieden gewesen), haben auch die Strafbehörden den Afghanen gekannt: S. wurde am 29. Dezember 2016 zum ersten Mal in Wien verurteilt. Wegen des Verkaufs von 1,4 Gramm Cannabisharz. Tatort: Praterstern. Strafe: drei Monate Haft – auf Bewährung.
Bewährt hat sich S. allerdings ganz und gar nicht. Er setzte nahtlos dort an, wo er aufgehört hatte. Tatort: wieder Praterstern. Am 30. August 2017 wurde S. wegen des Verkaufs von 0,9 Gramm Cannabisharz zu sechs Monaten (unbedingter) Haft verurteilt. Der Richter war gnädig. Er verzichtete darauf, die bedingte Haft aus dem ersten Prozess in eine unbedingte Strafe umzuwandeln. Es wurde „nur“die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert.
Was machte das Asylamt?
Nach vier Monaten wurde S. aus seiner sechsmonatigen Haft (aus dem zweiten Prozess) vorzeitig bedingt entlassen. Am 8. Dezember 2017 öffneten sich für ihn die Gefängnistore. Das war in Klagenfurt. Denn S. war während der Haftzeit aus Platzgründen von Wien nach Klagenfurt verlegt worden. Die Anstalt in Klagenfurt nahm vor der Entlassung Kontakt mit dem Bun- desasylamt auf. Was diese Stelle dann tat, stand zuletzt nicht fest. Das Amt selbst möchte nichts sagen. Seitens des Innenressorts hieß es, der Fall werde noch immer geprüft.
Klar ist: Die beiden Drogenverurteilungen bewegen sich auf der unteren Ebene der Delinquenz. Die verkauften Cannabismengen waren sehr gering. Die Zuteilung eines Bewährungshelfers sei in solchen Fällen unüblich, es habe sich ja weder um Gewalt- noch um Sexualdelikte gehandelt, erklärte die Sprecherin des Straflandesgerichts Wien, Christina Salzborn, der „Presse“. Im Übrigen sei S. zuvor in einer betreuten Asyleinrichtung gewesen, dort seien ja auch Sozialarbeiter am Werk gewesen.
Interessant ist, dass S. – wie berichtet – vor den Attacken beim Bundesasylamt einen Antrag auf freiwillige Rückreise gestellt hat. Allerdings war er offenbar nie erschienen, um seine Ausreisedokumente abzuholen. Nun droht S. eine Anklage wegen vierfachen Mordversuchs.