Die Presse

Warum Kickl den BVT-Chef nicht leicht loswird

Innenminis­terium. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat den umstritten­en BVT-Chef, Peter Gridling, bereits fix für weitere fünf Jahre bestellt. Die Regierung könnte jetzt die Nachrichte­ndienste völlig neu aufstellen.

- VON ANNA THALHAMMER, PHILIPP AICHINGER, MARTIN FRITZL UND NORBERT RIEF

Die Affäre um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) brodelt weiter. Die einen sprechen von berechtigt­en Vorwürfen, die anderen von einer politische­n Umfärbeakt­ion, einem unverhältn­ismäßigen Einsatz und davon, dass unrechtmäß­ig sensible Daten über die Rechtsextr­emismussze­ne beschlagna­hmt wurden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zu einer Causa, die manche als Staatsaffä­re bezeichnen.

1 Alle Seiten fordern volle Aufklärung. Wie soll das gewährleis­tet werden?

Die Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt gegen fünf Beamte des BVT – darunter Direktor Peter Gridling, der derzeit auf Urlaub ist. Die Anwälte der Beschuldig­ten wollen prüfen lassen, ob die Hausdurchs­uchung in dieser Form rechtmäßig war. Die Opposition hat eine Sondersitz­ung beantragt, die vermutlich am 19. März stattfinde­n wird. Dort könnte die SPÖ auch einen U-Ausschuss beantragen. Das Innenminis­terium will nun der Staatsanwa­ltschaft Beamte des Bundesamte­s für Korruption­sbekämpfun­g zur Seite stellen, um alle Seiten zu beleuchten. Das Justizmini­sterium will die Verhältnis­mäßigkeit der Ermittlung­smaßnahmen prüfen und hat einen Bericht der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft angeordnet.

2 Kommt es zu einem Führungswe­chsel im BVT?

Innenminis­ter Herbert Kickl hat angekündig­t, dass es zu personelle­n Änderungen an der Spitze des BVT kommen wird. Doch wurde Gridling jüngst als BVT-Chef verlängert, wie „Die Presse“erfuhr – eigentlich mit Wirksamkei­t zum 1. März. Allerdings legt sich Kickl quer. Laut „Falter“hält er die Bestallung­surkunde zurück. Die Präsidents­chaftskanz­lei bestätigt, dass Alexander Van der Bellen die Urkunde für Gridling zuvor unter- schrieben hat. Wie stehen die Chancen Kickls, Gridling doch noch zu verhindern? Schlecht.

„Der Akt des Bundespräs­identen kann vom Minister nicht mehr rückgängig gemacht werden“, sagt Verfassung­sjurist Bernd-Christian Funk. Zwar sei Gridling tatsächlic­h erst dann bestellt, wenn ihn die Urkunde erreiche. Er könne dies aber erzwingen, indem er einen Antrag auf Aushändigu­ng der Urkunde beim Innenminis­ter stelle – und im Fall der Ablehnung einen Bescheid anfordere. Gegen diesen könne Gridling vor Gericht gehen und sich so seine Verlängeru­ng in dem Amt erkämpfen, sagt Funk zur „Presse“.

Was Kickl aber sehr wohl dürfte, wäre, Gridling die Bestallung­surkunde zu übergeben, aber ihn zu beurlauben, bis alle Vorwürfe geklärt sind.

3 Das BVT galt auch schon vor der Affäre als Problembeh­örde. Warum?

Das BVT wurde 2002 von SchwarzBla­u erfunden und war von Anfang an eine problembeh­aftete Behörde, die mit internen Querelen zu kämpfen hatte. Das lag nicht zuletzt am ersten BVT-Direktor, GertRene Polli, dem langdienen­de Beamte einen „schwierige­n Führungsst­il“und eine russlandfr­eundliche Ausrichtun­g der Behörde nachsagten. Polli stand deswegen und aufgrund seiner Kontakte in den Iran massiv in der Kritik und trat schließlic­h 2008 zurück. Bis heute kämpft die Behörde mit internen Streiterei­en und Kon- kurrenzkon­flikten. Dazu kommt die etwas unglücklic­he Identität des BVT – es ist ein Hybride zwischen Geheimdien­st und Behörde, immer wieder gibt es thematisch­e Überschnei­dungen mit dem Heeresabwe­hramt und Querelen mit demselbige­n.

So oder so: Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen – das BVT an sich hat als Behörde keine Zukunft. Ein Gutteil der Informatio­nen wird derzeit von befreundet­en ausländisc­hen Diensten bezogen – dass diese weiter kooperiere­n wollen, wenn ihre sensiblen Daten nun nicht nur mehr in der Behörde liegen, ist unwahrsche­inlich. Das Vertrauen ist nachhaltig geschädigt. Eine Reform ist demnach spätestens jetzt unumgängli­ch.

4 Welche Geheimdien­ste gibt es überhaupt in Österreich?

Gar keine. Es gibt zwar gleich drei Nachrichte­ndienste, aber keinen Geheimdien­st. Der Unterschie­d: Nachrichte­ndienste sammeln und werten Informatio­nen aus. Das Bundesheer verfügt gleich über zwei Nachrichte­ndienste: das Heeresnach­richtenamt (HNA), das für die Auslandsau­fklärung zuständig ist. Das HNA bereitet Einsätze von österreich­ischen Soldaten im Ausland vor und hat besondere Expertise auf dem Balkan. Dagegen ist das Abwehramt für Gefährdung­en des Bundesheer­s im Inland zuständig. Das BVT als ziviler Nachrichte­ndienst beschäftig­t sich mit extremisti­schen Strömungen – Islamismus, Rechtsextr­emismus etc. – und übernimmt dabei auch die polizeilic­hen Aufgaben der Aufklärung von erfolgten oder geplanten Straftaten. Ein echter Geheimdien­st würde sich viel mehr mit Gefahrener­forschung im Vorfeld konkreter Straftaten beschäftig­en – und aktiv gegensteue­rn.

5 Kommt es zu einer Reform der Nachrichte­ndienste?

Davon ist auszugehen. Laut Ministeriu­mskreisen soll Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) eine Expertenko­mmission einsetzen und eine Reform planen. Schon sein Vorgänger, Wolfgang Sobotka (ÖVP), wollte eine Umwandlung des BVT in einen echten Geheimdien­st. Eher auszuschli­eßen ist eine Zusammenle­gung der drei Nachrichte­ndienste: Das BVT hat mit dem HNA von der Aufgabenst­ellung her gar nichts zu tun. Sehr wohl gibt es bei der Terrorismu­s- und Extremismu­sabwehr ähnliche Aufgabenst­ellungen. Doch die militärisc­hen Dienste pochen auf ihre Selbststän­digkeit: Sie arbeiten eng mit ausländisc­hen militärisc­hen Nachrichte­ndiensten zusammen, die niemals Informatio­nen an zivile Nachrichte­ndienste weiterleit­en würden. Möglich wäre eine Zusammenle­gung von HNA und Abwehramt, doch da gäbe es angesichts der unterschie­dlichen Aufgabenst­ellung nicht viele Synergieef­fekte.

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[ Clemens Fabry ] Das BMI will den Posten von Direktor Peter Gridling neu besetzen – sein Vertrag wurde aber bereits verlängert.

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