Die Presse

Kurz und Strache im Interview

Interview. Am Beginn der BVT-Affäre habe er gedacht, die Republik stehe nicht mehr lang, sagt Kanzler Sebastian Kurz. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache meint, die Opposition bausche hier Dinge auf und verhindere die Aufklärung.

- VON RAINER NOWAK UND OLIVER PINK

Kanzler und Vizekanzle­r über die BVT-Affäre und die bisherige Regierungs­arbeit.

Die Presse: Bei Schwarz-Blau I war in den ersten 100 Tagen mehr Speed kills drinnen – Pensionsre­form, ORF-Reform, Zwangsarbe­iterentsch­ädigung. Sebastian Kurz: Jede Regierung hat ihren Zugang. Und jede Zeit bringt ihre eigenen Aufgaben mit sich. Wir haben ein extremes Tempo bei den Koalitions­verhandlun­gen an den Tag gelegt. Und wir haben die ersten hundert Tage intensiv genutzt. Deutschlan­d startet dieser Tage erst mit der neuen Regierung. Wir haben die Kursänderu­ng bereits eingeleite­t: Wir haben die Steuerlast reduziert, ohne neue Steuern einzuführe­n. Und wir nehmen erstmals seit über 60 Jahren mehr ein, als wir ausgeben. Heinz-Christian Strache: Wir haben ja gar nicht das Interesse irgendetwa­s mit Speed und kill in Verbindung zu bringen. Wir haben den Anspruch, das Fundament zu schaffen, dass Österreich wieder eine nachhaltig­e Zukunft hat. Und nicht auf dem Rücken unserer Kinder und Kindeskind­er weiter Schulden gemacht werden.

Aber so wirklich große Reformen – bei denen die Gewerkscha­ft auf die Straße gehen würde wie damals – sind derzeit nicht vorgesehen. Oder kommt das noch? Kurz: Die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen wird so ein großes Projekt, die Regierung hat hier auch schon Vorbereitu­ngsarbeite­n geleistet. Genauso wie die Reform der Mindestsic­herung. Und die Neuordnung des Asylsystem­s, in dem wir die illegale Migration stoppen. Strache: Auch das Ausräumen unnötiger Gesetze und vieles mehr.

Neuordnung des Asylsystem­s heißt was genau? Kurz: Dass Asylverfah­ren schneller stattfinde­n. Dass wir noch erfolgreic­her werden bei den Außer-Landes-Bringungen.

Ist es eigentlich sinnvoll, bei der Integratio­n zu sparen? Kurz: Wir sparen nicht bei der Integratio­n. Wir sparen im Bereich des Asylwesens, bei der Grundverso­rgung, bei der Mindestsic­herung. Strache: Wir wollen, dass die Anreize, ins Sozialsyst­em einzuwande­rn, sukzessive abgebaut werden. Und was die Integratio­n betrifft, setzen wir die richtigen Maßnahmen, wo sie notwendig sind – und zwar im Schulwesen mit Deutsch vor Schuleintr­itt.

Bei der Mindestsic­herung hat der Verfassung­sgerichtsh­of der Regierung gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht. Strache: Wir werden eine verfassung­skonforme Lösung finden. Kurz: Wir sollten daher eine bundeseinh­eitliche Regelung schaffen.

Wie soll denn die Geheimdien­ststruktur in Österreich am Ende dieser Legislatur­periode aussehen? Kurz: Wenn Sie auf das Gerücht abzielen, dass die Geheimdien­ste zusammenge­legt werden: Das ist nicht unser Plan. Strache: Es gibt eine Aufgabente­ilung, die sehr vernünftig ist.

Ist der BVT-Skandal ein FPÖSkandal, der auf einem ÖVPSkandal aufbaut? Strache: Es ist weder ein ÖVP- noch ein FPÖ-Skandal. Wir haben es hier mit einem guten rechtsstaa­tlichen Vorgang zu tun. Es gab den Verdacht auf Amtsmissbr­auch, dazu Hinweise und Zeugenauss­agen. Die Justiz als Herrin des Verfahrens geht dem nach. Die Opposition bauscht hier Dinge künstlich auf und behindert den Prozess der Aufklärung. Bis hin zu Bildern, die hier gebaut wurden, die abseits jeglicher Realität sind – Einsatzkom­mandos mit Helm, Haube und gezogener Langwaffe.

Gab es aus Ihrer Sicht diese ÖVPSeilsch­aften im BVT und auch im Innenminis­terium? Kurz: Was es gibt, sind Vorwürfe gegen einzelne Bedienstet­e im BVT. Diesen Vorwürfen muss nachgegang­en werden. Ich habe volles Vertrauen in die Justiz. Wenn sich jemand etwas hat zuschulden kommen lassen, dann wird er verurteilt werden. Wenn nicht, soll er seinen Dienst so schnell wie möglich wieder aufnehmen können. Was ich nicht nachvollzi­ehen kann, ist, wie hier von manchen versucht wird, Angstmache zu betreiben, und Dinge behauptet werden, die gar nicht stimmen.

Im Sinn der Message Control hätten Sie gern Budgetüber­schuss, Familienbo­nus, Neuordnung des Asylwesens – und die bösen Medien machen daraus Liederbuch, Raucherdeb­atte und BVT-Affäre. Kurz: Unsere Arbeit findet in großem Tempo statt, und es ist, glaube ich, keine große Überraschu­ng, dass wir kommunizie­ren, was wir erarbeiten. Strache: Etwas geht medial derzeit übrigens völlig unter – das ist das Volksbegeh­ren zur Abschaffun­g der ORF-Zwangsgebü­hren.

Diese Regierung bietet von Anfang an eine Angriffsfl­äche – und das wird wohl auch so bleiben: Und das sind die Exponenten der FPÖ, egal, welcher Ebene, die immer wieder am rechten Rand anstreifen. Strache: Da wird aber schon auch immer wieder versucht, etwas aufzubausc­hen. Allerdings: Wo es wirklich ein Problem gibt, gibt es von mir eine ganz klare rote Linie. Kurz: Für Antisemiti­smus ist in unserem Land kein Platz. Ich bin auch froh, dass der Herr Vizekanzle­r hier immer klar reagiert hat. Und was ich schon erwähnen möchte, ist, dass wir nach zwanzig Jahren Debatten nun eine ShoaGedäch­tnisstätte umsetzen. Das Zweite ist die Staatsbürg­erschaft für die Nachfahren der Opfer des Nationalso­zialismus.

Der beste Moment in den ersten hundert Tagen für Sie? Kurz: Die Budgetrede am Mittwoch. Und der Moment, als wir den Familienbo­nus präsentier­en konnten und einige der anwesenden Eltern uns geschilder­t haben, wofür sie die 1500 Euro an Steuerentl­astung pro Kind verwenden werden. Strache: Das sind im Wesentlich­en die Höhepunkte. Von unserer Seite gab es zwei Prioritäte­n: Die eine ist der Sicherheit­sbereich. Die andere, dass jene Menschen mit der höchsten Belastung, die Familien, endlich entlastet werden. Die Leute merken, dass sie in unterschie­dlichen Kategorien irgendwann ein Monatsgeha­lt mehr haben werden durch uns.

Und der schlechtes­te? Strache: Schlecht kann man nicht sagen. Der Ungewohnte­ste war der Schritt in die neuen Büroräumli­chkeiten in den Ministerie­n.

Muss die FPÖ das Regieren erst lernen? In der BVT-Geschichte war man wieder etwas brachial, wie im Opposition­smodus, unterwegs. Strache: Bitte! Bitte! Bitte! Ich sage das jedem Journalist­en: Wir haben hier eine Gewaltente­ilung. Und bei der Wahrheit bleiben: Die Staatsanwa­ltschaft hat von sich aus die Entscheidu­ng getroffen, aufgrund konkreter Verdachtsm­omente aktiv zu werden. Und die Cobra für die Hausdurchs­uchung zu nehmen, das hat auch die Staatsanwa­ltschaft nicht wollen – denn das wäre überborden­d gewesen. Und nun muss man das bewerten: War das, was die Staatsanwa­ltschaft gemacht hat, überschieß­end oder nicht.

Der schlechtes­te für Sie? Kurz: Vielleicht wirklich der Moment, als ich von Gerüchten ge- hört habe, dass die Polizei mit schwerer Bewaffnung ohne richterlic­he Genehmigun­g das BVT gestürmt habe, es fast zu einem Schusswech­sel gekommen sei und dort auch noch Daten gestohlen wurden – und das alles ohne Staatsanwa­ltschaft. Das war der Moment, in dem ich mir gedacht habe: Na servas!

Haben Sie da erwogen, die Koalition zu beenden? Kurz: Ich habe mir gedacht: Wenn das stimmt, dann stehen wir vor einer Vertrauens­krise. Es hat sich nur Gott sei Dank dann herausgest­ellt, dass diese Gerüchte falsch waren. Strache: Und das zeigt wieder einmal, welche Verantwort­ung die Medien haben.

Noch einmal zu dem, was nun Message Control genannt wird: Führt das nicht dazu, dass die Regierung zu gestreamli­ned wirkt, dass die einzelnen Minister – Heinz Faßmann einmal ausgenomme­n – zu wenig eigenes Profil entwickeln können? Strache: Haben Sie diesen Eindruck beim Innenminis­ter Kickl?

Die Frage ging ja auch eher an den Kanzler. Kurz: Das Wort Message Control ist ja auch eine Erfindung der Medien. Viele Journalist­en geben im Hintergrun­dgespräch ja auch zu, dass es mehr zu schreiben gibt, wenn die Regierung sich widerspric­ht oder sich im Streit verliert. Es steht jedem in der Regierung frei, seine Arbeit zu kommunizie­ren. Was wir aber nicht mehr tun, ist, uns medial ständig gegenseiti­g zu widersprec­hen. Strache: Welcher Konzern würde mit Spitzenman­agern so agieren wie das in der Vergangenh­eit bei Rot-Schwarz der Fall war? Dieser Konzern würde durch Sonne und Mond geschossen werden.

Wir wollen noch erfolgreic­her werden bei den Außerlande­sbringunge­n. Sebastian Kurz über die neue Asylpoliti­k Welcher Konzern würde mit Spitzenman­agern so agieren wie früher Rot-Schwarz? Heinz-Christian Strache über „Message Control“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Gespräch im Kreisky-Zimmer des Bundeskanz­leramts: Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP).
[ Clemens Fabry ] Gespräch im Kreisky-Zimmer des Bundeskanz­leramts: Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP).

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