Das Budget zwischen „gutem Ansatz“und einem „Hallelujah“
Debatte. Am Tag nach der Budgetrede zerpflückt die Opposition den Entwurf. Das Urteil von Ökonomen ist differenzierter.
Wien. Es ist keine kleine Aufgabe, innerhalb von 93 Tagen ein Bundesbudget zu erstellen. Da kann es schon passieren, dass in der grafischen Aufbereitung bei den Ausgaben im Jahr 2018 zwischen Voranschlag und Finanzrahmen ein Loch von 300 Millionen Euro klafft. Ein Zahlensturz, erklärt das Finanzressort, der sich nicht auf die Rechnung auswirken werde.
Am Tag nach der Budgetrede, wenn die Möglichkeit bestand, die Hunderten Seiten an Berechnungen, Zahlen und Gesetzesänderungen durchzuarbeiten, findet man die Details und kann die Pläne differenzierter beurteilen. Nicht unbedingt die Opposition, die traditionell bei der Budgetdebatte am zweiten Tag die Vorhaben der Regierung kritisiert. Aber die Ökonomen – und die meinen unisono im Gespräch mit der „Presse“, dass der angepeilte Überschuss zwar positiv und lobenswert sei. Dies aber nur der erste Schritt der Regierung in Richtung einer generellen Strukturreform sein könne.
„Pensionsalter erhöhen“
„Es war wahrscheinlich nicht genug Zeit, um einen wirklich großen Wurf zu schaffen“, meint Martin Kocher, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Ich hätte mir inhaltlich mehr Akzente mit einem Blick in die Zukunft gewünscht“, sagt Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Und Franz Schellhorn, Chef des Thinktanks Agenda Austria, erklärt, dass der Finanzminister zwar auf die massiv steigenden Ausgaben bei Pflege, Gesundheit und Pensionen hingewiesen habe. „Aber was er dagegen tun will, hat er nicht gesagt.“
Schellhorn hätte ein paar Vorschläge für die Regierung: „Eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters wäre eine Maßnahme. Das passiert überall in Europa, in Deutschland hat man es auf 67 Jahre angehoben. Ein anderes Problem ist neben dem Pflegeregress generell die Finanzierung der Pflege, da klafft bei der Finanzierung ein Loch von fünf Milliarden Euro.“Mit einer privaten Pflegeversicherung, für die jeder Österreicher steuerfrei ansparen soll, könnte man dieses Problem lösen.
Kocher weist ebenfalls auf die Kostentreiber Pensionen und Pflege hin. „Es fehlen Ansätze, wie man die Strukturen verändern kann. Dazu findet sich auch im Regierungsprogramm nichts.“Nur in diesen Bereichen könne man den Bundeshaushalt nachhaltig sanieren.
Kritik der Opposition
Margit Schratzenstaller glaubt, dass im Budget generell mehr möglich gewesen wäre. Es sei „ein guter Ansatz“, der Voranschlag müsse jetzt aber als Startschuss für große Reformen dienen. „Man muss in allen Ressorts schauen, um die alten Zöpfe abzuschneiden.“Schellhorn bemängelt, dass die Regierung heuer nicht ambitionierter gewesen sei. Er glaube, dass aufgrund der guten Konjunktur schon Ende dieses Jahres ein ausgeglichenes Bundesbudget möglich sei.
Als ein „Bekenntnis, dass man Reformen umsetzen will und noch mehr kommen“, beurteilt Kocher das „Budget mit Signalwirkung“. Wichtig sei neben dem Sparen die Schwerpunktsetzung mit besseren Dotierungen in bestimmten Bereichen, etwa bei Bildung und Forschung.
Kritik an mangelnden Strukturreformen kam am Donnerstag auch von der Opposition. Aber das waren noch die positivsten Bemerkungen, die man von SPÖ, Neos und Liste Pilz in der fünfstündigen Debatte zum Budget hörte.
Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern warf dem einstigen Koalitionspartner ÖVP vor, nicht im System zu sparen, sondern bei den Menschen – „zulasten unser aller Zukunft“. Eine Zeitenwende könne er im Budget nicht erkennen, vielmehr falle der Regierung dank der guten Konjunktur der Überschuss „in den Schoß“. Dass Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die Ausgabenpolitik früherer Regierung kritisierte, veranlasste Kern zur Frage: „Schließt man jetzt alle ehemaligen Finanzminister aus der neuen ÖVP aus?“
Keine Replik des Ministers
Matthias Strolz’ Erregung über das Budget gipfelte im Ausruf: „Ja, halleluja!“Die Regierung drehe das Licht bei allen Leuchttürmen aus, die man im Wahlkampf versprochen habe, kritisierte der NeosKlubobmann. Liste-Pilz-Budgetsprecher Bruno Rossmann ortete ein „verlottertes föderales System“, das unreformiert bleibe.
Löger und sein Staatssekretär, Hubert Fuchs (FPÖ), hörten sich die Debatten bis zum Schluss von der Regierungsbank aus an, standen dann auf und gingen. Eine Replik gab es von den beiden nicht.