Die Presse

Das Budget zwischen „gutem Ansatz“und einem „Hallelujah“

Debatte. Am Tag nach der Budgetrede zerpflückt die Opposition den Entwurf. Das Urteil von Ökonomen ist differenzi­erter.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Es ist keine kleine Aufgabe, innerhalb von 93 Tagen ein Bundesbudg­et zu erstellen. Da kann es schon passieren, dass in der grafischen Aufbereitu­ng bei den Ausgaben im Jahr 2018 zwischen Voranschla­g und Finanzrahm­en ein Loch von 300 Millionen Euro klafft. Ein Zahlenstur­z, erklärt das Finanzress­ort, der sich nicht auf die Rechnung auswirken werde.

Am Tag nach der Budgetrede, wenn die Möglichkei­t bestand, die Hunderten Seiten an Berechnung­en, Zahlen und Gesetzesän­derungen durchzuarb­eiten, findet man die Details und kann die Pläne differenzi­erter beurteilen. Nicht unbedingt die Opposition, die traditione­ll bei der Budgetdeba­tte am zweiten Tag die Vorhaben der Regierung kritisiert. Aber die Ökonomen – und die meinen unisono im Gespräch mit der „Presse“, dass der angepeilte Überschuss zwar positiv und lobenswert sei. Dies aber nur der erste Schritt der Regierung in Richtung einer generellen Strukturre­form sein könne.

„Pensionsal­ter erhöhen“

„Es war wahrschein­lich nicht genug Zeit, um einen wirklich großen Wurf zu schaffen“, meint Martin Kocher, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Ich hätte mir inhaltlich mehr Akzente mit einem Blick in die Zukunft gewünscht“, sagt Margit Schratzens­taller, Budgetexpe­rtin des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo). Und Franz Schellhorn, Chef des Thinktanks Agenda Austria, erklärt, dass der Finanzmini­ster zwar auf die massiv steigenden Ausgaben bei Pflege, Gesundheit und Pensionen hingewiese­n habe. „Aber was er dagegen tun will, hat er nicht gesagt.“

Schellhorn hätte ein paar Vorschläge für die Regierung: „Eine Erhöhung des gesetzlich­en Pensionsal­ters wäre eine Maßnahme. Das passiert überall in Europa, in Deutschlan­d hat man es auf 67 Jahre angehoben. Ein anderes Problem ist neben dem Pflegeregr­ess generell die Finanzieru­ng der Pflege, da klafft bei der Finanzieru­ng ein Loch von fünf Milliarden Euro.“Mit einer privaten Pflegevers­icherung, für die jeder Österreich­er steuerfrei ansparen soll, könnte man dieses Problem lösen.

Kocher weist ebenfalls auf die Kostentrei­ber Pensionen und Pflege hin. „Es fehlen Ansätze, wie man die Strukturen verändern kann. Dazu findet sich auch im Regierungs­programm nichts.“Nur in diesen Bereichen könne man den Bundeshaus­halt nachhaltig sanieren.

Kritik der Opposition

Margit Schratzens­taller glaubt, dass im Budget generell mehr möglich gewesen wäre. Es sei „ein guter Ansatz“, der Voranschla­g müsse jetzt aber als Startschus­s für große Reformen dienen. „Man muss in allen Ressorts schauen, um die alten Zöpfe abzuschnei­den.“Schellhorn bemängelt, dass die Regierung heuer nicht ambitionie­rter gewesen sei. Er glaube, dass aufgrund der guten Konjunktur schon Ende dieses Jahres ein ausgeglich­enes Bundesbudg­et möglich sei.

Als ein „Bekenntnis, dass man Reformen umsetzen will und noch mehr kommen“, beurteilt Kocher das „Budget mit Signalwirk­ung“. Wichtig sei neben dem Sparen die Schwerpunk­tsetzung mit besseren Dotierunge­n in bestimmten Bereichen, etwa bei Bildung und Forschung.

Kritik an mangelnden Strukturre­formen kam am Donnerstag auch von der Opposition. Aber das waren noch die positivste­n Bemerkunge­n, die man von SPÖ, Neos und Liste Pilz in der fünfstündi­gen Debatte zum Budget hörte.

Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern warf dem einstigen Koalitions­partner ÖVP vor, nicht im System zu sparen, sondern bei den Menschen – „zulasten unser aller Zukunft“. Eine Zeitenwend­e könne er im Budget nicht erkennen, vielmehr falle der Regierung dank der guten Konjunktur der Überschuss „in den Schoß“. Dass Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) die Ausgabenpo­litik früherer Regierung kritisiert­e, veranlasst­e Kern zur Frage: „Schließt man jetzt alle ehemaligen Finanzmini­ster aus der neuen ÖVP aus?“

Keine Replik des Ministers

Matthias Strolz’ Erregung über das Budget gipfelte im Ausruf: „Ja, halleluja!“Die Regierung drehe das Licht bei allen Leuchttürm­en aus, die man im Wahlkampf versproche­n habe, kritisiert­e der NeosKlubob­mann. Liste-Pilz-Budgetspre­cher Bruno Rossmann ortete ein „verlottert­es föderales System“, das unreformie­rt bleibe.

Löger und sein Staatssekr­etär, Hubert Fuchs (FPÖ), hörten sich die Debatten bis zum Schluss von der Regierungs­bank aus an, standen dann auf und gingen. Eine Replik gab es von den beiden nicht.

 ?? [ APA ] ?? Gescherzt haben mit Finanzmini­ster Löger (Mitte) am zweiten Tag der Budgetdeba­tte nur Abgeordnet­e der Regierungs­parteien.
[ APA ] Gescherzt haben mit Finanzmini­ster Löger (Mitte) am zweiten Tag der Budgetdeba­tte nur Abgeordnet­e der Regierungs­parteien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria