Die Presse

Heimische Industriel­le und internatio­nale Investoren stehen Schlange, wenn große Waldgebiet­e zum Verkauf stehen. Wald ist für sie Geldanlage und Rückzugsor­t. Den Preisen tut es gut: Sie stiegen in zehn Jahren um 50 bis 100 Prozent.

Investment.

-

Klaus Bischof stand tief im Wald und kämpfte eine Stunde lang mit seiner Mobiltelef­onverbindu­ng zu Rothschild-Beratern in New York. Drei Monate später schrieb der auf Wälder spezialisi­erte Immobilien­makler „100 Millionen Euro“in die Verkaufsun­terlagen für ein riesiges Waldgebiet, das die Bankiersdy­nastie vor fast 150 Jahren in Niederöste­rreich erworben hatte.

Der Käufer, Cord Prinzhorn, Papierunte­rnehmer und Absolvent einer höheren Schule für Holztechni­k, erhielt den Zuschlag für das Gut, nachdem er sich gegen acht andere Interessen­ten durchgeset­zt hatte. Die Gelegenhei­t, einen so großen Wald zu kaufen, ergebe sich vielleicht alle zehn Jahre, sagt Bischof. Prinzhorn wiederum wollte diesmal nicht leer ausgehen, nachdem er beim letzten großen Verkauf im Jahr 2009 überboten wurde. „Eigentlich bin ich ja Tischler“, sagt Prinzhorn, 45, in einem nüchternen Konferenzr­aum seiner Prinzhorn Holding in einem Wiener Außenbezir­k, „und auch Waldbesitz­er und Jäger, für mich gehört das zusammen. Ein Wald ist ja keine Jacht oder ein schnelles Auto, da braucht man Geduld, aber die Wertsteige­rung ist nachhaltig.“Den Forst bei Gaming im niederöste­rreichisch­en Mostvierte­l sieht er als Quelle für die langfristi­ge Rohstoffve­rsorgung seiner Verpackung­sunternehm­en und als nachwachse­nde Ressource, die Holz, Wild, Fische und Strom liefert.

Prinzhorn musste keine Kleinanzei­gen studieren, um als möglicher Bieter angesproch­en zu werden. Bei dieser Größenordn­ung gebe es keine Internet- oder Zeitungsan­zeigen, sagt Bischof in seiner Kanzlei in der Wiener Innenstadt. Der Markt laufe nur über persönlich­e Gespräche, die in Privathäus­ern oder bei diskreten Anwälten geführt werden.

Der 47-jährige Sohn eines Landwirts ist heute bei allen großen Transaktio­nen in Österreich dabei. Fünf Jahre lang präsentier­te er dem Forstdirek­tor der Rothschild­s Ideen für einen Verkauf – ohne Erfolg. Im April 2017 brauchte es nur einen Satz des Försters am Rande eines Treffens: „Wir sollten über den Rothschild-Wald reden.“Telefonkon­fe- renzen, Bieteransp­rache und Anbote folgten, im Dezember war man sich handelsein­ig. Derzeit wird der Kauf ins Grundbuch eingetrage­n, über den finalen Kaufpreis ist Stillschwe­igen vereinbart.

Mit 5400 Hektar ist das Areal rund zwei Stunden westlich von Wien etwa 16-mal so groß wie der Central Park in New York. Die Rothschild-Erben Nancy Clarice Tilghman und Geoffrey R. Hoguet hatten die Ländereien angeboten, nachdem sie vor Jahren ihren Lebensmitt­elpunkt in die USA verlegt hatten.

Heimische Industriel­le, internatio­nale Investoren und wohlhabend­e Familien stehen Schlange, um die Lücke zu füllen und Alternativ­en zu volatilen Aktien- und Anleiheinv­estments zu finden. Laut Georg Schöppl, Vorstand der Bundesfors­te, sind die Preise für Wälder in Österreich in den vergangene­n zehn Jahren um 50 bis 100 Prozent gestiegen, der Trend zeige weiter nach oben. Schöppl bewirtscha­ftet zehn Prozent des österreich­ischen Staatsgebi­ets und verwaltet damit öffentlich­es Vermögen im Wert von 24 Milliarden Euro. „Mein Anlagehori­zont sind 124 Jahre – von der Pflanzung bis zum Fällen“, sagt Schöppl, 51, auf dem Firmensitz in Purkersdor­f bei Wien. „Die jährliche Waldrendit­e beträgt vielleicht nur ein Prozent, aber die Preise steigen, und es gibt eine große emotionale Dividende. Waldbesitz­er lieben in der Regel die Natur und das Jagen.“

Dietrich Mateschitz, die Familien Porsche/Piech¨ oder Mayr-Melnhof, Immobilien­mogul Rene´ Benko oder der Pistolenpr­oduzent Gaston Glock besitzen große Waldgebiet­e oder haben Jagden gepachtet. Neben der Diversifiz­ierung ihrer Vermögensw­erte erhalten sie auch Zugang zu persönlich­en Rückzugsge­bieten abseits von Jahresbila­nzen und 24-Stunden-Erreichbar­keit.

„Wenn du es nicht schaffst, auf dem Hochsitz das Handy oder iPad auszuschal­ten, wirst du kein guter Jäger werden,“sagt Josef Pröll, vormals Finanzmini­ster und nun Vorstand der Beteiligun­gsgesellsc­haft LeipnikLun­denburger Invest in Wien und gleichzeit­ig Niederöste­rreichs Landesjäge­rmeister. „Zeit bei der Waldarbeit oder beim Jagen bringt Ruhe und Stille.“Für Pröll reichen „ein paar Tausend Euro“und die anspruchsv­olle Jagdprüfun­g für den Anfang. Andere geben Hunderttau­sende Euro im Jahr für ihr Hobby aus, das auch gesellscha­ftliches An- sehen bringt. Seit die Habsburger und der Hochadel sich zur Jagd trafen, gehören großzügige Einladunge­n über mehrere Tage zu den gesellscha­ftlichen Höhepunkte­n in Österreich.

Für ein Anfänger-Set an Waffen, Optik und Bekleidung gäben Menschen ohne fixes Budget auch einmal zwischen 200.000 und 300.000 Euro aus, sagt Christian Johann Springer, der ein entspreche­ndes Geschäft im Zentrum von Wien führt. Bei einem Jagdwochen­ende im exklusiven Segment gehe es „nicht ums Geld, es geht darum, Freunden eine schöne Zeit zu ermögliche­n“, betont er. Eine Einladung für zehn oder 20 Personen könne jedoch schnell 30.000 Euro kosten. „Da fragt man dann die Gäste, ob sie vielleicht 200 oder 300 Euro fürs Personal oder die Förster als Trinkgeld auf den Tisch legen wollen, aber das ist es dann auch.“

Einige Neulinge entwickeln schnell Leidenscha­ft für die Jagd, andere hören gleich wieder auf, weil sie „ein langweilig­es Wochenende draußen in der Kälte verbracht haben“, wie Pröll es nennt.

Rothschild-Käufer Prinzhorn weiß noch genau, wann seine Liebe zu den Wäldern erwachte. „Mit acht durfte ich vor unserem Haus Holz stapeln, danach Paletten schichten, und dann die Motorsäge, es war Schritt für Schritt.“Nachdem er mit den Gewinnmarg­en der Verpackung­sbranche fertig ist, holt er sein Tablet hervor und zeigt ein Foto mit einem seiner Söhne in orange-grüner Schutzklei­dung und einer kleinen Motorsäge. „Letztes Wochenende hat er mir das erste Mal geholfen, das Gestrüpp aus dem Wald zu entfernen. Er kann das jetzt. Das macht mich stolz.“(Bloomberg)

 ?? [ Lisi Niesner/2018 Bloomberg Finance LP ] ??
[ Lisi Niesner/2018 Bloomberg Finance LP ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria