Russland, EU, USA: Krieg mit Diplomaten
Moskau gegen den Westen. Der Konflikt um die Vergiftung eines einstigen Spions eskaliert.
Die USA und 14 EUStaaten weisen wegen des Giftanschlags Diplomaten aus. Russland kontert.
Varna/Washington. Die Folgen des Giftanschlags auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien werden für den Kreml zu einem handfesten Problem. Denn anstatt die Europäer untereinander sowie die EU und die USA auseinanderzudividieren, lässt der Einsatz des Nervengifts in der beschaulichen südenglischen Kathedralenstadt Salisbury die Nato- und EU-Mitglieder näher zusammenrücken.
Am gestrigen Montag hat der Westen eine koordinierte Aktion gestartet, um der russischen Führung, die für den Angriff auf Skripal und seine Tochter verantwortlich gemacht wird, die Konsequenzen des Attentats vor Augen zu führen. 14 EU-Mitglieder sowie die USA kündigten gleichzeitig die Ausweisung von Dutzenden russischen Diplomaten an. Allein in den USA müssen 60 Botschaftsangehörige ihre Rückreise nach Russland antreten. Zugleich ordnete die Regierung die Schließung des russischen Konsulats in Seattle im Bundesstaat Washington an.
Wie ein US-Regierungsvertreter gegenüber der „Financial Times“erklärt hat, ist die Massenausweisung auch als Reaktion auf die zunehmend „aggressive und destabilisierende“Politik Russlands zu verstehen. Und sie sei von US-Präsident Donald Trump höchstpersönlich angeordnet worden – dem bekanntlich Sympathien für Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, nachgesagt werden. Inwieweit Trumps neuer Sicherheitsberater, John Bolton, einflussgebend war, ist nicht klar: Bolton gilt jedenfalls gegenüber Russland als Falke.
Solidarität mit Großbritannien
Zeitgleich mit der Ankündigung in Washington trat im bulgarischen Küstenort Varna, wo gerade der EU/Türkei-Gipfel beginnen sollte (siehe Seite 1), der zweite geopolitische Donald vor die Mikrofone: Ratspräsident Donald Tusk verkündete als Reaktion auf die Causa Skripal, dass 14 Mitgliedstaaten russischen Diplomaten die Tür zei- gen würden – darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Tschechien, Polen, Dänemark und die Niederlande. Weitere Maßnahmen könnten in den kommenden Tagen und Wochen folgen, sagte Tusk, während in Berlin Außenminister Heiko Maas (SPD) die Beweggründe konkretisierte: „Wir setzen damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Großbritannien.“
Vier russische Botschaftsangehörige müssen Deutschland verlassen. Großbritannien hat zuvor 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen – und den Schulterschluss mit den europäischen Partnern gesucht. Bei dem EUGipfel vergangene Woche sicherten die europäischen Staats- und Regierungschefs Premierministerin Theresa May ihre Unterstützung zu. Für Österreich hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Ausweisungen russischer Diplomaten ausgeschlossen.
Die russische Reaktion ließ nicht lang auf sich warten. Mindestens 60 US-Diplomaten müssten das Land verlassen, erklärte ein Mitglied des russischen Föderationsrats Montagnachmittag. Bei dem Anschlag waren Anfang März Skripal und seine Tochter schwer verletzt worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitigem Ermittlungsstand den sowjetischen Kampfstoff Nowitschok. Russland weist jegliche Verantwortung für den Anschlag zurück. (ag.)