Die Presse

Höhere Zinsen in EU?

Euro. Jens Weidmann könnte der nächste EZB-Chef werden. Der deutsche Hardliner wird oft angefeinde­t. Nicht so in Österreich.

- VON NIKOLAUS JILCH

Bundesbank-Chef Weidmann deutet eine Zinserhöhu­ng in der EU an.

Wien. Warum wird der deutsche Bundesbank-Chef, Jens Weidmann, mit dem Großen Goldenen Ehrenzeich­en mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeich­net? Diese Frage sollte am Montag bei der Verleihung dieses Ordens in der Nationalba­nk beantworte­t werden. Gouverneur Ewald Nowotny meinte aber gleich zu Beginn: „Die Verleihung der Auszeichnu­ng bedarf bei Jens Weidmann eigentlich keiner speziellen Begründung.“Immerhin sei Weidmann einer der „wichtigste­n Notenbanke­r der Welt“, ein „Freund“und ein „überzeugte­r Kämpfer für Europa“.

Also wurde der Orden rasch verliehen, um zum eigentlich­en Grund des Termins zu kommen. Jens Weidmann, von Angela Merkel persönlich auserkoren, soll 2019 auf Mario Draghi als Chef der Europäisch­en Zentralban­k folgen. Da kann es nicht schaden, ihn mal live zu erleben – und die Freundscha­ft zu betonen. Immerhin sitzen Österreich und Deutschlan­d im selben Hartwährun­gs-Boot. Weder Wien noch Berlin will aus Europa eine Transferun­ion machen, aber beide wollen den Euro stärken. Die Frage ist nur: wie?

Dass Weidmann als aussichtsr­eichster Kandidat für die Nachfolge Draghis gilt, ist vor allem seiner Nationalit­ät geschuldet. Deutschlan­d ist dran. So einfach ist das. Leicht wird sein Job aber sicherlich nicht. Auch deshalb, weil der geldpoliti­sche Hardliner es sich selbst schwer macht. Immerhin hat sich Weidmann als Einziger in Europa gegen das laufende Ankaufprog­ramm für Staatsanle­ihen und andere Wertpapier­e gestellt.

Simon Tilford, der Chefökonom des bisher eher unbekannte­n Tony Blair Institute for Global Change, nennt Weidmann gar den „gefährlich­sten Mann Europas“. „Der Favorit für die Leitung der EZB scheint nicht an Zentralban­ken zu glauben“, schreibt Tilford im US-Magazin „Foreign Policy“. Weidmann habe die Interessen seiner Heimat mit mehr Nachdruck vertreten als andere EZB-Notenbanke­r. Eine Darstellun­g, der Weidmann selbst wohl mit Nachdruck widersprec­hen würde. Aber er ist solche Angriffe aus dem angelsächs­ischen Raum wohl längst gewohnt. Dort sind massive Eingriffe der Notenbank Usus, während sie in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Hartwährun­gsländern als geldpoliti­scher Hokuspokus abgelehnt werden.

Zinsschrit­te 2019?

Das wird sich auch nicht ändern. Die Geldpoliti­k müsse sich auf ihr Mandat der Geldwertst­abilität konzentrie­ren können, so Weidmann am Montag in Wien: „Denn es tut ihr auf Dauer nicht gut, immer wieder als Krisenfeue­rwehr ausrücken zu müssen.“Die Anleihenkä­ufe müssten bald beendet werden, damit die Geldpoliti­k sich normalisie­ren könne, um Spielraum für neue Krisen zu schaffen. Erste Zinsschrit­te stellt er für 2019 in Aussicht. Überhaupt war seine Wiener Rede so etwas wie ein Ausblick in die Zukunft der Eurozone.

Eine Zukunft, in der sich die EZB wieder auf das Wesentlich­e konzentrie­rt: Zinsen und Preisnivea­u. Man kann sich Jens Weid- mann auch als europäisch­en Realisten vorstellen, der weiß, dass allzu schnelle Bewegungen genauso gefährlich sind wie Stillstand.

„Die asymmetris­che Konstrukti­on der Währungsun­ion – gemeinsame, einheitlic­he Geldpoliti­k bei zugleich nationaler Souveränit­ät in der Finanzpoli­tik – hat sich als anfällig für Fehlentwic­klungen und Krisen erwiesen. Die Bereitscha­ft, nationale Souveränit­ät zu europäisie­ren, ist aber nach wie vor sehr gering. Bis auf Weiteres wird es daher bei dieser Asymmetrie bleiben, und es gilt Wege zu finden, wie die Währungsun­ion auch in diesem Rahmen noch stabiler werden kann“, so Weidmann.

Der ESM, die Bankenunio­n und die gemeinsame Aufsicht hätten die Eurozone stabiler gemacht. Nach dem Ende der Krise seien die Ausgangsbe­dingungen so gut wie lange nicht mehr. Es müsse geklärt werden, welche Aufgaben die EU übernehmen soll, was den Staaten vielleicht zurückgege­ben werde – und wo Einsparung­en möglich seien. Die Zeit dränge, so Weidmann: „Denn ewig fortdauern wird auch der aktuelle Aufschwung nicht.“

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[ APA ] Europas Geldpoliti­k muss gestrafft werden, sagte Weidmann in Wien.

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