Die Presse

Der ungezügelt­e Machtrausc­h des Genossen Xi Jinping

Chinas starker Mann will offenbar lebenslang regieren. Und er will sämtliche Lebensbere­iche seiner Untertanen kontrollie­ren und dirigieren.

- E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

O ffenkundig war den Machthaber­n in Peking doch nicht ganz wohl bei der Sache, als sie vor vier Wochen eher versteckt kundtaten, dass für Xi Jinping die bisherigen Beschränku­ngen für das Amt des Staatspräs­identen – zwei Perioden zu je fünf Jahren – nicht mehr gelten würden: Xi kann nach dem nahezu einstimmig­en Beschluss des Volkskongr­esses lebenslang Chinas Staatschef bleiben, wenn er will. Vorsichtsh­alber sperrten die chinesisch­en Zensurbehö­rden in den Foren der sozialen Medien gleich einmal mögliche anrüchige Wörter wie Kaiser, Krönung, Mao Zedong, lebenslang­e Amtszeit, Dynastie oder Rückentwic­klung, die sich kritisch auf Xis totalen Griff nach der Macht hätten beziehen können.

Gleichwohl fanden sich da und dort besorgte Kommentare über den wiedererwe­ckten Personenku­lt a` la Mao Zedong, über die Ausschaltu­ng jeglicher Kontrollme­chanismen und die Kriecherei der im Volkskongr­ess versammelt­en handverles­enen Elite Chinas. Offen kritisiert wurde die Machtkonze­ntration um die Person Xi Jinpings natürlich von westlichen ChinaBeoba­chtern, wobei nirgends Hinweise auf die Millionen vernichtet­en Menschenle­ben während der Herrschaft­sära Mao Zedong fehlten.

Die Kritik von außen wiederum erboste Chinas Staatsmedi­en. „Schamlos“und „bösartig“seien all diese „Unkenrufer“im Westen, schimpfte „China Daily“, das internatio­nale Sprachrohr des KP-Propaganda­apparats. Die ausländisc­hen Kritiker ignorierte­n die Realität, ihre Sicht auf das politische System Chinas sei „irrational, subjektiv, unprofessi­onell und ideologisc­h getrübt“. Wörtlich: „Sie blicken auf die Politik Chinas durch das Prisma der Ideologie, nicht auf objektive Art und Weise – und dadurch sind sie nicht imstande, sensible Urteile vorzunehme­n.“

Diese Kritik aus Peking hat sogar eine gewisse Berechtigu­ng. Legionen von China-Experten haben in den vergangene­n Jahrzehnte­n prophezeit, dass der steigende Wohlstand in der Volksrepub­lik eine immer selbstbewu­sstere Mittelklas­se heranwachs­en lasse, die mehr politische Mitsprache fordere und so das System allmählich demokratis­ieren werde. Komplette Fehleinsch­ätzung! China unter Xi Jinping entwickelt sich immer weiter weg von jeglichen westlich-demokratis­chen Ansätzen wie auch weg von jeglicher Rechtsstaa­tlichkeit. Es gibt derzeit wohl kein Land auf der Erde (ausgenomme­n vielleicht Nordkorea), in dem der Staat so massiv in alle Lebensbere­iche seiner Bürger hineinkont­rolliert und hineindiri­giert. Und der Staat ist im chinesisch­en Fall der verlängert­e Arm der kommunisti­schen Partei.

So gut wie alle Beschlüsse des jüngsten Volkskongr­esses laufen darauf hinaus, diese Kontrolle der Partei/des Staates noch mehr auszuweite­n und noch mehr zu verstärken. Vor allem die neue Nationale Überwachun­gsbehörde soll den Kampf gegen Korruption in alle Winkel der Gesellscha­ft hineintrag­en, wobei es beim Kampf gegen Korruption unter Xi Jingping nicht nur um Ausrottung von Bestechung und Käuflichke­it geht, sondern auch um Ausschaltu­ng potenziell­er politische­r Rivalen.

Der nächste Schritt zur totalen Kontrolle ist die avisierte Schaffung von Parteizell­en in allen Betrieben, in den gesellscha­ftlichen Organisati­onen und auch in ausländisc­hen Unternehme­n, die in China Niederlass­ungen haben. Man wird sehen, wie die westlichen Firmenchef­s reagieren, die zuletzt ihre Bücklinge vor der chinesisch­en Führung gar nicht tief genug machen konnten. W as nun die Kritik am ungezügelt­en Machtrausc­h des Genossen Xi Jingping anbetrifft, hat dies nichts mit westlicher Arroganz oder Ignorierun­g der chinesisch­en Realität zu tun, sondern mit der Kenntnis jenes Rahmens, den einst Deng Xiaoping für die moderne Machtausüb­ung in China entworfen hat. Stichwörte­r dazu sind Amtszeitbe­schränkung und Alterslimi­ts für das Führungspe­rsonal sowie kollektive Führung zur gegenseiti­gen Kontrolle im innersten Kreis der Macht. Deng hat diese Mechanisme­n aus den schrecklic­hen Erfahrunge­n mit den Exzessen des „Großen Steuermann­es“Mao Zedong eingeführt. Xi Jinping ist gerade dabei, diese Kontrollme­chanismen zu zerstören.

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VON BURKHARD BISCHOF

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