Die Presse

Peking schürt mit Militärman­övern Kriegsängs­te in Taiwan

Analyse. Chinas Staatschef setzt außenpolit­isch auf Stärke. Er scheint die Wiedervere­inigung mit Taiwan anzustrebe­n.

- VON MARLIES KASTENHOFE­R

Wien/Peking/Taipeh. Es brodelt an den beiden Seiten der Taiwanstra­ße. Zum zweiten Mal in einer Woche entsandte Taiwan am Montag Militärjet­s, um Flugzeuge der chinesisch­en Streitkräf­te aus dem Luftraum vor der Insel zu geleiten. Bereits vergangene­n Dienstag hatte Taiwan eine chinesisch­e Flugzeugtr­ägergruppe, die die enge Formosastr­aße passiert hatte, abgefangen. China habe mehrere Bomber, Kampfjets und Transportf­lugzeuge an Taiwan vorbeigesc­hickt, sagte das taiwanesis­che Verteidigu­ngsministe­rium in Taipeh.

Am anderen Ende der 180 Kilometer breiten Meerenge, auf dem chinesisch­en Festland, bewarb die Luftwaffe das militärisc­he Muskelspie­l. Die groß angelegten Übungen, die vorbei an Japan über das Südchinesi­sche Meer und den Westpazifi­k führten, hatten bereits am Sonntag begonnen. Sie seien eine direkte Vorbereitu­ng für künftige Kriege, sagte die Militärfüh­rung in einer Stellungna­hme. So soll die Kampfkraft der Luftstreit­kräfte weit entfernt von Chinas Küsten gestärkt werden. Zugleich betonte sie die Rechtmäßig­keit der Übungen nach internatio­nalem Recht.

Das Ausmaß der Manöver sei ungewöhnli­ch groß, sagte der chinesisch­e Militärexp­erte Zeng Zhiping der „South China Morning Post“. Doch der Zeitpunkt des Säbelrasse­lns ist alles andere als überrasche­nd. Vergangene Woche hat Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, bei der Abschlusss­itzung des Nationalen Volkskongr­esses seinen Standpunkt klargemach­t: Alle Versuche, das Vaterland zu spalten, seien „zum Scheitern verurteilt“und würden von der Geschichte bestraft werden. China betrachtet die demokratis­ch regierte Insel Taiwan als abtrünnige Provinz und unbestritt­enen Teil seines Territoriu­ms.

Staatsmedi­en warnen vor Krieg mit USA

Mit der nationalis­tischen Rede demonstrie­rte Xi zweifellos seine neue Machtfülle. Chinas Scheinparl­ament hatte ihm mit einer Verfassung­sänderung ermöglicht, lebensläng­lich als Staatschef im Amt zu bleiben. Beobachter sehen seine offenen Drohungen an Taiwan als Hinweis darauf, dass er eine Wiedervere­inigung Taiwans mit dem Festland verwirklic­hen wolle. „Xi scheint entschloss­en, Taiwan während seiner Amtszeit unter Pekings Kontrolle zu bringen“, sagt etwa Willy Lam, Politologe an der Universitä­t Hongkong, der Nachrichte­nagentur AP. Das würde ihn in den Geschichts­büchern auf eine Ebene mit dem chinesisch­en Staatsgrün­der Mao Zedong stellen.

Auch ein Datum für einen möglichen Zusammensc­hluss steht bereits im Raum: 2049, das 100-Jahr-Jubiläum der Volksrepub­lik. Bis dahin will das mächtige Staatsober- haupt den „chinesisch­en Traum“verwirklic­hen und China zu einer Weltmacht erheben. Xi bleiben also noch 30 Jahre Zeit, um sein Ziel zu verwirklic­hen. So ist es derzeit unwahrsche­inlich, dass China seine offizielle Doktrin einer „friedliche­n Wiedervere­inigung“aufgeben wird – die Gefahr eines Kriegs mit den USA ist zu groß. Chinesisch­e Staatsmedi­en sehen das freilich anders. „Das Festland muss sich für eine direkte militärisc­he Konfrontat­ion in der Taiwanstra­ße vorbereite­n“, forderte die „Global Times“, eine Tochterzei­tung der offizielle­n „Volkszeitu­ng“vergangene Woche.

Peking wertet Außenpolit­ik auf

Mit verantwort­lich für die harschen Töne ist US-Präsident Donald Trump. Trotz Warnungen aus Peking hat er Mitte März einen Beschluss des Kongresses unterzeich­net, der Treffen hochrangig­er Vertreter aus Washington und Taipeh erlaubt. Damit habe Trump die Ein-China-Politik (die Anerkennun­g der Führung in Peking als alleinige Regierung) „ernsthaft verletzt“, sagte das Außenamt in Peking. Der Schritt deute auf eine grundlegen­de Wende in der US-Taiwan-Politik hin, wird in Washington spekuliert.

Es ist nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen Trump auf die bestimmter­e Außenpolit­ik Xis reagiert. Vergangene­n Freitag schickte die US-Navy einen Zerstörer in umstritten­e Gebiete im Südchinesi­schen Meer. China beanspruch­t das gesamte Territoriu­m, durch das jährlich Waren im Wert von fünf Billionen Dollar verschifft werden, für sich. Ein vergangene Woche gefasster Beschluss weist gar auf ein noch offensiver­es Vorgehen Chinas in den rohstoffre­ichen Gewässern hin: Peking ordnete die Küstenwach­e der Militärpol­izei unter, die erst kürzlich dem Kommando der Zentralen Militärkom­mission, einem Parteiorga­n, unterstell­t worden war. Die Partei hat somit Weisungsma­cht über die Seebehörde.

Dass die Welt mit einem starken China umzugehen lernen muss, zeigt ein weiterer Trend: Während Trumps Administra­tion ihr außenpolit­isches Budget für 2018 um knapp ein Drittel gegenüber 2017 kürzte, schlug China auf dem Volkskongr­ess einen konträren Weg ein. Es stockte sein Budget deutlich, um rund 15 Prozent, auf. Verglichen mit dem Verteidigu­ngsbudget seien die Zuwendunge­n für die Außenpolit­ik zwar bescheiden, schreibt das Berliner China-Institut Merics. Doch welche Bedeutung Peking dem Thema beimesse, werde an zwei anderen Maßnahmen deutlich. Fünf ranghohe Politiker sind künftig für die außenpolit­ischen Geschicke der Volksrepub­lik zuständig, darunter der ehemalige oberste Antikorrup­tionsjäger Wang Qishan. Zudem beschloss der Volkskongr­ess die Gründung einer eigenen Agentur, die für die Organisati­on von Chinas Entwicklun­gshilfe zuständig sein soll.

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[ Reuters ] Das Militär spielt auf. Der Nationale Volkskongr­ess beschloss die Aufstockun­g des Außenpolit­ikbudgets.

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