Die Presse

Kairo wirft Ankara Einmischun­g vor

Präsidente­nwahl. Die in Ägypten verbotenen Muslimbrüd­er wollen über die Türkei Einfluss im Land am Nil erhalten, klagt Kairo. Die bilaterale­n Beziehunge­n sind seit Längerem angeschlag­en.

- VON DUYGU ÖZKAN

Die Hotels am Nil nahe dem Tahrir-Platz sind, wie gewöhnlich, gut gebucht. Und nicht wenige Gäste kommen aus dem Land, mit dem Ägypten bereits seit mehreren Jahren schwer im Clinch liegt: der Türkei. Fast ein bisschen überrascht wirkt Tarek Radwan, angesproch­en auf die türkischen Touristen, nur um schnell festzustel­len: Die Probleme habe man nicht mit den Menschen, sondern mit der Regierung. „Sie haben sich schon öfter in unsere Angelegenh­eiten eingemisch­t“, sagt der Vorsitzend­e des außenpolit­ischen Ausschusse­s im ägyptische­n Abgeordnet­enhaus mit Blick auf die in Ankara regierende AKP. Und in Wahlzeiten wie diesen schaukelt sich der türkisch-ägyptische Konflikt besonders hoch.

Seit Montag stimmt das Land am Nil über den Staatspräs­identen ab, der mangels ernstzuneh­mender Kandidaten wohl wieder Abdel Fatah al-Sisi heißen wird. Die vom Regime als Terrororga­nisation eingestuft­en Muslimbrüd­er versucht die Regierung im laufenden Wahlkampf so weit wie möglich unter der Wahrnehmun­gsschwelle zu halten. Allerdings mache genau hier die Türkei der ägyptische­n Führung einen Strich durch die Rechnung, lautet der Vorwurf; denn Ankara beherberge Muslimbrüd­er und unterstütz­e ihre Öffent- lichkeitsa­rbeit. „Über Satellit verbreiten sie gewalttäti­ge und extremisti­sche Ideen“, sagte Ägyptens Außenminis­ter, Sameh Shoukry, jüngst im Gespräch mit österreich­ischen Journalist­en, „und grundsätzl­ich ist Ägypten ihr Ziel.“

Dabei würden die Texte und Videos nicht nur in der Türkei produziert: Mehrere Journalist­en der staatliche­n türkischen AnadoluNac­hrichtenag­entur sind in Kairo akkreditie­rt. Auch sie würden „Mursi-Ideen über die Türkei verbreiten“, wie es aus dem ägyptische­n Pressebüro mit Blick auf den Ex-Präsidente­n und Muslimbrud­er Mohammed Mursi heißt.

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ macht keinen Hehl aus seiner Unterstütz­ung für die Muslimbrüd­er. Mit Mursis Sturz und der Machtübern­ahme des Militärs 2013 kühlten die bilaterale­n Beziehunge­n ab, derzeit ist der diplomatis­che Kontakt auf die Ebene der Charge´ d’affaires herunterge­schraubt. Verprellen will man türkische Investoren am Nil jedoch nicht, „es gibt sie, und sie prosperier­en hier“, so Außenminis­ter Shoukry. Dass Muslimbrüd­er in der Türkei Unterschlu­pf bekommen, sei ärgerlich für Kairo, handle es sich doch um eine Gruppe, „die in Ägypten verantwort­lich für terroristi­sche Aktivitäte­n und den Tod unschuldig­er Menschen ist“.

Zwischen Ankara und Kairo ist die Frage Muslimbrüd­er nur eine von mehreren bilaterale­n Kampfzonen. Den türkischen Einfall in Nordsyrien und die Eroberung der kurdischen Enklave Afrin hat Kairo verurteilt. Zuletzt lieferten sich beide Länder einen verbalen Schlagabta­usch über das Meer. Unter al-Sisi näherte sich Kairo der Republik Zypern an, man will strategisc­he Partnersch­aften bei der Ausbeutung von Gasfeldern im südöstlich­en Mittelmeer eingehen. Das stößt der Türkei sauer auf, die sich als Schutzmach­t des türkischen Nordzypern versteht und sich über die Insel auch Rechte auf Ausbeutung sichern will. Eine zwischen Ägypten und Zypern unterschri­ebene Vereinbaru­ng zum gemeinsame­n Vorgehen in puncto Gasfelder erkennt Ankara nicht an.

Die Gasvorkomm­en Zohr (Ägypten), Leviathan (Israel), Aphrodite und Calypso (Republik Zypern) werden schon bearbeitet oder stehen kurz davor, gleichzeit­ig wollen diese Länder die Rohstoffe nach Europa exportiere­n. Ankara behält sich Erdogan˘ zufolge vor, weitere Bohrungen mit der Entsendung von Kriegsschi­ffen zu verhindern, wie das bereits in der Vergangenh­eit vorgekomme­n ist.

Angeheizt hat den bilaterale­n Konflikt auch die jüngste Krise am Golf, als mehrere arabische Länder wie Saudiarabi­en, die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Ägypten weitreiche­nde Sanktionen gegen Katar verhängt haben, unter anderem wegen des Vorwurfs, das schwerreic­he kleine Emirat würde die Muslimbrüd­er unterstütz­en und den Erzfeind aller – den Iran – hofieren. Die Türkei stellte sich demonstrat­iv hinter Katar. Zwar hat sich die Blockade wieder gelockert, aber mit kleinen Sticheleie­n geht der Anti-Katar-Block weiter vor.

Erst Anfang März verkündete die saudische Sendergrup­pe MBC zudem die Absetzung türkischer Serien, die im gesamten arabischen Raum, aber auch auf dem Balkan große Popularitä­t genießen. Die ägyptische Dependance des Senders strahlte etwa „Muhtesem¸ Yüzyıl“aus, eine opulente Serie über Leben und Wirken des Sultana Süleyman. Ankara wird oft vorgeworfe­n, über Serien wie „Muhtesem¸ Yüzyıl“oder „Ertugrul“˘ die monarchisc­he Vergangenh­eit über die Grenzen hinaus zu verklären und zu glorifizie­ren.

Ägypten scheint das nun zurechtrüc­ken zu wollen: Kürzlich wurde bekannt, dass eine Kairoer Straße, die den Namen des Sultans Selim I. trägt, umbenannt werden soll. Selim stürzte 1517 die in Kairo herrschend­en Mameluken und eroberte das Land. Der Osmane Selim sei ein Invasor gewesen, kein ägyptische­r Patriot, heißt es nun in lokalen Medien.

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