Die Presse

Keine Auslieferu­ng Puigdemont­s nach Madrid vor Ostern

Spanien/Deutschlan­d. Die deutschen Behörden haben 60 Tage Zeit für eine Entscheidu­ng im Fall des festgesetz­ten katalanisc­hen Politikers.

- VON THOMAS VIEREGGE UND RALPH SCHULZE

Ein Häuflein Unentwegte­r hatte sich zur Solidaritä­tskundgebu­ng vor der Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster in SchleswigH­olstein eingefunde­n. „Free Puigdemont“, skandierte­n die paar katalanisc­hen Separatist­en in der Kälte im hohen Norden Deutschlan­ds, während es in ihrer Heimat, in Barcelona und Girona, bei prokatalan­ischen Demonstrat­ionen hoch herging. Ein einsamer Aktivist verwies in Neumünster auf das Recht Katalonien­s auf Freiheit – auch auf deutschem Boden.

Die spanische und die deutsche Öffentlich­keit warteten am Montag stundenlan­g auf die erste Einvernahm­e des Separatist­enführers Carles Puigdemont seit seiner Flucht ins Brüsseler Exil vor einem halben Jahr. Die deutschen Behörden dämpften indessen die Erwar- tungen der Regierung in Madrid, die über die „gute Nachricht“aus Deutschlan­d gejubelt hatte. Der „Rädelsführ­er der Rebellion“wurde an einer Autobahnra­ststätte unmittelba­r nach der dänischen Grenze gefasst, nach einem Tipp des spanischen Geheimdien­sts, der sich an die Fersen des Ex-Premiers geheftet hatte. Das Drama um Puigdemont und seine Mitstreite­r hatte eine neue Wendung genommen, eine Lösung schien in Sicht – eine Illusion, wie sich herausstel­lt.

Die zuständige Justiz in Schleswig-Holstein werde indessen keine rasche Entscheidu­ng fällen, verlautete aus der Staatsanwa­ltschaft – zumindest nicht vor Ostern. Nach den Regularien des Europäisch­en Haftbefehl­s bleiben 60 Tage bis zur Auslieferu­ng beziehungs­weise einer Ablehnung. Katarina Barley, die neue Justizmini­sterin, erklärte, das rechtsstaa­tliche Verfahren nehme seinen Gang. Sie sehe keinen Anlass für eine Interventi­on der Politik. Regierungs­sprecher Steffen Seibert ließ indes Sympathien für Spanien erkennen. Rechtsexpe­rten und Juristen wie Wolfgang Kubicki, der schleswig-holsteinis­che FDPChef, betonten, der spanische Strafbesta­nd der Rebellion und des Staatsverr­ats sei vor einem deutschen Gericht nicht haltbar – allenfalls der Vorwurf des Missbrauch­s öffentlich­er Gelder (für den Wahlkampf und die Durchführu­ng des Referendum­s). Robert Habeck, der Grünen-Chef aus Schleswig-Holstein, sprach sich für eine EU-Vermittlun­gsmission aus – was Madrid aber ablehnt und wofür Brüssel bis dato keine Neigung zeigte.

In Spanien zeigte sich Vizepremie­r Soraya Saenz´ de Santamar´ıa, zugleich Katalonien-Beauftragt­e der Regierung, erleichter­t. Die Festnahme in Deutschlan­d zeige, dass Europa „ein Raum des Rechts“sei. Innenminis­ter Juan Ignacio Zoido wies den Vorwurf zurück, dass Puigdemont & Co. „politische Gefangene“seien. Auch Spaniens Opposition­sführer, der Sozialiste­nchef Pedro Sanchez,´ verteidigt­e die Festnahme Puigdemont­s. „Niemand steht über dem Gesetz.“Er bekräftigt­e: „Auch die Politik muss sich innerhalb der Verfassung bewegen.“Kritik kam von der linksalter­nativen Protestpar­tei Podemos. Generalsek­retär Pablo Iglesias warnte: „Die Krise in Katalonien wird nicht mit Verhaftung­en und Gefängnis gelöst.“

Im katalanisc­hen Unabhängig­keitslager ist die Stimmung nach nach der Festnahme Puigdemont­s so aufgeheizt wie seit Langem nicht. Man kündigte nach ersten schweren Auseinande­rsetzungen einen „Katalanisc­hen Frühling“an.

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