Die Sele¸c˜ao und ihr langer Prozess der Vernarbung
Länderspiel. Bei der Heim-WM hat Brasilien gegen Deutschland eine bittere Abfuhr kassiert, in Berlin will der Rekordweltmeister nun die Geister dieses Debakels vertreiben. „Das 7:1 ist ein Gespenst“, sagt Teamchef Tite.
Berlin/Wien. Für Brasiliens Teamchef Tite ist das Testspiel gegen Weltmeister Deutschland nicht nur sportlich, sondern vor allem emotional sehr wichtig. „Das hat psychologisch eine sehr große Bedeutung, da muss man sich gar nichts vormachen. Das 7:1 von der WM ist ein Gespenst“, erklärte der 56-Jährige im Fachmagazin „Kicker“. „Wer sich eine Abfuhr einfängt, vergisst diese nicht. Das ist lehrreich“, meinte Tite im Rückblick auf die Niederlage im Halbfinale der WM 2014 im eigenen Land. Der Brasilianer sprach von einer immer noch offenen Wunde. „Die Leute reden oft genug darüber. Aber je mehr man darüber spricht, desto weniger verschwindet dieses Gespenst. Dieses Länderspiel in Berlin ist auch Teil des Prozesses der Vernarbung.“
Der fünffache Weltmeister Brasilien trifft heute (20.45 Uhr, live, ZDF) im mit über 70.000 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion auf die Auswahl von Joachim Löw. „Es wird ein schweres Spiel werden in Berlin, ja, auch emotional wird es uns einiges abverlangen“, meinte Tite, der die Selec¸ao˜ 2016 übernommen, eine neue Mannschaft geformt und diese souverän zur WM nach Russland (14. Juni– 15. Juli) geführt hat. „Die Leistung ist wichtig. Aber natürlich will ich auch ein gutes Resultat.“
Für Innenverteidiger Joao˜ Miranda ist das traumatische 1:7 der Selec¸ao˜ in Belo Horizonte dagegen gar kein Thema mehr, er war da- mals auch nicht dabei. „Was passiert ist, ist für uns Vergangenheit“, hat der Abwehrspieler von Inter Mailand in Berlin erklärt. „Jetzt schauen wir in die Gegenwart und die Zukunft. Wir arbeiten weiter.“
Zwei Klassen stärker
Den deutschen Weltmeistern war vor dem Brasilien-Duell nicht nach nostalgischen Ausflügen zumute. „Nein, das ist vorbei“, sagte Mats Hummels, der 2014, als man schon zur Pause 5:0 führte, mit dabei war. Der Bayern-Innenverteidiger betonte vielmehr die Klasse des Gegners. „Brasilien ist ein weiterer Favorit auf den Titel, der uns erwartet. Es wird wieder ein sehr guter Härtetest.“
Auch Löw, der am 15. Mai seinen WM-Kader nominieren wird, erwartet die Brasilianer „wesentlich stärker“als vor vier Jahren. Ähnlich äußerte sich Real-MadridMittelfeldmann Toni Kroos: „Ich finde Brasilien heute zwei Klassen besser als 2014.“(joe)