Drohen, poltern – und dann dealen
Zölle. Wende im Handelsstreit: Die USA wollen mit China auf Basis einer To-do-Liste verhandeln. Südkorea beugt sich den US-Forderungen. Die Märkte sind erleichtert. Geht Trumps Taktik auf ?
Wien. Die tägliche Portion Rhetorik und politische Folklore gab es auch am Montag: Chinas Staatsmedien schwören weiter Vergeltung, wenn US-Präsident Trump seine Ankündigung wahr macht, auf breiter Front neue Zölle gegen chinesische Exportgüter zu verhängen. Man werde sich dem „Rüpel“Amerika nicht beugen. Und der chinesische Gesandte bei der Welthandelsorganisation schwört in Genf alle Staaten darauf ein, den „unverhohlenen“Bruch des Regelwerks nicht zu dulden und sich die WTO nicht „zerstören“zu lassen. Einseitige Verhandlungen passten zu ihr „wie Wasser zu Feuer“.
Aber hinter den Kulissen verhandelt Peking bereits einseitig und ganz ohne WTO mit der Trump-Administration, um den vollen Ausbruch eines Handelskriegs zu verhindern. US-Finanzminister Mnuchin schlägt entsprechend freundliche Töne an: Ein Handelskrieg „ist nicht unser Ziel“, er sei „hoffnungsvoll“, dass man „beidseitig annehmbare“Wege finde. Von einer konkreten Liste an Forderungen berichtet das „Wall Street Journal“: die Einfuhrzölle für Autos senken, US-Banken den Zugang zum chinesischen Markt erleichtern und mehr amerikanische Halbleiter kaufen. Peking will über alles reden.
Die Finanzmärkte reagieren erleichtert und machen einen Teil ihrer Verluste aus der Vorwoche wieder wett. Erst drohen, dann dealen: Geht Trumps Taktik also auf? Entschärfte Zugangsregeln für Finanzunternehmen sind schon länger in Planung. Allerdings könnte der Druck aus Amerika den Prozess deutlich beschleunigen. Mehr Absatz für ein bestimmtes Produkt wie Halbleiter kann nur ein Regime anbieten, das die Wirtschaft so zentral lenkt wie das chinesische. Das Angebot Pekings ist heikel: Man könne gern mehr Chips aus den Vereinigten Staaten statt aus Südkorea und Japan beziehen. Damit würden die USA ihr Handelsdefizit verkleinern, indem sie enge Verbündete schädigen.
Vor allem aber geht es Washington um den Schutz geistigen Eigentums. Bisher zwingt Peking jedes ausländische Unternehmen, das in China produzieren will, zu einem Joint Venture mit einem einheimischen Partner. So werde Know-how angezapft und gestohlen, befand eine US-Untersuchung. Zudem respektierten chinesische Firmen oft nicht ausländische Patente. Dieses Fazit nahm Trump zum Anlass seiner Drohung, Waren im Wert von 60 Mrd. Dollar mit Zöllen von bis zu 25 Prozent zu belegen. Gleichzeitig klagte die US-Regierung deshalb bei der sonst wenig geschätzten WTO. Das Thema ist auch der EU ein zentrales Anliegen, sie kommt aber damit bisher kaum durch. Nun steht der Vorwurf im Raum, die Europäer ließen sich von den Amerikanern auf unschöne Art die Probleme lösen, mit denen sie selbst auf diplomatischem Weg nicht fertig werden.
China sitzt am längeren Ast
Freilich weiß auch Trumps Umfeld: Einen voll ausbrechenden Handelskrieg können die USA gegen China kaum gewinnen. Zu viele US-Konzerne brauchen China als wichtigen und wachsenden Absatzmarkt. Zu viele haben dort große Lieferanten. Deren niedrigen Lohnkosten verdanken Firmen wie Apple ihre hohen Margen und Gewinne. Peking könnte regulatorische Hürden aufbauen oder einen Warenboykott anzetteln (unter dem schon Japan und jüngst Südkorea zu leiden hatten). Als letzte, schwerste Waffe bleibt China, nicht mehr US-Staatsanleihen zur Finanzierung des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits zu kaufen. Das würde zwar auch der heimischen Währung und Wirtschaft schaden, aber das Drohpotenzial ist dennoch groß.
Weit weniger stark ist die Position Südkoreas. Der kleine Nachbar Chinas knickte am Montag als erster Staat vor Trumps Forderungen ein. Um den Strafzöllen auf Stahl dauerhaft zu entgehen, akzeptiert Seoul eine mildere Maßnahme: eine Obergrenze der Stahlexporte in Höhe von 70 Prozent der im Schnitt pro Jahr verkauften Menge. Das sehen Ökonomen und Juristen als Sündenfall: Die Strafzölle waren nach den WTO-Regeln rechtswidrig, sie zu vermeiden sollte nicht Basis eines Deals sein. Allerdings ist die von Washington geforderte Gegenleistung für das „Entgegenkommen“nur symbolisch: Jeder US-Autobauer darf künftig statt maximal 25.000 doppelt so viele Wagen nach Südkorea importieren. Aber schon das bisherige Limit hat keiner auch nur annähernd erreicht – die Nachfrage nach Fords und Chevrolets ist einfach zu gering. (gau)