Sinnlich wie ein Horv´ath-Drama
Theatermuseum. Mit aufwendigen Installationen und einer klugen Auswahl an Stoff macht die Ausstellung „Ich denke ja gar nichts, ich sage es ja nur“Lust auf große Bühnenerlebnisse.
Bedrohlich hängt ein großes Trumm von einem Baum in der Eingangshalle des Theatermuseums am Lobkowitzplatz in Wien. Darunter spielt auf einem Bildschirm in Endlosschleife ein Sketch des Kabarettisten Josef Hader. Er handelt indirekt von einem österreichischen Dichter, der in Paris von einem Ast erschlagen wurde. Das ist das drastische Entree zu einer Ausstellung, die Leben und dramatisches Werk sowie den frühen und absurden Tod Ödön von Horvaths´ sinnlich und raffiniert abhandelt. Der Dichter war 1938 nach dem „Anschluss“Österreichs über mehrere Etappen nach Paris gereist. Er war so zwar den Nazis entkommen, doch nicht seinem Schicksal: Während eines Gewitters wurde er am 1. Juni auf den Champs-E´lyse´es von einem Ast erschlagen. Horvath´ war 36 Jahre alt.
Die nach einem Zitat aus „Kasimir und Karoline“betitelte Schau „ Ich denke ja gar nichts, ich sage es ja nur. Ödön von Horvath´ und das Theater“konzentriert sich auf drei Stücke und bietet doch sehr viel mehr. Die Kuratoren Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar sind profunde Kenner dieses Dichters, sie haben seit mehr als einem Jahrzehnt an der Wiener Ausgabe seiner sämtlichen Werke mitgearbeitet. Besonders hilfreich ist auch die Gestaltung durch Bühnenbildner Peter Karlhuber. Seine Installationen verströmen die Atmosphäre gelungener Horvath-´Inszenierungen. So blickt man etwa in den Hof des Theatermuseums, wo eine alte Schiffsschaukel steht. Dahinter fliegt über einem Panoramabild von München der Zeppelin, den Karoline im erwähnten Drama bewundert: „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich . . .“
In drei weiteren Räumen taucht man dann in diese Welt von gestern ein. Rostige Rollläden täuschen vor, dass man in dieser „stillen Straße“tatsächlich in Geschäfte eintreten könne, etwa in das Reich des Zauberkönigs oder die Trafik der Valerie in „Geschichten aus dem Wiener Wald“von 1931. Eine Fleischhauertheke wurde aufgebaut – mit echten Würsten und einem künstlichen Sauschädel. Dort arbeitet Oskar, er droht der tragischen Heldin Marianne an, sie werde seiner Liebe nicht entgehen. Bilder, Originalmanuskripte, Filme und Erläuterungen helfen dabei, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Ja, diese Marianne, die von einem Filou ein uneheliches Kind bekommt, aus der Bahn gerät, wird tatsächlich geradezu zerlegt von den bösartigen Leuten um sie.
Von Wien aus (der dominante Topos in diesem Raum ist die Wirtschaft) geht es rechts zu aggressivster Politik: Im Wirtshaus einer Kleinstadt in Oberbayern liegen bereits zerbrochene Bierkrüge auf dem Boden. Offenbar ist die Saalschlacht in „Italienische Nacht“(1931) gerade vorbei. Es erschließt sich die Intensität der Kämpfe zwischen den aufstrebenden Nazis und hilflosen Linken sowie das Schwanken der vielen Bürger dazwischen. Zudem werden Horvaths´ Beziehungen zur Künstlerkolonie in Murnau und sein Roman „Jugend ohne Gott“illustriert, der auch als eine Art Läuterung des Dichters gelesen werden kann.
Am Ende geht es nicht nur um Ökonomie, sondern vor allem um Lust und Leid: Das Oktoberfest während der Wirtschaftskrise, Kasimir und Karoline mittendrin. Ein Liebeskarussell dreht sich, die Bühnenbildentwürfe Caspar Nehers zur Uraufführung in Leipzig 1932 verdeutlichen tolles Treiben, das in Ernüchterung endet. „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich“, sagt Karoline, „aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln, und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabeigewesen . . .“