Schönberg als Zeuge, Zeichner und Erfinder
Ausstellung. Arnold Schönberg schreibt Kabarettlieder, malt Spielkarten und bezeugt vor Gericht, wie Karl Kraus verprügelt wurde: Das Schönberg-Center widmet seine Jubiläumsausstellung ihm und Jung-Wien.
Sie waren Literaten, Bürgerskinder, sahen sich als Avantgarde, trafen sich im Cafe´ Griensteidl – und wurden von ihrem Wortführer, Hermann Bahr, Jung-Wien genannt: Der lose Kreis um ihn, Altenberg, Hofmannsthal, Schnitzler, Salten und einige mehr, ist in Wien heuer besonders präsent. Das LudwigBoltzmann-Institut für Geschichte und Theorie der Biografie bietet etliche Veranstaltungen dazu, vom Cafe´ Central übers Metro-Kino bis zum Sigmund-Freud-Museum. Das Arnold-Schönberg-Center erweitert die Erkundung ins Musikalische: Es feiert seinen 20. Geburtstag mit einer Ausstellung über die Beziehung Schönbergs zu Jung-Wien.
Heute verbindet man den Begriff meist nur mit Literatur, so war er ursprünglich auch gedacht. Doch viele Zeitgenossen sahen Schönberg als Jung-Wiener Tondichter an; unter ihnen sei er „der fesselndste, problematischste, beunruhigendste“gewesen, schrieb der Musikpublizist Richard Specht über den „hastigen kleinen Mann mit dem kahlen, runden Kopf und den brennenden Augen“: „Um ihn ist eine Atmosphäre, die gleichsam von Elektrizität übersättigt ist.“Auch die Ausstellung fasst den Begriff JungWien weit. Sie zeigt den jüngeren Schönberg als Teil der künstlerischen Lokalszene, bei Premierenfeiern und Prügeleien. Den späteren Hohepriester der Zwölftonmusik lernt man etwa als Verfasser von Kabarettliedern kennen, für das von Salten gegründete Theater Zum lieben Augustin.
Man kann auch die Erschütterung nachfantasieren, mit der Schönberg zum Pinsel griff, nachdem er einer Lesung von Karl Kraus zugehört hatte („Die chinesische Mauer“über die Ermordung einer Missionarin in den USA); ein Bild Schönbergs soll von dem Vortrag inspiriert sein. So wie Kraus seine Texte lese, würde er sich die eigene Musik gespielt wünschen, schrieb er an den von ihm verehrten „Fackel“-Herausgeber.
Dieser freilich hatte für Neutöner kein offenes Ohr, er fand seine musikalische Erfüllung bei Jacques Offenbach. Kraus war auch einer der schärfsten Gegner der Jung-Wiener Literaten. Einer von ihnen, der Dichter Oskar Friedmann, marschierte 1899 nach Kraus’ vernichtender Kritik seines neuen Lustspiels mit einigen Kumpanen ins Cafe´ Imperial und verprügelte den Kritiker. Schönberg musste vor Gericht als Zeuge aussagen.
Klimt, durch seinen 100. Todestag in Wien heuer omnipräsent, ist es auch hier – mit mehreren Lichtdrucken. Schönberg hatte sie bei Alma Mahler bestaunt, später bekam er sie von Freunden geschenkt. Als Maler war Schönberg ganz Expressionist – was ihn nicht dran hinderte, Klimt als einen der größten bildenden Künstler zu sehen. Neidlos bewundern – das konnte Schönberg.
Lebendig wird der Mensch hier gerade in kleinen Gegenständen abseits des Komponierens: in zerdrückten Farbtuben der deutschen Firma Behrendt etwa, die der Emigrant Schönberg bis in die USA mitnahm. Oder als Erfinder einer raffinierten elektrischen, auch patentierten, für die Realisierung aber wohl doch zu komplizierten Notenschreibmaschine. Und – besonders liebenswürdig – in minutiös handgemalten Spielkartensets, die er Freunden schenkte.
In alledem spürt man Schönbergs autodidaktische Vielseitigkeit, die handwerkliche Genauigkeit, die brennende Neugier; die Beharrlichkeit, mit denen er den eigenen Einfällen auf der Spur blieb. Alles Eigenschaften, die nicht nur für den Komponisten Schönberg charakteristisch waren – sondern auch für den begnadeten Lehrer.