AMS-Führung bleibt im Amt – vorläufig
Migration. Die Integration vieler Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt verläuft schleppend. Besonders schwer tun sich Menschen aus Tschetschenien, obwohl diese schon lang in Österreich leben.
Innenpolitik. Ganz so schnell wie manche vielleicht erwartet haben, wird es an der Spitzte des Arbeitsmarktservice zu keinen Umstürzen kommen. Die Regierung hat sich, wie berichtet, in ihrer Arbeitsmarktpolitik nicht nur eine Neugestaltung des Arbeitslosengeldes und Kürzungen des AMS-Förderbudgets, sondern auch eine Reform des Arbeitsmarktservices vorgenommen.
„Beim AMS muss sich dringend etwas ändern. Das AMS wird reformiert“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag noch im ORF-Radio. Nun will man den Eindruck vermeiden, dass AMS-Chef Johannes Kopf gleichsam zum Rapport antreten muss. Daher soll erst Mitte bis Ende April „ein ganz normales Gespräch“stattfinden, ein Austausch darüber, wie man die Probleme bei der Integration arbeitsloser Migranten beheben könne.
Wien. Der in der Vorwoche von der „Presse“veröffentlichte AMS-Revisionsbericht zeigte Probleme bei der Betreuung von Arbeitslosen mit nicht deutscher Muttersprache auf. Der Bericht nannte mangelnde Deutschkenntnisse sowie religiöse und kulturelle Gründe als Integrationshindernisse. Hervorgehoben wurden Schwierigkeiten mit Tschetschenen und Afghanen. AMS-Chef Johannes Kopf sprach von Einzelbeobachtungen von AMS-Beratern.
Die Regierung verlangt dennoch eine Reform des AMS. „Die Presse“hat nun die Erwerbstätigkeit der Zugewanderten aus den wichtigsten Asylherkunftsländern untersucht. Hier zeigt sich, dass es vor allem bei Tschetschenen Integrationsprobleme gibt.
Die genaue Anzahl der in Österreich lebenden Tschetschenen ist nicht bekannt, da die öffentlichen Stellen nur die Staatsbürgerschaft erheben. Laut Statistik Austria waren zu Jahresbeginn 32.382 Personen mit russischer Staatsangehörigkeit in Österreich gemeldet. Davon dürften mehr als 90 Prozent aus Tschetschenien stammen. Dies passt zu Schätzungen von Migrationsexperten, wonach sich in Österreich 30.000 Tschetschenen aufhalten. Viele von ihnen leben schon lang in Österreich, denn die erste Flüchtlingswelle begann 2002.
Von den 30.000 geht nicht einmal ein Drittel einer Arbeit nach. Allerdings kann auch nicht gesagt werden, wie viele der 30.000 noch minderjährig sind. Beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger sind 9369 Russen als erwerbstätig gemeldet. Auch hier handelt es sich vorwiegend um Tschetschenen.
Viele Tschetschenen sind noch immer oder schon wieder beim AMS gemeldet. Zu Jahresbeginn zählte das AMS 3411 arbeitslose Russen beziehungsweise Tschetschenen. Hinzu kamen 1226 Russen, die sich in einer AMS-Schulung befanden.
Wann gilt eine Integration als erfolgreich? Laut einer Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus 2017 dauert es durchschnittlich fünf Jahre, bis 50 Prozent der Zugewanderten eine Arbeit finden. Nach 15 Jahren sind es knapp 70 Prozent. Dies deckt sich mit Erfahrungen aus Schweden.
Schwierige Betreuung
Bei den in Österreich lebenden Tschetschenen ist man von einer Erwerbstätigenquote von 50 Prozent weit entfernt. Laut AMS-Revisionsbericht herrsche eine „übereinstimmende Wahrnehmung“, dass die Betreuung bei Tschetschenen schwierig sei. So seien tschetschenische Männer in Reinigungsberufen nicht vermittelbar, weil solche Aufgaben den Frauen zugeschrieben werden.
Als weitere Problemgruppe gelten Personen aus Afghanistan. Laut Statistik Austria hielten sich zu Jahresbeginn 45.720 Afghanen in Österreich auf. Zu beachten ist, dass Asylsuchende in Österreich erst nach positivem Abschluss des Asylverfahrens einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
Anders als bei Tschetschenen läuft bei vielen Afghanen noch das Asylverfahren. Laut Innenministerium warteten zu Jahresbeginn 23.793 Afghanen auf den Ausgang ihres Asylverfahrens. Im Gegensatz zu Flüchtlingen aus Syrien dauert das Asylverfahren bei Afghanen besonders lang. Bei den Syrern waren nur noch 3761 Asylverfahren offen. Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger waren zuletzt 8273 Afghanen erwerbstätig. Davon übten 1040 eine geringfügige Beschäftigung aus. Als arbeitslos waren 3399 Afghanen gemeldet. Hinzu kamen 3499 Schulungsteilnehmer.
Die entscheidende Frage ist nun, wie die 23.793 offenen Asylverfahren ausgehen. Bei einem positiven Ausgang wird sich das AMS noch um viele Afghanen kümmern müssen. Interessant ist, dass bislang mehr Afghanen als Syrer in Österreich einen Job gefunden haben. Dies hängt damit zusammen, dass Afghanen viele schlecht bezahlte Jobs annehmen. Von den 48.116 Syrern, die zu Jahresbeginn in Österreich gemeldet waren, gingen 6598 Personen einer Beschäftigung nach. Beim AMS waren zu Jahresbeginn 6686 Syrer als arbeitslos gemeldet. Hinzu kamen 7420 Syrer, die sich in einer AMSSchulung befanden.
Die Zahlen zeigen eine Zweiteilung bei den Flüchtlingsgruppen: Im Vergleich zu Tschetschenen sind Afghanen und Syrer noch nicht lang in Österreich. Hier sind die nächsten Jahre entscheidend, ob die Integration gelingt.