Die Presse

Das veränderte Ungarn

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melfeuer äußerst grober Propaganda­kampagnen der Regierung auf Plakatwänd­en und in Inseraten etwa gegen Migranten, die EU oder George Soros schaffen ein immerwähre­ndes dumpfes Grundgetös­e im öffentlich­en Raum. Das gab es vor Orban´ so nicht.

Loyale Oligarchen

Auch in der Wirtschaft­spolitik setzte Orban´ auf mehr Freiraum für den Staat, um lenkend einzugreif­en, und vergrößert­e den Staatssekt­or in strategisc­hen Wirtschaft­szweigen. Er schuf politisch loyale Oligarchen über die Vergabe von Staatsauft­rägen und EU-Geldern. Es ging ihm dabei anfangs womöglich nicht in erster Linie um Bereicheru­ng, sondern um Spielraum: dort investiere­n können, wo er es für wichtig hält, ohne das Budget zu belasten, und die Abhängigke­it von ausländisc­hen Investoren verringern. Korruption könnte sich als die Achillesfe­rse des Systems erweisen. Im Wahlkampf deckten Medien des einstigen Orban´-Gefährten Lajos Simicska eine Affäre nach der anderen auf. Simicska hat Einblick: Der Oligarch war mit Orban´ eng befreundet, bis es 20105 zum Bruch kam.

Schulden sind das Gegenteil von Freiraum, Orban´ senkte die Staatsschu­lden von 82 auf heute 72 Prozent. Er senkte auch die Steuern, aber steigerte deren effiziente Eintreibun­g. Er erfand Sondersteu­ern für ausländisc­he Dienstleis­tungskonze­rne, aber stärkte den einheimisc­hen Mittelstan­d. Die Wirtschaft wächst seit 2012 schneller als der EU-Durchschni­tt. Insgesamt entstanden so jedoch Wirtschaft­sstrukture­n, in denen relevante Akteure nur mit dem Segen der Regierung agieren können. Es ist keine liberale Marktwirts­chaft.

Abhängig von einer Person

Ob es für eine Schwellenö­konomie wie Ungarn vorteilhaf­t sein kann, diesen Weg zu beschreite­n, das ist eine Frage für Ökonomen. Eine Interventi­on war auf jeden Fall segensreic­h: Orban´ zwang den Banken einen staatlich verordnete­n niedrigen Umtauschku­rs für die Konvertier­ung sogenannte­r Devisenkre­dite auf. Er rettete damit etwa eine Million verschulde­ter Haushalte.

Orban´ hat Machtstruk­turen geschaffen, die auf ihn zugeschnit­ten sind. Geschickt genutzt kann der erweiterte Spielraum Ungarn Vorteile bringen. Aber auf Dauer kann es für das Land nicht gut sein, von einer Person abhängig zu sein.

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