Teufelskreis einer Minderheit
Roma. Die EU hat Milliarden in die Integration von Roma investiert. Doch das Geld kommt bei den Betroffenen nicht an. Diskriminierungen und Korruption behindern einen Erfolg.
Nachdem eine Volksschule im tschechischen Teplice vor wenigen Wochen ein Bild der ersten Klasse veröffentlicht hatte, hagelte es Hasspostings. Vier der Schüler bzw. Schülerinnen sind Roma. Die Angriffe waren so heftig, dass sie über Tschechiens Grenzen hinweg für Entsetzen sorgten: „Die Schule liegt in der Gaswerkstraße – da bietet sich die Lösung direkt an“, war in einem Posting zu lesen. Roma, mit rund zwölf Millionen Menschen die größte Minderheit in EUStaaten, werden nach wie vor ausgegrenzt, sind Zielscheibe für Hasskriminalität, haben geringere Chancen auf höhere Bildung und einen Arbeitsplatz. Zu diesem Ergebnis kommt nun auch ein Bericht der EU-Grundrechteagentur (FRA), der diese Woche in Wien präsentiert wurde.
„Romafeindlichkeit von Diskriminierung bis zu Hasskriminalität sind der Treibstoff für den Teufelskreis der Ausgrenzung“, so FRADirektor Michael O’Flaherty. Laut dem Bericht fühlen sich 20 Prozent der EU-Bürger „unwohl“, wenn sie mit einem Roma beruflich zusammenarbeiten müssen. In Tschechien lehnten 55 Prozent der Befragten Mitglieder dieser Minderheit als Nachbarn ab. In weiteren Ländern wie der Slowakei waren es mit 47 Prozent kaum weniger.
Das Problem ist vielschichtig. Während die anhaltende Diskriminierung die Chancen der Roma auf eine gute Ausbildung oder einen Arbeitsplatz reduzieren, laufen finanzielle Hilfen für eine bessere Integration der Volksgruppe ins Leere. Seit 2011 bemühen sich die EU-Mitgliedstaaten gemeinsam, die Lage der Roma mit einer eigens beschlossenen Strategie zu verbessern. Für die Eingliederung benachteiligter Menschen (einschließlich Roma) in den Arbeitsmarkt stehen bis 2020 rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung hat 17 Milliarden Euro bereitgestellt, um die soziale Infrastruktur – darunter auch die Wohnsituation der Roma – zu verbessern. Doch das Geld kommt oft bei den Bedürftigen nicht an.
Im Februar musste der rumänische Ministerpräsident, Dacian Ciolos¸ den Leiter seiner Steuerbehörde und dessen Stellvertreter ihres Amts entheben. Sie sollen zugelassen haben, dass EU-Gelder für Roma-Projekte von dubiosen Nichtregierungsorganisationen veruntreut wurden. Ähnliche Vorwürfe gab es in Ungarn, wo ein Vertrauter von Regierungschef Viktor Orban´ ins Visier der EU-Betrugsbehörde kam. Gemeinsam mit Roma-Politikern soll er fünf Millionen Euro abgezweigt haben. Statt Wohnraum für bedürftige Mitglieder der Minderheit entstanden laut einem Bericht des deutschen „Spiegel“Immobilien zur eigenen Nutzung.
Dabei wäre eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der einzig Weg, auch die gesellschaftlichen Probleme der Roma zu reduzieren. Die anhaltend prekären Wohnsituationen und die latenten Ausgrenzungen behindern den sozialen Aufstieg. Die EUGrundrechteagentur kommt zum Schluss, dass sich die Lebensbedingungen der Minderheit zwischen dem Programmstart der EU 2011 und 2016 nicht verbessert haben. 80 Prozent der Roma sind nach wie vor armutsgefährdet. „Ihr Zugang zu sauberem Wasser ist vergleichbar mit Menschen in Ghana oder Nepal.“Die Arbeitslosenquote von jungen Roma ist in der EU nach wie vor deutlich höher als jene ihrer Altersgenossen. In der Bildung gibt es laut dem FRA-Bericht zwar Verbesserungen in einzelnen Mitgliedstaaten, doch insgesamt besteht das Problem weiterhin. So ist beispielsweise der Anteil der Schulabbrecher unter den Roma erneut gestiegen.
„Wir müssen diesen Teufelskreis aufbrechen“, fordert FRA-Direktor O’Flaherty. „Warum tun wir also nicht das Naheliegendste und stellen sicher, dass jeder und jede Roma dieselben Rechte wie die anderen EUBürgerinnen und Bürger wahrnehmen können?“