Wirbel ums „Maserndickerchen“
Italien. Mit Cicciobello morbillino, einer Spielzeugpuppe, die sozusagen Masern hat und von Kindern „geheilt“werden kann, hat sich der Hersteller tüchtig in die Nesseln gesetzt.
Je nach Anbieter so 35 bis 40 Euro muss man hinblättern – und kriegt dafür ein „krankes“Spielzeug. Cicciobello (schönes Dickerchen) heißt die wohl bekannteste Spielzeugpuppe Italiens, die 1962 auf den Markt gekommen war. In der Grundversion just ein blondes, blauäugiges Bübchen, gibt es die Puppe in vielen Variationen, etwa mit Sonnenbrille im Strandoutfit oder mit Mütze und Schal als Winterversion.
Nun hat es Cicciobello erwischt: Er hat Masern. „Nur die Fürsorge und Zuneigung seiner kleinen Mama helfen bei der Heilung“, heißt es in der Produktbeschreibung des neuen Modells Cicciobello morbillino (il morbillo bedeutet Masern). Tatsächlich finden sich allerorten auf seiner Haut rote Punkte (in Wahrheit sieht das bei Erkrankten oft viel schlimmer aus). Reibt man die Puppe mit der im Paket enthaltenen Creme und dem dazugehörigen Tuch ein, verschwinden die Punkte. Sie kommen wenig später zurück. Dauerhaft verschwinden sie nur unter den beiliegenden bunten Pflastern.
Seit Kurzem ist die Puppe am Markt. Und löste Empörung aus: Hier werde eine bei Ungeimpften potenziell tödliche Krankheit infantilisiert, heißt es. Der Präsident des nationalen Gesundheitsinstituts, Walter Ricciardi, warnt vor Verharmlosung, der Arzt Roberto Burioni twitterte: „Wer sind diese Genies, die schwere Krankheiten so banalisieren ohne Respekt für Erkrankte und deren Familien?“
Tatsächlich starben weltweit unzählige Menschen an Masern, bis Impfstoffe ab den 1960ern Milderung brachten. Besonders brutal wüteten sie nach der Entdeckung Amerikas unter dortigen Völkern, denn diese besaßen keine Immunität gegen die Viren, während sie in Eurasien deutlich ausgeprägt war. An Masern starben in Amerika mehr als ein Viertel, ja zwei Drittel und mehr der Menschen infizierter Populationen, noch Ende des 19. Jht., etwa auf Feuerland.
Ohnehin wird in Italien übers Impfen gestritten. 2017 wurden 4885 Masernfälle registriert. Immerhin starben „nur“vier Menschen. Die Regierung führte 2017 Impfpflicht für zehn Krankheiten ein, darunter Masern. Seither wird hitzig debattiert. Impfgegner demonstrieren, die Fünf-Sterne-Bewegung, die als stärkste Partei aus der Wahl im März hervorging und Anspruch auf das Amt des Premierministers erhebt, will die Impfpflicht abschaffen. Dabei sind die meisten Eltern für die Impfung ihrer Kinder, wenn auch bisweilen unter Druck: Ungeimpfte Kinder dürfen nicht zur Schule oder in den Kindergarten.
„Die ,Preziosi Group‘ vereint italienische Kreativität und unternehmerische dynamische Herangehensweise“, ist indes auf der Website des Spielwarenherstellers Giochi Preziosi ist zu lesen. Zur Kritik an dessen Maserndickerchen heißt es aus dem Konzern, man mache seit Jahren Puppen, die Kinder beim „Doktor spielen“benützten.
Der erwähnte Doktor Burioni indes wartet, wie er twitterte, bereits auf Cicciobello miningitino – die Puppe mit einer niedlichen Hirnhautentzündung.