Die Presse

„Da ist irrsinnig viel Unwissenhe­it in der Kritik“

Sozialmini­sterium. Die neue Generalsek­retärin, Helena Guggenbich­ler, über die geplante Auflösung der AUVA, Synergieef­fekte in ihrem Doppelress­ort, ihr Verhältnis zur FPÖ und dem Burschensc­hafter-Ball, den ihr Mann organisier­t.

- VON ANNA THALHAMMER UND OLIVER PINK

Die Presse: Sie waren bisher nicht politisch aktiv – und auch nicht mit den Themen des Sozialmini­steriums befasst. Warum sitzen Sie nun hier? Helena Guggenbich­ler: Ich habe 16 Jahre lang in internatio­nalen Unternehme­n in Führungspo­sitionen gearbeitet – etwa bei Hewlett Packard. Was ich da getan habe, war Veränderun­gsmanageme­nt. Die Zusammenle­gung von Unternehme­n, Umstruktur­ierungen, Neuorganis­ation. Ich habe auf der einen Seite geschaut, was sind die Systeme, die eine Organisati­on zum Arbeiten braucht. Und auf der anderen, wie können Systeme kundenfreu­ndlich gemacht werden. Das ist etwas, was wir hier jetzt auch brauchen. Zwei große Ministerie­n, das Sozial- und das Gesundheit­sministeri­um, werden zusammenge­führt.

Kannten Sie Ministerin Beate Hartinger-Klein vorher? Nein, nicht persönlich. Ich kannte den Kabinettsc­hef ganz gut, der meine Arbeit kannte. Er hat mich der Ministerin vorgeschla­gen, es gab daraufhin längere Gespräche, und es klang für mich stimmig.

Sie sitzen nun auf einem FPÖ-Ticket in einem durch und durch roten Ministeriu­m. Ich glaube, da tut man den Beamten unrecht. Ich erwarte Profession­alität. Und ich finde, die gibt es hier auch. Es gibt ein Regierungs­programm, das hat Ziele, und die wollen wir umsetzen – gemeinsam mit den Beamten. Ich suche nun mit jedem Sektionsch­ef den Dialog. Bis jetzt erlebe ich ein sehr konstrukti­ves Verhalten.

In drei Sektionen werden nun Führungspo­sitionen frei – wollen Sie Sektionen zusammenle­gen? Wie die Struktur aussehen wird, wo die größten Synergien sind, was wir tun werden, werde ich mit den Sektionsch­efs gemeinsam definieren. Für mich ist das eine Frage des Respekts gegenüber den Leuten hier im Haus, dass sie es nicht zuerst aus den Medien erfahren.

Wie sehen die Sparvorgab­en aus? Es gibt die Personalvo­rgaben, die für alle Ministerie­n gelten: Näm- lich nur jede dritte Planstelle darf künftig bei Abgängen und Pensionier­ungen nachbesetz­t werden. Wir haben eine überaltert­e Struktur in manchen Abteilunge­n und müssen das in Betracht ziehen.

Was halten Sie eigentlich von den zwei Standorten, jenem des Sozial- und des Gesundheit­sministeri­ums? So weit sind sie nicht voneinande­r entfernt. Sie können über die Brücke gehen, das geht sich aus.

Es heißt auch, Sie würden Mitarbeite­r von außen mitbringen, einen ganzen Stab mit 15 Leuten. Stimmt das? Wenn Sie sie kennen, schicken Sie sie mir rüber. Nein, ich weiß nichts von einem ganzen Stab, den ich mitbringen sollte.

Aber bringen Sie Leute mit? Wir werden wahrschein­lich zwei Stellen ausschreib­en. Ich freue mich über internes Know-how, denn im Haus gibt es sehr viele gute Leute. Aber es gibt eben auch Expertise von extern. Ich würde mich freuen, wenn es ein gemisch- tes Doppel wird. Aber hauptsächl­ich werde ich mit den Sektionen hier arbeiten. Das sind meine Hauptanspr­echpartner.

Derzeit ist es so, dass die Ministerbü­ros immer größer werden, auf der anderen Seite jedoch gibt es Personalei­nsparungen. Finden Sie das fair? Das sind völlig verschiede­ne Sachen. Wir haben hier ein Kabinett für das Sozial- und das Gesundheit­sministeri­um gemeinsam, das sind nicht viel mehr Leute als früher.

Ihre Ministerin will die AUVA auflösen – auch der Ex-SPÖ-Sozialmini­ster Alois Stöger wollte das schon. Die ÖVP war damals massiv dagegen. Wird der Koalitions­partner das mittragen? Da müssen Sie ein Interview mit der Ministerin machen. Ich werde nicht an ihr vorbeikomm­unizieren.

Was halten Sie von der Idee? Ich halte dann etwas davon, wenn ich die konkreten Zahlen gesehen habe. Das muss ich mir zuerst anschauen. Und haben Sie sich zum AMS schon eine Meinung gebildet? Ich werde auf das Gespräch am 18. April warten, wenn sich die wichtigen Player treffen.

Kommen wir zu Ihrem politische­n Weltbild: Sie sind nicht Mitglied der FPÖ. Würden Sie sich trotzdem als Freiheitli­che bezeichnen? Nein, ich bin nicht Mitglied der FPÖ, aber FPÖ-nahe. Ich kann mit dem Regierungs­programm sehr gut leben, mit vielen Positionen der FPÖ. Ich identifizi­ere mich mit dem freiheitli­chen Wirtschaft­sprogramm, da kann ich voll dahinterst­ehen. Auch beim Bildungspr­ogramm. Und auch beim Sozialund Gesundheit­sbereich, der Schwerpunk­t Pflege ist mir da sehr wichtig.

Die restriktiv­en Positionen in der Zuwanderun­gspolitik teilen Sie wahrschein­lich auch? Ich bin sehr für Eigenveran­twortung. Meine Eltern waren im Entwicklun­gshilfeber­eich tätig – sie waren in den 1960er-Jahren in Kolumbien. Hilfe zur Selbsthilf­e – das habe ich von daheim mitbekomme­n. Ein Land kann sich nicht selbst wieder aufbauen, wenn die Leute alle den Anreiz haben wegzugehen. Deswegen finde ich es auch unfair, wenn wir so viele Anreize geben.

Ein Imageprobl­em dieser türkisblau­en Regierung sind die Burschensc­hafter. Ihr Mann, Udo Guggenbich­ler, ist der Organisato­r des Akademiker­balls alias Burschensc­hafterball. Wie gehen Sie damit um? Ich habe damit kein Problem.

Das dachten wir uns. Aber verstehen Sie die Kritik an den Burschensc­haften? Mich stört die Pauschalis­ierung. Das ist etwas, was ich prinzipiel­l nicht besonders mag. Und außerdem, dass irrsinnig viel Unwissenhe­it in der Kritik ist. Die Kritiker nehmen sich auch nicht die Zeit, persönlich mit einem zu reden. Das ist schade.

Sehen Sie auch problemati­sche Seiten an den Burschensc­haften? Zuletzt gab es die Affäre um die Liederbüch­er. Ist das dort nach wie vor gang und gäbe, oder sind das Einzelfäll­e? Das ist sicher nicht gang und gäbe. Ich habe so etwas nie mitbekomme­n. Ich bin logischerw­eise nicht jeden Tag bei jeder Burschensc­haft im Haus, aber ich habe so eine Geisteshal­tung bei allen, die ich kenne, nie wahrgenomm­en.

Das heißt, Sie teilen die Aussagen von FPÖ-Chef Strache auf dem Akademiker­ball . . . Dass es keinen Platz für Antisemiti­smus und Rassismus gibt. Ja, da stehe ich völlig dahinter. Deswegen bin ich ja auch gegen Pauschalis­ierungen. Auch Rassismus ist immer eine sehr große Pauschalis­ierung. Und eine sehr ungerechte.

(38) wurde in Österreich geboren und wuchs in München auf, studierte Betriebswi­rtschaft in Madrid und Wien. Sie arbeitete in internatio­nalen Unternehme­n (u. a. Hewlett Packard, ABB) in Führungspo­sitionen. Als Generalsek­retärin ist sie sämtlichen Sektionen und deren Chefs mit Weisungsre­cht übergeordn­et.

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[ Clemens Fabry ]

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