Die Presse

Wie die Unfallvers­icherung 500 Millionen einsparen kann

Analyse. Die von der Regierung geforderte­n Einsparung­en sind möglich – würden aber auf Kosten der Krankenver­sicherunge­n gehen.

- VON MARTIN FRITZL

SPÖ und Gewerkscha­ft laufen weiter gegen die angekündig­te Auflösung der Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) Sturm. Der Wiener Parteichef, Michael Ludwig, will eine Schließung der Unfallspit­äler Lorenz Böhler und Meidling verhindern, die Gewerkscha­ft befürchtet einen „Anschlag auf Sicherheit und Gesundheit“. Die wichtigste­n Fragen zur Causa:

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Im Regierungs­programm ist festgehalt­en, dass die AUVA 500 Millionen einsparen muss und dafür bis Jahresende ein Konzept erstellen soll. Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein geht aber jetzt schon davon aus, dass das nicht gelingen wird, und hat die Auflösung der Unfallvers­icherung angekündig­t. Deren Obmann, Anton Ofner, findet das unverständ­lich, er will sich an die Vorgaben der Regierung und den ursprüngli­chen Zeitplan halten.

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Fünf Millionen Erwerbstät­ige, Studenten und Kinder sind gegen Arbeitsunf­älle und Berufskran­kheiten versichert. Die AUVA deckt das gesamte Spektrum von der Prävention über Behandlung, Reha und Rentenleis­tungen ab. Sie betreibt sieben Unfallkran­kenhäuser und vier Reha-Einrichtun­gen. Finanziert wird sie über die Lohnnebenk­osten: Der Arbeitgebe­r zahlt 1,3 Prozent des Einkommens, Arbeitnehm­erbeitrag gibt es keinen.

1,4 Milliarden Euro stehen der AUVA zur Verfügung (Zahlen von 2016), davon werden 504 Mio. für Unfallrent­en aufgewende­t, 441 Mio. für die Behandlung in den Spitälern, 92 Mio. für Reha, 72 Mio. für die Prävention und 79 Mio. für Lohnfortza­hlungen. Der Verwaltung­saufwand schlägt mit 92 Mio. Euro zu Buche.

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Ja, aber nur, wenn man die AUVA isoliert betrachtet. Ein guter Teil der Kosten würde an anderer Stelle im Gesundheit­ssystem wieder auftauchen. Derzeit kommt es nämlich zu einer Querfinanz­ierung von der AUVA zu anderen Krankenkas­sen, und zwar über mehrere Schienen: Für die Behandlung von Unfallopfe­rn in Fremdspitä­lern bezahlt die AUVA den Krankenkas­sen einen Pauschalbe­trag von 210 Mio. Euro. Laut Berechnung­en der Unfallvers­icherungsa­nstalt sind das um rund 150 Mio. Euro zu viel. Laut Ofner ist der Betrag in der Vergangenh­eit festgelegt und stets valorisier­t worden, während sich aber die Zahl der Arbeitsunf­älle in den letzten 30 Jahren halbiert hat.

Auf der anderen Seite behandelt die AUVA in ihren eigenen Spitälern sehr viele Opfer von Freizeitun­fällen, für die sie gar nicht zuständig wäre und bei denen sie von den Kassen nur ein Viertel der tatsächlic­hen Kosten zurückbeko­mmt. Auch hier wären – laut Berechnung der AUVA – 150 bis 160 Mio. Euro zu holen. Und schließlic­h muss die AUVA bei den Entgeltfor­tzahlungen nicht nur bei Unfällen zahlen, sondern auch bei Langzeitkr­ankenständ­en. Das kostet weitere 50 Mio. Euro.

Damit wäre – wenn die Koalition mitspielt – ein großer Teil der Einsparung­en zu holen, wenn die AUVA von versicheru­ngsfremden Leistungen befreit wird. Für diese müssten dann allerdings die Krankenkas­sen aufkommen – und da ist fraglich, ob das ohne eine Erhöhung der Beiträge möglich ist.

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Werden Unfallspit­äler geschlosse­n? Und: „Darf man sich dann nicht mehr den Fuß brechen“, wie das Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres formuliert hat? Wohl kaum. Die Krankenkas­sen wären dann auch für Berufsunfä­lle zuständig und übernähmen wohl auch die bestehende­n Spitäler. Möglich wäre dann eine Zusammenle­gung der beiden Unfallspit­äler in Wien – was aber auch in der AUVA diskutiert wird. Gewarnt wird in der AUVA vor einem Verlust an Kompetenz: Derzeit könne man durch Prävention Unfälle verhindern und damit nicht nur menschlich­es Leid, sondern auch Kosten vermeiden. Dieser Ansatz könne leicht verloren gehen.

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