Die Presse

Gerichtsja­hr bleibt in bisheriger Länge

Juristen. Aufnahmest­opp vom Tisch, aber strikteres Aussieben bei Übernahmsw­erbern.

- VON PHILIPP AICHINGER

Nachdem ersten Bewerbern für das Gerichtsja­hr bereits mitgeteilt wurde, dass sie ihren Dienst aus budgetären Gründen nicht antreten könnten, zieht das Justizmini­sterium die Notbremse. Rücklagen des Ministeriu­ms werden aufgelöst und mehr Geld wird an die Oberlandes­gerichte überwiesen. Gleichzeit­ig ersuchte das Justizmini­sterium die vier Oberlandes­gerichte schriftlic­h, vom Aufnahmest­opp Abstand zu nehmen.

Zudem soll die angedachte Verkürzung des Gerichtsja­hres von sieben auf fünf Monate zumindest für dieses und nächstes Jahr vom Tisch sein. „Davon ist auszugehen“, erklärte Christian Pilnacek, Generalsek­retär im Justizmini­sterium, am Freitag der „Presse“. Gespart werden soll aber bei der Verlängeru­ng von Rechtsprak­tikanten.

Wer Richteramt­sanwärter werden will, wird nach gängiger Praxis über die sieben Monate hinaus verlängert, bevor nach weiteren Tests und Monaten entschiede­n wird, ob jemand tatsächlic­h Rich- teramtsanw­ärter werden darf. Künftig werde man bei der Auswahl von Beginn an viel strikter vorgehen und nur noch die aussichtsr­eichsten Bewerber über die sieben Monate hinaus verlängern, sagt Pilnacek. So will man 1,2 Millionen Euro im Jahr sparen.

Jungrichte­r: Drei Jahre Warten

Viele Jobs wird es für Jungjurist­en in der Justiz demnächst ohnedies nicht geben. 40 der momentan vorhandene­n Richterpos­ten sollen eingespart werden. Beziehungs­weise „zurückgefü­hrt“, wie es das Justizmini­sterium nennt. Denn der Pool an 40 Stellen sei für Rückkehrer aus der Karenz gedacht gewesen, aber inzwischen zu richtigen Richterste­llen geworden.

Die Richterver­treter meinen hingegen, dass der Abbau der Stellen gerade jetzt problemati­sch sei. Denn durch ein erwartetes Plus an Anzeigen (weil es mehr Polizisten gibt) und das Inkrafttre­ten des neuen Sachwalter­schaftsrec­hts entstehe mehr Arbeit bei Gericht.

Maximal 15 Richterpos­ten könnten pro Jahr zurückgefü­hrt werden, sagt Pilnacek. Ein Problem ist das für Richteramt­sanwärter, die ihre vierjährig­e Ausbildung schon hinter sich haben. „Wir haben mehr als 50 geprüfte Richteramt­sanwärter“, sagt der Generalsek­retär. Ihnen blüht nun eine weitere Wartezeit von drei Jahren auf einen Richterpos­ten, bei der sie knapp 2600 Euro brutto im Monat statt 3700 Euro als Richter verdienen. Die Oberlandes­gerichte (OLG) fürchten deswegen, dass Richteramt­sanwärter in die lukrativer­e Anwaltscha­ft wechseln könnten.

Wie viel Geld das Justizmini­sterium zuschießen muss, um das Gerichtsja­hr weiterzufi­nanzieren, konnte man im Ministeriu­m nicht sagen. Der Ansturm sei heuer aber besonders hoch: Waren im Vorjahr im Sprengel des OLG Wien im Schnitt 398 Rechtsprak­tikanten im Dienst, waren es in der ersten Monaten dieses Jahres bereits 484.

Es gebe aber einen Rechtsansp­ruch von Jus-Absolvente­n darauf, das Gerichtsja­hr zu absolviere­n, sagt das Ministeriu­m. Es sei aber kein Fall bekannt, in dem ein Jurist sein Gerichtsja­hr einklagte.

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