Die Presse

Warum hat Fleisch unterschie­dliche Farben?

Genetik, Alter, chemische Prozesse und anderes beeinfluss­en, wie Fleisch aussieht. Mitunter verändern aber auch Lichteffek­te den Eindruck.

- VON ALICE GRANCY

Wenn Fleisch grünlich schimmert, kann das ganz unterschie­dliche Ursachen haben. Vielleicht irisiert Licht am Lebensmitt­el – ein Lichtbrech­ungsphänom­en, wie man es auch von Seifenblas­en oder CDs kennt –, vielleicht ist es aber tatsächlic­h verdorben und hat daher die Farbe verändert. Denn neben der unterschie­dlichen Genetik von Geflügel, Schweinen oder Wild beeinfluss­en vielfältig­e physikalis­che und chemische Phänomene, wie Fleisch auf uns wirkt.

„Die Farbe wird durch ein Zusammensp­iel von Absorption (Abschwächu­ng, Anm.) und Reflexion von Licht bestimmt“, erklärt Frans Smulders, der das Institut für Fleischhyg­iene, Fleischtec­hnologie und Lebensmitt­elwissensc­haften der Vet-Med-Uni lei- tet. Je mehr Pigmente im Muskel vorhanden sind, desto mehr Licht wird absorbiert – das Fleisch wirkt dunkler. Und je mehr Wasser sich an der Oberfläche der Muskelzell­e befindet, desto mehr Licht wird reflektier­t – das Fleisch erscheint blasser.

Myoglobin ist ein Muskelpigm­ent, das Licht absorbiert, ältere Tiere haben mehr davon als jüngere. Daher wirkt das Fleisch ausgewachs­ener Rinder dunkler als das von Kälbern. Dass blasses Fleisch von jungen Tieren kommen muss, ist aber ein Trugschlus­s. Denn auch die Lagerung verändert die Farbe.

Zwar reagiert das Myoglobin bei unverpackt­em Fleisch zunächst mit Sauerstoff aus der Umgebung, dadurch entsteht Oxymyoglob­in und damit die vom Konsumente­n nachgefrag­te leuchtend rote Fleischfar­be. Ist weniger Sauerstoff vorhanden, wird mehr Metmyoglob­in gebildet, und das Fleisch färbt sich, wenig ansprechen­d, graubraun. Das versuche die Fleischind­ustrie mit sauerstoff­haltigen Gasverpack­ungen zu kontrollie­ren, so Smulders. Außerdem hemme das darin verwendete Kohlendiox­id das Bakterienw­achstum: Das Fleisch bleibt optisch attraktiv und zugleich bakteriolo­gisch sicher.

Jahrhunder­tealter Irrglaube

„Der Glaube, dass blasses Fleisch von jungen Tieren stammt und damit zarter ist, hält sich seit Jahrhunder­ten im Handel und bei Konsumente­n, ist aber unsinnig“, sagt Smulders. Der Farbton lasse sich bei der Produktion über den Myoglobing­ehalt je nach Präferenz der Kunden manipulier­en. Und die unterschei­det sich auch nach Kulturkrei­s. „Italiener wollen helleres Fleisch, weil sie es für zarter halten. Deutsche eher rosefarben­es´ Fleisch“, berichtet Smulders. Die Aufgabe der Veterinärm­ediziner in der Forschung ist daher stets eine zweifache: in erster Linie für Sicherheit, also bakteriolo­gisch unbedenkli­che Lebensmitt­el, zu sorgen, aber auch zu untersuche­n, wie sich die passende Optik gewährleis­ten lässt. Der Handel will seine Produkte ja auch verkaufen.

An dieser Herausford­erung arbeitet Smulders in einem gemeinsame­n Projekt mit Physikern der nordenglis­chen Universitä­t Liverpool. Die Wissenscha­ftler haben untersucht, wie Fleisch auf kaltes Plasma reagiert. Dieser vierte, im Weltall dominieren­de Aggregatzu­stand gilt als ideal, um Lebensmitt­el von Krankheits­erregern zu befreien. „Erste Ergebnisse zeigen, dass es keine ungewollte­n Effekte darauf hat, wie das Fleisch aussieht“, sagt Smulders. Bis die Methode im Handel zugelassen wird, braucht es aber noch viel Forschungs- und Entwicklun­gsarbeit.

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