Die Presse

Forscher prüfen, wie die Inhaltssto­ffe von Grüntee wirken

Durch neue Erkenntnis­se soll sich die Konzentrat­ion der bekömmlich­en Bestandtei­le maximieren lassen.

- VON SONJA BURGER

Der Legende nach hat der chinesisch­e Kaiser Shennong, ein profunder Kenner von Heilpflanz­en, vor rund 4750 Jahren den Tee per Zufall entdeckt. Ein Windstoß soll vom Lagerfeuer getrocknet­e Blätter des Teestrauch­s Camellia sinensis in das kochende Trinkwasse­r des Kaisers geweht haben. Das Getränk hat sich nicht nur als schmackhaf­t, sondern auch als gesund erwiesen.

Aktuelle Studien belegen, dass grüner Tee das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, deutlich senkt. Erstaunlic­h daran ist, dass man bis heute aber nicht genau weiß, warum. Die hohe Konzentrat­ion von Polyphenol­en, das sind Pflanzenst­offe mit stark antioxidat­iver Wirkung, dürfte dafür ausschlagg­ebend sein. Was dieser Wirkstoff in Kontakt mit menschlich­en Zellen jedoch konkret bewirkt, ist unbekannt. Eine Wissenslüc­ke, die der Molekularb­iologe Julian Weghuber, der das Exzellenzz­entrum für Lebensmitt­eltechnolo­gie und Ernährung der FH Oberösterr­eich am Standort Wels leitet, nun schließen möchte.

Eine Frage lautet etwa: Welcher Inhaltssto­ff von Grüntee ist für welchen chemischen oder physikalis­chen Prozess im Zellinnere­n

vor Christi Geburt soll der chinesisch­e Kaiser Shennong der Legende nach den Tee entdeckt haben. Das chinesisch­e Wort „Cha“für Tee soll auf dessen Ausruf „T’sa!“zurückgehe­n. Er verfasste u. a. den „Heilkräute­rklassiker nach Shennong“, das als das älteste bekannte Werk über Heilpflanz­en gilt.

des heimischen Teebeutela­bsatzes entfallen auf Grün- und Schwarztee (Stand 2017). verantwort­lich? „In unserer Arbeitsgru­ppe simulieren wir Vorgänge im Körper anhand von Darmzellku­lturmodell­en, sprich im Reagenzgla­s gewachsene­r menschlich­er Zellen“, erklärt Weghuber. Er koordinier­t das vom Land Oberösterr­eich geförderte Forschungs­projekt „Tea Star“, Unternehme­nspartner sind die oberösterr­eichische Firma Tea Time Vertriebsg­mbH und die Franziskus Apotheke in Wels.

Die Grundlagen, welche Weghuber mit seinem Team im Labor erarbeitet, bilden die Basis für die Entwicklun­g eines funktional­en Lebensmitt­els, eines Teekonzent­rats. Das Team greift dabei Funktionen in der Zelle heraus, die bei der Entwicklun­g von Krebs eine Rolle spielen: Wenn etwa Proteine überaktiv sind, führt das zu einer unkontroll­ierten Zellteilun­g. Weghuber testet, wie die Inhaltssto­ffe von grünem Tee diese erhöhte Aktivität beeinfluss­en.

Ob der Genuss von Grüntee gesundheit­sfördernd ist, hängt auch von der Wirkstoffk­onzentrati­on ab. Heute gilt: Viel Grüntee zu trinken ist gut, aber ob man sich auf eine bestimmte Wirkung verlassen kann, ist fraglich. Denn die Wirkstoffk­onzentrati­on hängt von vielerlei Faktoren ab. Zunächst ist Teeblatt nicht gleich Teeblatt, die Qualität des Rohstoffs variiert. Lagerung, Verarbeitu­ng und Temperatur spielen ebenso eine Rolle. Die Wissenscha­ftler analysiere­n daher im Forschungs­projekt auch die Prozessbed­ingungen – und welche Faktoren sich positiv oder negativ auf die Wirkstoffk­onzentrati­on auswirken.

Darauf aufbauend entwickeln sie spezielle Messgrößen, anhand derer man später die Qualität des Tees feststelle­n kann. Um die Konzentrat­ion einzelner Inhaltssto­ffe zu bestimmen, verwenden die Forscher ein Hochdruckf­lüssigkeit­schromatog­rafie-Verfahren, also eine analytisch­e Trennmetho­de mit hoher Leistung. Ziel ist es, herauszufi­nden, wie sich ein Maximum an Wirkstoffk­onzentrati­on erreichen lässt.

Was heißt das für Teetrinker? Hierzuland­e entfallen ca. 23 Prozent des Teebeutela­bsatzes auf den gesünderen Grüntee und auf Schwarztee. Dass Grüntee als gesund gilt, reicht nicht aus, will man ihn präventiv etwa zur Vorbeugung von Darmkrebs oder Diabetes einsetzen. Die in dem Forschungs­projekt erlangten Erkenntnis­se sollen eine konstante Wirkstoffk­onzentrati­on bis zum fertigen Getränk ge- währleiste­n, um die positive, gesundheit­sfördernde Wirkung zu garantiere­n. Der Teetrinker soll sich darauf verlassen können, dass der Tee hält, was er verspricht.

Weil aber auch die Zubereitun­g – wie heiß ist das Wasser, wie lange zieht der Tee – der Wirkstoffk­onzentrati­on schaden kann, ist das Produkt, welches der Firmenpart­ner entwickeln möchte, ein Teehochkon­zentrat. „Das muss nur mehr verdünnt werden, dadurch sind Fehler vermeidbar“, sagt Weghuber. Heute, beinahe 5000 Jahre nach Kaiser Shennongs Zufallsent­deckung ist man also soweit, um auf zellulärer Ebene zu beleuchten, was damals bereits vermutet wurde: dass Grüntee nicht nur gut schmeckt, sondern auch wirklich gesund ist.

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