Wie Raubtiere im Todeskampf
QDer dritte Block, der urban-liberale, kosmopolitische, ist in einem nicht weniger fragwürdigen Zustand. Es liegt nahe, alle Oppositionsparteien diesem Gemenge der Restlichen zuzuordnen, muss dann aber gleich bei der stärksten, der Jobbik-Partei, die größten Bedenken haben. Die war unlängst noch in vielen Punkten offen faschistisch. Ihrem plötzlichen Gesichtswandel ist nicht zu trauen. Sie stilisiert sich zur schärfsten Gegenstimme zu Fidesz, mit voller Wucht zerreißen sich die beiden Parteien wie Raubtiere im Todeskampf, obwohl sie in ihren Zielvorstellungen erschreckend nah beieinanderliegen. Liberale und linke Parteien haben vor 2010 schon ihre Unschuld verloren, sie haben korrupt regiert und maßgeblich mitverschuldet, dass das Vertrauen in Politik schlechthin untergraben wurde. Die Krise des Parlamentarismus begann nicht erst 2010 mit Viktor Orban,´ sie geht zurück bis in das Jahr 1989. Es zeugt vom schlechten Zustand der ungarischen Demokratie, dass inzwischen in weiten Kreisen Korruption als eine geradezu selbstverständliche Begleiterscheinung jeglicher Politik gilt und einfach hingenommen wird. Grüne und junge Bewegungen, die daran etwas ändern wollen, sind noch kleine Minderheiten.
Die Erfahrungen in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts haben ihre bedrückende Kraft noch immer nicht verloren. Die alten Rollen sind nur neu verteilt: hier die fanatisch gehorsamen Schafe, die sich an der Macht wähnen und auf ihre Führung schwören, dort die nicht weniger fanatischen Kritiker und Märtyrer, denen immer nur Unrecht geschieht, obwohl sie eigentlich immer recht haben. Beide liegen in einem Bett. Frust und Lust halten sich die Waage im Gleichgewicht des Schreckens. Den einen schwillt der Kamm vor Wut und Machtlosigkeit, den anderen die Brust vor Stolz und Übermacht. Unten die schweigende Mehrheit in einer Mischung aus Schwerfälligkeit und Resignation, Gleichgültigkeit und Überdruss. Die Wahlen werden an diesem Unglück wenig ändern. Ein Hoffnungssignal im Internet: Zahllose junge Menschen werben nicht dafür, was sie wählen, sondern dass sie wählen. Das schönste Parlament der Welt am Ufer der Donau wartet auf glückliche Benutzer. Der rote Stern auf seiner Spitze ist längst abmontiert, noch immer aber kein glücklicher an seine Stelle getreten. Ermutigend ist: Nicht nur, mit Brecht gesprochen, am Grunde der Moldau, auch am Grunde der Donau wandern die Steine . . .