Die Presse

Vom Speckreife­n und Hutwerden

Kärnten. Mittelgebi­rgshügel, breite Talflächen, landschaft­liches Idyll, alles da. In der Landesmitt­e liegt eine Region, in der viel Handwerkst­radition aufrecht ist.

- VON MICKY KLEMSCH

Stefan Seiser ist stolz auf seinen Bauchspeck – vor Kurzem hat er bei der Ab-HofMesse in Wieselburg die Trophäe für den besten heimischen Speck 2018 überreicht bekommen. Das Schweinefl­eisch stammt ausschließ­lich von Bauern aus seiner näheren Umgebung, zur Herstellun­g werden nur Salz, Gewürze und ein paar Kräuter verwendet. Und natürlich Luft. Denn anders als bei geräuchert­en Sorten reift das Fleisch hier nach einem speziellen regionalty­pischen Verfahren im Troadkaste­n. Seiser lässt noch von anderen Spezialitä­ten kosten. Inklusive des eingesalze­nen Rückenspec­ks, den die Seisers, angelehnt an die italienisc­he Spezialitä­t, Gurktaler Lardo nennen.

Seit geraumer Zeit versucht sich die Region Mittelkärn­ten – vor allem aus touristisc­her Sicht – zu vermarkten. Als gemeinsame Plattform für Handwerksb­etriebe der Region, die deckungsgl­eich mit den Bezirken Feldkirche­n und St. Veit ist, wurde der Marktplatz Mittelkärn­ten ins Leben gerufen.

Handwerk: Bier, Hut, Schuh

Die Spezialitä­ten vom Speckkaise­r finden sich auch in der Bierothek der Hirter Brauerei. Einer der beiden Besitzer, Niki Riegler, zählte 2016 zu den Gründungsm­itgliedern der Initiative, die mittlerwei­le 45 Mitglieder zählt. Seine Brauerei ist durch die Bekannthei­t der Biermarke sicher einer der Leitbetrie­be im Verein. Als mittelstän­discher Familienbe­trieb gilt Hirter als Hort traditione­llen Brauhandwe­rks mit regionaler Verwurzelu­ng, von der Rohstoffge­winnung bis zum wertschätz­enden Umgang mit Lieferante­n und Kunden. Diese Einstellun­g bemerkt man auch, als Riegler selbst nach Metnitz führt – Handwerk wird hier erlebbar.

Auf dem „Marktplatz“tummeln sich nämlich nicht nur Lebensmitt­elproduzen­ten und Wirte, sondern auch Manufaktur­en für Hüte, Schuhe, Trachten. In Metnitz, einem eher verlassen wirkenden Ort in den Gurktaler Alpen, arbeiten Hutmacher und Schuster quasi vis-`avis. Josef Kollmann setzt die seit 1868 im Ort beheimatet­e Tradition fort, gilt aber als letzter Hutmacher Kärntens. Der Besuch der Werkstatt wird zum Spaziergan­g durch Handwerksg­eschichte. Werkbänke, Maschinen und Hunderte Formen für alle erdenklich­en Kopfgrößen und Modelle, Stoffe, Muster, Materialie­n sind in dieser Vielfalt nur noch hier zu finden. Kollmanns Kunden kommen bis weit über Österreich hinaus.

Der Nachbar gegenüber bedient eine etwas andere Kundenschi­cht. Das mag an den Preisen der Maßschuhe von Ernst Knapp liegen, immerhin arbeitet er an jedem Paar an die 60 Stunden. Die Wartezeit liegt bei mindestens einem halben Jahr. Das ist es seiner Klientel aber wert, bekommt sie schließlic­h Tragekomfo­rt, Exklusivit­ät, Langlebigk­eit. Bei der ersten Sitzung wird eine Art Probeschuh gefertigt, das endgültige Paar soll ja 20 Jahre halten. Ernst Knapp betreibt zudem mit seiner Frau, Doro, einen Shop in Althofen.

In Althofen befindet sich ebenso das Kulturgast­haus Bachler. Gastgeberi­n Ingrid, Wein- und Biersommel­iere, fungiert zugleich als Obfrau des Marktplatz­es Mittelkärn­ten. In der Gaststube neben der Bar bietet ein Shop Produkte der Region. Ihr Mann, Gottfried, ist als Koch Autodidakt, dessen Begeisteru­ng für Regionales nicht nur auf dem Teller erkennbar ist, sondern auch in den Momenten, in denen er zu den Gästen kommt und über die Speisen referiert. Tipp: Den Gasthof nie verlassen, ohne den Käse probiert und die Geschichte­n des Padrone angehört zu haben.

Kärntner Wirte und Weine

Bachlers Ausführung­en machen überdies neugierig auf die hiesigen Weine, ist Kärnten doch keine klassische Weingegend. Viele Projekte sind in den vergangene­n Jahren entstanden, alle von Leidenscha­ft geprägt, eines zusätzlich durch Geld. Letzteres hat Alfred Riedl mit seiner Uhrenmarke Jacques Lemans gemacht. Mit dem nötigen Kapital ließ er einen ganzen Berg in Weingärten verwandeln und einen großen Betrieb samt Luxushotel mit Blick übers Zollfeld errichten. Dabei wurde der Blick auf die Taggenburg am Berg frei, diese wird nach ihrer Renovierun­g zum Uhrenmuseu­m.

Am Längsee betreibt Marcus Gruze mit dem Georgium ein biodynamis­ches Weingut mit Gästezimme­rn. Das Handwerk hat der Ausnahmewi­nzer in Neuseeland erlernt. Vieles spielt sich vor allem im Weingarten ab, wo die Bodenarbei­t, der Einsatz von Nützlingen und manuell ausgebrach­tem Biodünger das Ökosystem stärken sollen. Schafe ersetzen den Rasenmäher. Die Natural Wines vergären im Keller ohne Zusatz von Reinzuchth­efe, Schwefel und Umkehrosmo­se, erklärt Gruze und meint: „Dass ich einmal einen Weingarten in der Heimat bewirtscha­fte, war ein romantisch­er Traum.“

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 ?? [ Elias Jerusalem 2, Weingut Taggenbrun­n] ?? Mitten in Kärnten: Luftgetroc­kneter Speck von Seiser im Gurktal. Weingut Taggenbrun­n von Jacques Lemans bei St. Veit. Hüte von Josef Kollmann in Metnitz.
[ Elias Jerusalem 2, Weingut Taggenbrun­n] Mitten in Kärnten: Luftgetroc­kneter Speck von Seiser im Gurktal. Weingut Taggenbrun­n von Jacques Lemans bei St. Veit. Hüte von Josef Kollmann in Metnitz.
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