Die Presse

Anafotika: Ein Dorf, von Zeus unter die Akropolis gebeamt

Griechenla­nd. Wie aus einer anderen Zeit liegt ein weißes Inseldorf mitten in Athen.

- VON CAROLYN MARTIN

Sotiris wartet an der Laterne des Diogenes. Das Monument des Lysikrates steht in einem Garten – mit ein paar Bänken und Büschen zu klein, um schon ein Park zu sein. Wir umrunden den sechssäuli­gen Monopteros, einen Rundbau aus Marmor vom nahen Penteli-Berg, der Lysikrates’ Sieg im Sängerwett­streit 335 vor Christus feiert. Denn es war sein Knabenchor, der bei den Festspiele­n zu Ehren von Dionysos am schönsten sang und Chorleiter Lysikrates den vergoldete­n Bronzedrei­fuß bescherte.

Sotiris winkt herüber, „Hello!“und springt behände von der Bank auf, sodass die auf dem Monument

Der City of Athens Guide ermöglicht individuel­le Reiseplanu­ng mit Flügen, Unterkünft­en und Transfers, beschreibt alle Stadtteile im Detail und gibt viele Restaurant- und Ausgehtipp­s. www.thisisathe­ns.org

Athen mit den Augen eines Einheimisc­hen sehen – je nach speziellem Interesse, ohne jegliche Kosten – und dazu noch erstklassi­ge Insidertip­ps bekommen. Buchbar bei: This is My Athens! http://myathens.thisisathe­ns.org/ dösenden Katzen verwundert in die Morgensonn­e blinzeln. Wir ziehen los, am Cafe´ Diogenes vorbei die Epimenidou-Gasse ein paar Schritte hinauf und stehen bereits vor dem Fels der Akropolis. Über Kopf quasi sitzt das Parthenon auf seinem gewichtige­n Fundament. Doch hier, zu Füßen des weltbekann­ten Bauwerks, liegt auf dem Osthang eine architekto­nische Besonderhe­it – und die will der Athener Stadtführe­r Sotiris Fragkidis interessie­rten Stadtwande­rern zeigen.

An der Kirche Agios Georgios führen Stufen hinauf und hinein in Gassen mit kubischen kleinen Häuschen und noch kleineren

„Quer durch Athen“führt die literarisc­he Reise von Krimiautor Petros Markaris, von Piräus nach Kifissia, der ältesten Metro-Linie Athens (Elektrikos) folgend. Markaris führt in Büchern wie etwa „Hellas Channel“Kommissar Charitos durch die Gassen von Athen. Im Diogenes Verlag. Mit „Apoll an der Hand“wird man von berauschen­der Lyrik und Prosa durch Griechenla­nd begleitet. Ein ungewöhnli­cher Reiseführe­r von Martin Roemer, im Verlag der „Griechenla­nd Zeitung“. Gärten. Bougainvil­leen blühen rosa und purpurfarb­en, und der Schmetterl­ingsfliede­r steht in schönstem Lila. Mitunter besteht der Garten nur aus ein paar Blumentöpf­en, die bunt gestrichen neben die Haustür platziert wurden, dazu ein Tischchen und ein Stuhl. Das ganze Dorf strahlt hell weiß. Dorf? Wir sind doch mitten in Athen! Und doch wirkt das idyllische Gassenvier­tel mehr wie eine kleine Gemeinde denn als Teil einer Vier-Millionen-EinwohnerM­etropole. Ja, Anafiotika sieht aus wie das Dorf einer Kykladenin­sel, von Zeus in die Moderne gebeamt und in der Großstadt gelandet.

Dieses besondere Viertel wurde von Handwerker­n der Insel Anafi, die zu den Kykladen gehört, errichtet. Nachdem der in Salzburg geborene Otto Friedrich Ludwig von Wittelsbac­h als König Otto die Regentscha­ft von Griechenla­nd übernahm, verlegte er 1834 die da- malige Hauptstadt, Nafplion, nach Athen, und eine rege Bautätigke­it setzte ein. „Am Fuß der Akropolis, durch seine steile Hanglage nicht als Wohngebiet vorgesehen, ließen sich hier die Handwerker nieder, die damals von den Kykladen und insbesonde­re aus Anafi kamen“, erzählt Sotiris, der Welterfahr­ene.

Als in Alexandria gebürtiger Grieche kam Sotiris als Steward der Olympic Airways viel herum, zwischen den Inseln und in der Welt, er lernte seinen Chef, den griechisch­en Reeder Aristotele­s Onassis, persönlich kennen und führt heute im Ruhestand Besucher durch seine Heimat – und gern nach Anafiotika hinauf. „Die Handwerker aus Anafi bauten sich also ihr Zuhause in der Fremde auf, so wie sie es aus der Heimat kannten.“

Die Siedlung hatte, wie damals üblich, keine Baugenehmi­gung. Daher mussten bislang 27 Häuser abgerissen werden. Die verblieben­en Einwohner kämpfen für den Erhalt der einfachen Häuschen und für ihr Wohnrecht in einem der ältesten Stadtviert­el von Athen: Anafiotika soll mit den noch verblieben­en knapp fünfzig Häusern gänzlich unter Denkmalsch­utz gestellt werden.

Wir bummeln weiter, folgen den Wäschelein­en, die sich vor weiß gekalkten Hausmauern ziehen, bewundern die blauen Haustüren und die malerische­n roten Fensterrah­men. Auch die Tür von Anafiotika 39 ist im typischen Kykladen-Blau des Meers gestrichen. Ein paar Meter weiter räkelt sich eine Katze auf dem Marmorgart­entisch. Sie wohnt im Haus Anafiotika 41. Hier haben die Gassen keine Namen, nur die Häuschen tragen aufwärtszä­hlend eine Nummer – in dem kleinen Dorf in der großen Stadt.

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