Der Riss unter dem Baikalsee und das Eis unter d
Sibirien. 1996 erklärte die Unesco den Baikalsee zum Weltnaturerbe. Begründung: Das Gewässer gilt als das herausragendste Beispiel für ein Süßwasserökosystem.
Mit einem Volumen von mehr als 23.000 Kubikkilometern bildet der Baikalsee das weltweit größte Reservoir flüssigen Süßwassers, rund ein Fünftel des gesamten Vorkommens auf der Erde. Gespeist wird der Baikal, wie der See auch kurz genannt wird, von mehr als 330 Zuflüssen, entwässert hingegen nur durch einen einzigen Fluss – die Angara. Erdgeschichtlich betrachtet hatte er drei Abflüsse, doch infolge der Orogenese des Baikalgebirges und eines Erdbebens vor 16.000 Jahren gibt es die beiden anderen Abflüsse nicht mehr. Das Einzugsgebiet des Baikals umfasst etwa 570.000 Quadratkilometer. Mit mehr als 25 Millionen Jahren ist er der älteste, mit 1642 Metern der tiefste Süßwassersee der Erde.
Riss in der Erdkruste
Das im Süden Sibiriens an der russisch-mongolischen Grenze gelegene Gewässer erstreckt sich in einem kontinentalen Grabenbruch, und zwar in jener Region, in der die Eurasische und die Amurische Platte auseinanderdriften, bedingt durch die südlich gelegene, keilartig nach Norden wirkende Indische Platte. Dieses rund 1600 Kilometer lange und 6000 Meter ins Erdinnere reichende Baikal-Rift ist die tiefste kontinen- tale Riftzone der Erde – aufgefüllt jedoch mit Sedimenten, sodass der Baikalsee eine Tiefe von „nur“1642 Metern aufweist. Dieser Riss in der Erdkruste ist nach wie vor aktiv; pro Jahr vertieft und erweitert er sich um circa zwei Zentimeter. Forscher gehen davon aus, dass der Baikalsee Ausgangspunkt eines neuen Meeres wird und Asien in ferner Zukunft in zwei Teile zerbricht, sollte die Dehnung im Baikal-Riftsystem weiter voranschreiten. Eine Vielzahl an Thermalquellen deuten ebenfalls darauf hin, dass die Erdkruste in dieser Region sehr aktiv ist.
Extrem hoher Reinheitsgrad
Umgeben von etlichen Gebirgen, einige davon Nationalparks oder Naturreservate, erstreckt sich der Baikalsee (zwischen Sewerobaikalsk im Norden und Sludjanka im Süden) über 673 Kilometer Länge; an seiner breitesten Stelle misst er 82, an der schmalsten 27 Kilometer. An sein nordwestliches Ufer grenzt die Oblast Irkutsk, an sein südöstliches Ufer die Republik Burjatien.
Nicht nur die Dimensionen machen den Baikalsee zum kaum überblick- und erfassbaren Naturphänomen, auch die hohe Artenvielfalt einzigartiger und endemischer Fauna und Flora zeichnet dieses Weltnaturerbe aus, weshalb es als Perle Sibiriens bezeichnet wird. So beherbergt die Baikalregion rund 1500 Tier- (davon etwa 60 Prozent endemisch) und über 1000 Pflanzenarten. 90 Prozent der Biomasse des Baikalsees bilden Flohkrebse, die hier mit 230 Arten vertreten und für den extrem hohen Reinheitsgrad des Wassers verantwortlich sind. Am fleißigsten ist der endemische Baikal-Epischura, ein nur eineinhalb Millimeter großer Krebs, der Bakterien und Algen vertilgt. Auf einem Quadratkilometer Wasserfläche leben bis zu drei Millionen dieser winzigen Tiere.
Ein anderer kleiner Krebs, der Macrohectopus, säubert die oberen Wasserschichten. Er ernährt sich von toten Fischen und Insek- ten sowie ertrunkenen Landwirbeltieren.
Robbe in Süßwasser
Aufgrund der niedrigen Wassertemperatur, die an der Oberfläche im Jahresmittel nur etwa sieben Grad beträgt, kommt auch der Golomjanka, der am tiefsten lebende Süßwasserfisch der Erde, vor. Dieser endemische Baikal-Ölfisch ernährt sich von Plankton und existiert in Tiefen von mehreren Hundert Metern; der Kleine Baikal-Ölfisch geht sogar in Tiefen von 1000 bis 1400 Metern. Die fettreichen Baikal-Ölfische sind wichtige Nahrungsgrundlage der endemischen Baikalrobbe (Nerpa). Der Baikalsee ist weltweit der einzige Lebensraum, an dem die (sonst marinen) Robben ausschließlich im Süßwasser leben. Eine Theorie, wie die Nerpas den Baikalsee kolonisiert haben, ist jene, dass sie im Eiszeitalter über Jenissei und Angara und das weit nach Süden reichende Eis in den See gelangten. Als anderer Wanderungsweg wird die Lena diskutiert, die im Pliozän noch über mehrere Abflüsse mit dem Baikal verbunden war. Die Theorie solcher Wanderungen wird durch Beobachtungen gestützt, nach denen Nerpas weit in Flüsse vordringen und auch über Landwege die Flüsse wechseln. Heutzutage könnten keine Robben mehr über die Anga-