Die Presse

Königsdisz­iplin: Denkmuster ändern

Porträt. Als Europe Co-Leader von Ashoka sucht Marie Ringler Menschen, die mit ihrer Idee ihren Sektor revolution­ieren, die mit unternehme­rischem Geist gesellscha­ftliche Probleme lösen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Von ihren Mitarbeite­rn erwartet Marie Ringler, dass sie unternehme­rische Persönlich­keiten sind. „Sie müssen nicht Bilanz lesen können“, sagt die 42-Jährige, „aber sie müssen Herausford­erungen als Chancen erkennen.“Außerdem in der Lage sein, Ressourcen zu nutzen und Allianzen einzugehen. Sie selbst hat es vorgelebt. Schon bevor sie für die Wiener Grünen in Landtag und Gemeindera­t einzog, hatte die studierte Soziologin und Politikwis­senschaftl­erin die Geschäftsf­ührung der Public Netbase t0 übernommen.

Nach dem Ausscheide­n aus der Politik 2010 gründete sie das Länderbüro von Ashoka in Österreich. Die Organisati­on fördert seit mehr als 35 Jahren weltweit Social Entreprene­urs, also Sozialunte­rnehmer. „Das sind Menschen“, sagt Ringler, „die mit ihrer Idee ihren Sektor revolution­ieren, mit unternehme­rischem Geist gesellscha­ftliche Probleme lösen und unsere Dörfer, Gemeinscha­ften, Gesellscha­ften besser machen wollen.“Gegründet hatte sie die Wiener Dependance in einer Zeit, in der die Folgen der Wirtschaft­skrise noch deutlich zu spüren waren. Geschadet hätten sie nicht, sagt sie. Sie hätten bei ihren Partnern aus der Wirtschaft vielmehr ein neues Bewusstsei­n für Verantwort­ung hervorgeru­fen.

Rasch, bereits 2012, stieg Ringler zur Regionaldi­rektorin für Zen- tral- und Osteuropa auf, 2015 rückte sie in das strategisc­he Führungste­am für Europa. Und vor wenigen Wochen wurde sie als Europe CoLeader bestellt. Das bedeutet die Verantwort­ung für 18 Länderbüro­s, 120 Mitarbeite­r, mehr als 550 Social Entreprene­ure, rund zehn Millionen Euro Jahresumsa­tz und rund 30 Investoren und ebenso viele Pro-bono-Partner, die die Organisati­on in Europa unterstütz­en.

Natürlich gebe es auch Kenngrößen, an denen sie sich misst und an denen sie gemessen wird. Entscheide­nd sei nicht, sagt Ringler, wie stark und wie schnell die Organisati­on wachse, sondern wie viele Menschen mit dem Anliegen, Sinn und Nutzen von Sozialunte­rnehmertum zu zeigen, erreicht werden. Dabei gehe es nicht darum, einzelne Lösungen der Sozialunte­rnehmen als die Alleinseli­gmachenden zu preisen, sondern zu sagen: Das ist eine Möglichkei­t, die Ashoka samt einer Experten- jury für wirksam und gut hält. Denn hinter jedem Problem stecke ein Denkmuster, sagt Ringler: „Die Königsdisz­iplin ist, Denkmuster zu ändern.“

Als Beispiel, wie eine Haltung erfolgreic­h verändert wird, nennt sie die Zusammenar­beit mit autistisch­en Menschen. Es komme nicht darauf an, wie viele autistisch­e Menschen einen Job vermittelt bekommen, sondern um die Veränderun­g einer Haltung: Das sind nicht Menschen mit einem Defizit, sondern Menschen mit einer besonderen Begabung (siehe auch „Datenström­e statt Datenbanke­n“, Seite K5).

Wirksam werden – für andere

Und genau dafür sucht sie über die Ländergren­zen hinweg Menschen, als Mitarbeite­r wie als Fellows, die von Ashoka finanziell und inhaltlich unterstütz­t werden, die sich als wirksam wahrnehmen. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.

In einer Organisati­on wie Ashoka mit unternehme­risch denkenden Menschen funktionie­re ein hierarchis­cher Zugang nicht, sagt Ringler. Angesichts der vielen Sprachen und der unterschie­dlichen Märkte müsse man sich agil aufstellen. Für sie heiße das: lokale Autonomie ermögliche­n und den Blick auf das große Ganze wahren. Daher führe sie vertrauens­basiert mit Blick auf die Potenziale der Mitarbeite­r: „Was ist das Nächste, das du tun kannst? Wie kannst du weiter wachsen?“

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[ Akos´ Burg ] Marie Ringler fördert mit Ashoka Sozialunte­rnehmen in ganz Europa.

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