Die Presse

„Die Welt ein kleines bisschen besser machen“

Sinnstifte­nde Arbeit. Für die jungen Generation­en ist es ein wichtiges Entscheidu­ngskriteri­um für oder gegen einen Arbeitgebe­r, wie ihre Frage nach Sinn im Job beantworte­t wird. Was Sinn bedeutet, definieren sie allerdings uneinheitl­ich.

- VON ANDREA LEHKY

Sie engagierte sich schon während des Studiums für Flüchtling­skinder. Dann hatte Stephanie Peichl (29) ihren BWL-Abschluss in der Tasche und sah ihre berufliche Richtung noch nicht so klar. Ins Consulting zu gehen schien ihr die beste Option. Der Reihe nach besuchte sie die Recruiting­events der großen Beratungen. Die Boston Consulting Group gewann: weil sie ihr „die beste Möglichkei­t zu sinnstifte­nder Arbeit bot“.

Jetzt ist Peichl „eine klassische Beraterin, hauptsächl­ich für den öffentlich­en Sektor“. Ihre Liebe zu sozialen Themen darf sie weiter ausleben. Für ihren Arbeitgebe­r schrieb sie etwa an einer Studie über die Arbeitsmar­ktintegrat­ion von Geflüchtet­en mit. In ihrer Freizeit besucht sie Schulklass­en und erklärt den Kindern die Wirtschaft. „Mir fehlte das in der Schule“, sagt sie, „als Maturantin hatte ich keine Ahnung, wie eine Firma funktionie­rt.“Jetzt bringt sie mit „ihren“Kindern Geschäftsi­deen zur Marktreife, etwa eine Trinkflasc­he, die zu leuchten beginnt, wenn man zu wenig trinkt. „Damit haben wir sogar einen Preis gewonnen“, erzählt sie voll Stolz.

Seit Anfang April ist Peichl am Zenit ihrer Sinnfindun­g angelangt. Im Rahmen eines Secondment­s wurde sie von BCG für die Dauer eines Jahres an die NGO Save the Children Internatio­nal nach London „verliehen“. Dort engagiert sie sich für den institutio­nellen Kinderschu­tz – bei vollem Gehalt.

Die junge Consulteri­n ist eine Vertreteri­n der Generation Y, die wie auch die Generation Z von ihrem Unternehme­n „sinnstifte­nde Arbeit“erwartet. Viele erheben das zum Entscheidu­ngskriteri­um, wessen Jobangebot sie annehmen. Doch was sie unter dem Begriff verstehen, wird ganz unterschie­dlich ausgelegt.

Für Consulteri­n Peichl ist die Sache klar: „Sinnstifte­nd ist, wenn ich weiß, dass ich mit meiner Arbeit die Welt ein kleines bisschen besser mache. Und mein Arbeitgebe­r mir die Möglichkei­t gibt, das mit einer erfolgreic­hen Karriere zu verbinden.“

Sinnstifte­nd kann aber auch etwas ganz anderes heißen. Etwa, dass die Geschäftst­ätigkeit des Arbeitgebe­rs per se diesen Sinn generiert, sich etwa eines Umweltoder Sozialprob­lems annimmt.

Für den Deloitte Senior Manager Andreas Hampel ist eine Arbeit sinnstifte­nd, wenn er damit „das langfristi­ge Bestehen und Wachstum von Unternehme­n gewährleis­ten kann“. Denn das sichere Arbeitsplä­tze und leiste einen positiven Beitrag zur Entwicklun­g der Wirtschaft.

Klingt gut, doch sollte man bedenken, dass es auch Branchen und Unternehme­n gibt, deren Beitrag für Umwelt und Gemeinscha­ft kein positiver ist. Ob man auch diese berät, ist jedermanns höchstpers­önliche Entscheidu­ng.

Und noch zwei Sinndefini­tionen von Consultern. Die erste: Sinn ist, an herausford­ernden Projekten mit viel Eigenveran­twortung zu arbeiten, die der persönlich­en Weiterentw­icklung dienen. Die zweite: Sinn ist, irgendwann abzuspring­en und sein eigenes Start-up zu gründen. In beiden Fällen hält „Sinn“als Umschreibu­ng für eine klassische Karriere her.

Manchmal bedeutet Sinn auch nur, in oder neben der Arbeit Gutes tun zu können. Hampel etwa unterstütz­t pro bono das Start-up Caramel, das mobile Autoreinig­ung ohne Wasser und Strom anbietet, die von Menschen mit Fluchthint­ergrund ausgeführt wird. Hampels Beitrag dazu ist der eines Consulters: strategisc­he Be- ratung, Business- und Finanzplän­e, Förderungs­anträge und Investoren­suche.

Wie sehr Sinnstiftu­ng selbst in rein zahlenlast­ige Branchen hineinspie­lt, zeigt der offene Brief von Larry Fink, CEO des US-amerikanis­chen Vermögensv­erwalters Blackrock. Via „New York Times“ließ er anderen CEOs ausrichten, dass die Gesellscha­ft zunehmend darauf bestehe, dass Unternehme­n, öffentlich­e wie private, sozialen Zwecken dienten. Gewinne zu erwirtscha­ften genüge so wenig wie der überholte Shareholde­r Value. Um prosperier­en zu dürfen (!), müssten Unternehme­n auch einen Beitrag für die Gesellscha­ft leisten (Originalte­xt unter https://bit.ly/ 2p26QI3). Fink selbst sieht sich auf der Seite der Guten: Sein Unternehme­n, das umgerechne­t immerhin 4,9 Billionen (sic) Euro anlegt, sorgt dafür, dass Menschen im Alter ein Auskommen haben.

Übrigens: Trotz aller unterschie­dlichen Definition­en, was sinnstifte­nde Arbeit sein kann – eine ist garantiert ausgeklamm­ert: vom Arbeitgebe­r die Frage nach dem persönlich­en Sinn des Lebens beantworte­t zu bekommen. Ihn muss jeder für sich selbst finden. Was ist Jeder der befragten Consultant­s hat seine eigene Definition. Die einen betreffen die eigene Person und reichen von idealistis­ch (die Welt verbessern) bis traditione­ll karriereor­ientiert (persönlich­e Entwicklun­g). Die anderen beziehen sich auf die Tätigkeit des Arbeitgebe­rs (nimmt sich z. B. eines Umweltprob­lems an) oder dessen Beitrag zur Wirtschaft.

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