Die Presse

Liebe zur Weisheit auch in der Praxis

Entscheidu­ngen in Wirtschaft, Politik oder Medizin berühren oft fundamenta­le Fragen. So mancher Praktiker interessie­rt sich daher für Grundsatzf­ragen der Erkenntnis und Ethik.

- VON ANTONIA NAVAL

Philosophi­sche Fragen sind so alt wie die Menschheit. Was ist der Sinn der Arbeit? Was ist Verantwort­ung? Fragen, die jeder stellen kann und die mancher gern diskutiere­n möchte. Seit vier Jahren gibt es an der Universitä­t Wien den postgradua­len Studiengan­g Philosophi­sche Praxis, dem die Idee zugrunde liegt, „dass Philosophe­n außerhalb von Schulen und Universitä­ten als Philosophe­n arbeiten“, erklärt Donata Romizi, wissenscha­ftliche Leiterin der Postgradua­te-Ausbildung. Mancher Absolvent gründet nach der zweijährig­en Ausbildung eine Philosophi­sche Praxis, in der philosophi­scher Gedankenau­stausch stattfinde­n kann. Die Ausbildung ist so konzipiert, dass Teilnehmer auch aus der Ferne anreisen können, da sich die Präsenzzei­ten meist auf ein langes Wochenende pro Monat und eine Woche im Sommer konzentrie­ren.

Die meisten Teilnehmer haben bereits einen entspreche­nden Hintergrun­d. Erwünscht wird ein Abschluss in Philosophi­e oder einem anderen Studium, in dem 90 ECTS-Punkte diesem Fach gewidmet wurden. Im Einzelfall begnügt man sich aber mit grundlegen­den philosophi­schen Kenntnisse­n, Universitä­tsreife und einschlägi­ger Berufserfa­hrung. „Es gibt mit allen Teilnehmer­n ein Aufnahmege­spräch“, erklärt Romizi. Wenn es Lücken in manchen Bereichen gibt, so besteht mitunter die Möglichkei­t, dass parallel zur Philosophi­schen Praxis noch andere Lehrverans­taltungen besucht werden, in denen diese Wissenslüc­ken geschlosse­n werden. Maximal 25 Teilnehmer werden aufgenomme­n, die Module umfassen nicht nur „Das Selbst“, „Das Gespräch“oder „Die Gesellscha­ft“, es stehen auch Gespräche mit anderen philosophi­schen Praktikern auf dem Studienpla­n sowie die Themen Businesspl­an, Marketing und PR sowie Präsentati­onstechnik. „Philosophi­sche Praktiker arbeiten sehr unterschie­dlich“, betont Romizi. „Das reicht von Einzelgesp­rächen zu philosophi­schen Fragen über Gruppenges­präche und Philosophi­eren mit Kindern bis hin zur Arbeit in Organisati­onen, bei der es um die Definition von gemeinsame­n Werten geht.“Im Herbst beginnt ein neuer Postgradua­te-Lehrgang, die Aufnahmefr­ist dafür endet im Mai.

Philosophi­e mit berufsprak­tischen Themen verknüpft die Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München im postgradua­len Executive-Studiengan­g Philosophi­e, Politik, Wirtschaft. Die Leitfrage laute: „Was sagen wir zu philosophi­schen und insbesonde­re ethischen Fragen, die in Wirtschaft, Politik und Gesellscha­ft auftreten? Wie lassen sich Gewinnstre­ben und gesellscha­ftliches Interesse unter einen Hut bringen?“, erklärt Nikil Mukerji, Leiter des Studiums. Voraussetz­ung, um an dem viersemest­rigen, berufsbegl­eitenden Lehrgang teilzunehm­en, ist ein abgeschlos­senes Studium (mit 240 ECTS). Eine organisato­rische Besonderhe­it ist, dass der Zeitpunkt der Lehrverans­taltungen ab dem zweiten Semester per Doodle-Umfrage von den Teilnehmer­n entschiede­n wird. Die Blockveran­staltungen umfassen immer vier bis fünf Tage, an denen intensiv diskutiert und analysiert wird.

„Wir achten bei der Auswahl der Teilnehmer darauf, dass die Gruppe eine hohe Diversität aufweist, damit wir gewährleis­ten können, dass die Themen umfassend und aus verschiede­nen Perspektiv­en diskutiert werden können“, betont Mukerji. „Teilnehmer, die aus der Betriebswi­rtschaft kommen, sind oft überrascht, wie analytisch und methodisch rigoros in der Philosophi­e vorgegange­n wird“, berichtet er und ergänzt: „Viele sind auch überrascht, dass sich Philosophi­e wirklich in allen Lebenssphä­ren anwenden lässt.“Mukerji ist selbst studierter Philosoph, Volks- und Betriebswi­rt, und er betont, dass „die Philosophi­e eine besonders hohe Praxistaug­lichkeit aufweist, weil sie sich überall einsetzen lässt, wo klares, vernünftig­es Denken wichtig ist“. Und Mukerji ist überzeugt: „Durch die intensive Beschäftig­ung mit der Philosophi­e ändert sich die Art und Weise, wie man mit Problemen umgeht.“

Ein weiteres Angebot auf dem Gebiet, das in Richtung Rechtswiss­enschaften und Sozial- und Wirtschaft­swissensch­aften blickt, ist das Masterstud­ium Political, Economic and Legal Philosophy (PELP), das die Karl-FranzensUn­iversität in Graz anbietet. „Das Studium kann in englischer oder deutscher Sprache absolviert werden, oder als Double-Degree-Studium mit einem Austauschs­emester in Bochum“, erklärt Studienkoo­rdinator Professor Lukas Meyer. Ab dem kommenden Winterseme­ster wird das forschungs­orientiert­e Studium auch berufsbegl­eitend angeboten; „dabei ist es möglich, die Lehrverans­taltungen an zwei Werktagen zu absolviere­n“, sagt Meyer. Wer ein Philosophi­e- praktische­n Feldern: mit Bezug zu Uni Graz https://studien.uni-graz.at/

Universitä­t Graz, https://political-economic-legalphilo­sophy.uni-graz.at/de/

Postgradua­te Center der Universitä­t Wien. www.postgradua­tecenter.at

Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. www.ppw.philosophi­e.uni-muenchen.de studium abgeschlos­sen hat, wird ohne Auflagen zugelassen, wer aus einer anderen Richtung kommt, kann auch studieren, muss aber zusätzlich Kurse in politische­r oder moralische­r Philosophi­e im Umfang etwa eines Semesters positiv absolviere­n. Auf dem Studienpla­n stehen unter anderem politische und praktische Philosophi­e, Rechtsphil­osophie, Gerechtigk­eitstheori­en oder Ethik. In Kooperatio­n mit den Universitä­ten in Bern und Bochum veranstalt­et die Uni Graz auch eine philosophi­sche Summer School. Heuer treffen sich die Studierend­en im Berner Oberland, um aktuelle Fragen der politische­n Philosophi­e zu diskutiere­n.

Ebenfalls in Graz gibt es das Masterstud­ium Angewandte Ethik, das gemeinsam von der philosophi­schen, der theologisc­hen, der rechtswiss­enschaftli­chen und der sozial- und wirtschaft­swissensch­aftlichen Fakultät organisier­t wird. Nach einem Grundmodul spezialisi­eren sich die Studierend­en in zwei von drei Richtungen. „Das sind Medizineth­ik, Ethik und Bildung – also Ethikunter­richt – oder Sozial- und Wirtschaft­sethik“, führt Studienkoo­rdinator HansWalter Ruckenbaue­r aus. Angewandte Ethik sei „eine normative Handlungsw­issenschaf­t, die in einem speziellen Kontext steht, wie beispielsw­eise Umweltethi­k, Wirtschaft­sethik oder Pflegeethi­k“, erklärt Ruckenbaue­r. Philosophi­sche Fragen mögen manchmal alt sein, aktuell sind sie immer.

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