Liebe zur Weisheit auch in der Praxis
Entscheidungen in Wirtschaft, Politik oder Medizin berühren oft fundamentale Fragen. So mancher Praktiker interessiert sich daher für Grundsatzfragen der Erkenntnis und Ethik.
Philosophische Fragen sind so alt wie die Menschheit. Was ist der Sinn der Arbeit? Was ist Verantwortung? Fragen, die jeder stellen kann und die mancher gern diskutieren möchte. Seit vier Jahren gibt es an der Universität Wien den postgradualen Studiengang Philosophische Praxis, dem die Idee zugrunde liegt, „dass Philosophen außerhalb von Schulen und Universitäten als Philosophen arbeiten“, erklärt Donata Romizi, wissenschaftliche Leiterin der Postgraduate-Ausbildung. Mancher Absolvent gründet nach der zweijährigen Ausbildung eine Philosophische Praxis, in der philosophischer Gedankenaustausch stattfinden kann. Die Ausbildung ist so konzipiert, dass Teilnehmer auch aus der Ferne anreisen können, da sich die Präsenzzeiten meist auf ein langes Wochenende pro Monat und eine Woche im Sommer konzentrieren.
Die meisten Teilnehmer haben bereits einen entsprechenden Hintergrund. Erwünscht wird ein Abschluss in Philosophie oder einem anderen Studium, in dem 90 ECTS-Punkte diesem Fach gewidmet wurden. Im Einzelfall begnügt man sich aber mit grundlegenden philosophischen Kenntnissen, Universitätsreife und einschlägiger Berufserfahrung. „Es gibt mit allen Teilnehmern ein Aufnahmegespräch“, erklärt Romizi. Wenn es Lücken in manchen Bereichen gibt, so besteht mitunter die Möglichkeit, dass parallel zur Philosophischen Praxis noch andere Lehrveranstaltungen besucht werden, in denen diese Wissenslücken geschlossen werden. Maximal 25 Teilnehmer werden aufgenommen, die Module umfassen nicht nur „Das Selbst“, „Das Gespräch“oder „Die Gesellschaft“, es stehen auch Gespräche mit anderen philosophischen Praktikern auf dem Studienplan sowie die Themen Businessplan, Marketing und PR sowie Präsentationstechnik. „Philosophische Praktiker arbeiten sehr unterschiedlich“, betont Romizi. „Das reicht von Einzelgesprächen zu philosophischen Fragen über Gruppengespräche und Philosophieren mit Kindern bis hin zur Arbeit in Organisationen, bei der es um die Definition von gemeinsamen Werten geht.“Im Herbst beginnt ein neuer Postgraduate-Lehrgang, die Aufnahmefrist dafür endet im Mai.
Philosophie mit berufspraktischen Themen verknüpft die Ludwig-Maximilians-Universität in München im postgradualen Executive-Studiengang Philosophie, Politik, Wirtschaft. Die Leitfrage laute: „Was sagen wir zu philosophischen und insbesondere ethischen Fragen, die in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auftreten? Wie lassen sich Gewinnstreben und gesellschaftliches Interesse unter einen Hut bringen?“, erklärt Nikil Mukerji, Leiter des Studiums. Voraussetzung, um an dem viersemestrigen, berufsbegleitenden Lehrgang teilzunehmen, ist ein abgeschlossenes Studium (mit 240 ECTS). Eine organisatorische Besonderheit ist, dass der Zeitpunkt der Lehrveranstaltungen ab dem zweiten Semester per Doodle-Umfrage von den Teilnehmern entschieden wird. Die Blockveranstaltungen umfassen immer vier bis fünf Tage, an denen intensiv diskutiert und analysiert wird.
„Wir achten bei der Auswahl der Teilnehmer darauf, dass die Gruppe eine hohe Diversität aufweist, damit wir gewährleisten können, dass die Themen umfassend und aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden können“, betont Mukerji. „Teilnehmer, die aus der Betriebswirtschaft kommen, sind oft überrascht, wie analytisch und methodisch rigoros in der Philosophie vorgegangen wird“, berichtet er und ergänzt: „Viele sind auch überrascht, dass sich Philosophie wirklich in allen Lebenssphären anwenden lässt.“Mukerji ist selbst studierter Philosoph, Volks- und Betriebswirt, und er betont, dass „die Philosophie eine besonders hohe Praxistauglichkeit aufweist, weil sie sich überall einsetzen lässt, wo klares, vernünftiges Denken wichtig ist“. Und Mukerji ist überzeugt: „Durch die intensive Beschäftigung mit der Philosophie ändert sich die Art und Weise, wie man mit Problemen umgeht.“
Ein weiteres Angebot auf dem Gebiet, das in Richtung Rechtswissenschaften und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften blickt, ist das Masterstudium Political, Economic and Legal Philosophy (PELP), das die Karl-FranzensUniversität in Graz anbietet. „Das Studium kann in englischer oder deutscher Sprache absolviert werden, oder als Double-Degree-Studium mit einem Austauschsemester in Bochum“, erklärt Studienkoordinator Professor Lukas Meyer. Ab dem kommenden Wintersemester wird das forschungsorientierte Studium auch berufsbegleitend angeboten; „dabei ist es möglich, die Lehrveranstaltungen an zwei Werktagen zu absolvieren“, sagt Meyer. Wer ein Philosophie- praktischen Feldern: mit Bezug zu Uni Graz https://studien.uni-graz.at/
Universität Graz, https://political-economic-legalphilosophy.uni-graz.at/de/
Postgraduate Center der Universität Wien. www.postgraduatecenter.at
Ludwig-Maximilians-Universität München. www.ppw.philosophie.uni-muenchen.de studium abgeschlossen hat, wird ohne Auflagen zugelassen, wer aus einer anderen Richtung kommt, kann auch studieren, muss aber zusätzlich Kurse in politischer oder moralischer Philosophie im Umfang etwa eines Semesters positiv absolvieren. Auf dem Studienplan stehen unter anderem politische und praktische Philosophie, Rechtsphilosophie, Gerechtigkeitstheorien oder Ethik. In Kooperation mit den Universitäten in Bern und Bochum veranstaltet die Uni Graz auch eine philosophische Summer School. Heuer treffen sich die Studierenden im Berner Oberland, um aktuelle Fragen der politischen Philosophie zu diskutieren.
Ebenfalls in Graz gibt es das Masterstudium Angewandte Ethik, das gemeinsam von der philosophischen, der theologischen, der rechtswissenschaftlichen und der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät organisiert wird. Nach einem Grundmodul spezialisieren sich die Studierenden in zwei von drei Richtungen. „Das sind Medizinethik, Ethik und Bildung – also Ethikunterricht – oder Sozial- und Wirtschaftsethik“, führt Studienkoordinator HansWalter Ruckenbauer aus. Angewandte Ethik sei „eine normative Handlungswissenschaft, die in einem speziellen Kontext steht, wie beispielsweise Umweltethik, Wirtschaftsethik oder Pflegeethik“, erklärt Ruckenbauer. Philosophische Fragen mögen manchmal alt sein, aktuell sind sie immer.