Die Presse

„Städte werden lebendiger“

Zukunft. Die sich ändernde Gesellscha­ft prägt die Städte. Trends wie Co-Working, Co-Living oder Co-Mobility werden Häusern und ihrem Umfeld ihren Stempel aufdrücken, sagen Experten.

- VON URSULA RISCHANEK

Wohnungen mit 40 Quadratmet­ern Nutzfläche, Büros, in denen die Arbeitsplä­tze den Mitarbeite­rn nicht mehr fix zugeteilt sind – was vor einigen Jahren noch für unmöglich gehalten wurde, ist mittlerwei­le Alltag. Unsere Gesellscha­ft verändert sich rasant – und damit auch die Bedürfniss­e der Menschen. „Wie werden wir künftig wohnen? Wie und wo arbeiten? Und wie einkaufen? Alle diese wichtigen Fragen haben unmittelba­re Konsequenz­en für Stadtentwi­cklung, Verwaltung und Infrastruk­tur“, sagt Mathias Mühlhofer, einer der drei Vorstände der Immobilien­rendite AG. Etwa jene, dass Städte in die Höhe wachsen.

„Der Wandel zur Hochhausst­adt kommt“, ist auch Jakob Dunkl vom Architektu­rbüro Querkraft überzeugt. Hochhäuser hätten einen Imagewande­l hinter sich und seien jetzt lebenswert, so der Architekt. Zurückzufü­hren sei dies unter anderem auf ein Umdenken in der Stadtplanu­ng: so muss für jedes Hochhauspr­ojekt ein Architektu­rwettbewer­b durchgefüh­rt werden. „Außerdem gibt es nur eine Baugenehmi­gung, wenn das Projekt in der Nähe einer U-Bahn geplant ist“, sagt Dunkl.

Doch es muss nicht gleich ein Hochhaus sein: Potenzial für neuen Wohnraum bieten nach wie vor auch die Wiener Dachgescho­ße. Paradoxerw­eise ist dieser Boom nach Angaben der Immobilien­rendite AG aber aus Kostengrün­den längst vorbei. Während man nämlich in den Jahren 2013/14 im Schnitt dafür 400.000 Euro zahlte, sind es jetzt bereits 800.000 Euro.

Einen weiteren Trend sieht Mühlhofer in der Nachverdic­htung der Städte, und zwar in der kreativen Nutzung von Brachfläch­en wie beispielsw­eise dem Bau von Wohnungen oberhalb von Supermärkt­en. Und auch die eingangs erwähnten Mikrowohnu­ngen bleiben gefragt. „Leider. Denn ich frage mich, wie es in dieser reichen Gesellscha­ft sein kann, dass wir uns in immer kleinere Wohnungen zurückzieh­en sollen“, sagt Dunkl.

Auch Zukunftsfo­rscherin Oona Horx-Strathern steht den Mikrowohnu­ngen mit einer gewissen Skepsis gegenüber: „Wer auf klei- nem privatem Wohnraum lebt, braucht dafür mehr öffentlich­en Raum“, so Horx-Strathern. Gemeinscha­ftlich genutzte Flächen – von einer Küche bis zum Garten – seien daher unabdingba­r. Auch, um der Vereinsamu­ng Einhalt zu gebieten. „Die Zahl der Singlehaus­halte steigt, gleichzeit­ig altert die Gesellscha­ft. Dazu kommt die Anonymität in den Städten“, sagt die Zukunftsfo­rscherin.

Geteilt werden kann aber noch anderweiti­g: „Wir alle werden immer mobiler: Wir ziehen öfter um als früher und wechseln öfter unseren Job. Warum also nicht über gemischt genutzte Räume nachdenken, die wir mit anderen teilen?“fragt Markus Kitz-Augenhamme­r, wie Mühlhofer und Michael Rajtora Vorstand der Immobilien­rendite AG. Etwa über Räume, die in der Nacht eine Wohnung sind und am Tag ein Büro. „Nur so kann man knappe, innerstädt­ische Räume wirklich effizient nützen“, erklärt Kitz-Augenhamme­r. Der Trend, gerade bei Jungen, gehe ohnehin längst weg vom Besitz und hin zur gemeinsame­n Nutzung von Dingen. Das bestätigt auch Horx-Strathern: „Co-Working, Co-Living, CoGardenin­g, Co-Mobility sind voll im Trend und tragen dazu bei, dass man sich kennenlern­t und miteinande­r redet.“

Noch einen Trend orten die Immobilien­rendite-Experten: die Nutzung leerer, nicht mehr als Geschäft vermietbar­er Erdgeschoß­zonen abseits belebter Einkaufsst­raßen als Lager für Dinge, die in Wohnräumen keinen Platz haben oder in feuchten Altbau-Kellerab-

Was beim Carsharing begonnen hat, werde zunehmend auch auf die Nutzung von Gebäuden übergreife­n, meinen Zukunftsfo­rscher. Schon jetzt teilen sich mitunter mehrere Menschen einen Büro-Arbeitspla­tz, künftig könnten sogar Wohnungen tagsüber anderen als Arbeitsrau­m zur Verfügung gestellt werden. Auch bei der Mobilität wird sich nach Expertenan­sicht der Trend zur gemeinsame­n Nutzung verstärken. Damit würde günstigste­nfalls weniger Parkraum gebraucht – die Städte könnten grüner werden. teilen verschimme­ln würden. Doch nicht nur im Hinblick auf die Nutzung der Immobilien ändert sich die Stadt, auch bei der Mobilität tut sich einiges. „In der Stadt der Zukunft wird auch der Verkehr ein ganz anderer sein“, ist Dunkl überzeugt.

Elektrisch­e Car-Sharing-Autos und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel sowie Fahrräder werden seiner Ansicht nach in etwa 20 Jahren die Straßen dominieren. Deshalb sind, so Horx-Strathern, auch Co-MobilityPl­ätze, an denen die Bewohner E-Autos oder Fahrräder entlehnen könnten, aus der Stadt der Zukunft nicht wegzudenke­n. „Und weil es dann weniger Autos gibt, braucht man auch weniger Parkplätze“, sagt Architekt Dunkl. Diese frei werdenden Flächen ließen neue Nutzungsrä­ume entstehen und führten zu mehr Grün in den Städten. „Die Städte werden definitiv schöner und lebendiger“, prophezeit Dunkl. Davon geht auch die Zukunftsfo­rscherin aus: Schließlic­h sei auch die Begrünung von Hausfassad­en voll im Trend.

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[ BIG Pichler&Trautmann ]

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