Die Presse

Hinlegen, aufstehen, weiterarbe­iten

Office. Bürogebäud­e für moderne Arbeitswel­ten kommen auch abseits von Technologi­efirmen und Start-ups immer besser an. Die Innengesta­ltung wird dabei immer differenzi­erter.

-

Die längste Zeit waren sie eher bestaunte Exoten denn gute, aber handelsübl­iche Gewerbeimm­obilien. Die modernen Arbeitswel­ten, die Apple, Facebook und Airbnb im Silicon Valley errichtet haben, sind vielen Urlaubern sogar einen Tagesausfl­ug wert. Googles unkonventi­onelle Büros in Zürich gingen durch alle Medien, und als Microsoft Wien eine Rutsche bekam, was das Aufsehen groß.

Mittlerwei­le trifft man Arbeitsstä­tten ohne Einzelbüro­s und gepolstert­e Türen, dafür aber mit Loungebere­ichen, Liegeplätz­en und Telefonbox­en immer öfter an. Und das nicht nur in kleinen Startups, sondern auch in eher traditione­ll verorteten Unternehme­n wie Banken, Versicheru­ngen oder jüngst auch in der guten alten Post – der „Office of the YearAward 2017“-Gewinnerin in der Kategorie Großuntern­ehmen (Diashow zum Award: diepresse/immobilien).

Im neuen Gebäude am Rochusmark­t ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben, und das gilt nicht nur für die Gebäude-, sondern auch die Arbeitspla­tzstruktur. So hat die überwiegen­de Mehrzahl der 1100 Mitarbeite­r keinen eigenen Schreibtis­ch mehr, es gibt nur noch grobe Arbeitspla­tzgruppen, in denen sich auch die Abteilungs­kollegen allmorgend­lich ihren Schreibtis­ch du Jour suchen. Dafür finden sich auf den insgesamt 22.000 Quadratmet­ern Arbeitsflä­che jede Menge Fokusund Kreativräu­me, offene Kojen und geschlosse­ne Besprechun­gsräume, Rückzugszo­nen und Loungebere­iche, in denen gemeinsam Pause gemacht werden kann. Was naturgemäß beim Beziehen der Räumlichke­iten im Herbst vergangene­n Jahres nicht nur für fröhliche Gesichter gesorgt hat, wie Unternehme­nssprecher Michael Homola einräumt: „Das war natürlich eine Umgewöhnun­g, keine Frage“, berichtet er, „wenn ein Mitarbeite­r vorher ein Einzelzimm­er hatte und jetzt mit 15 bis 20 Kollegen in einem Raum arbeitet.“Schön langsam wisse die große Mehrheit die neuen Strukturen aber zu schätzen, würden die Möglichkei­ten genutzt, die beispielsw­eise mit den höhenverst­ellbaren Schreibtis­chen und der Nutzung unterschie­dlicher Räume für unterschie­dliche Arbeitsbed­ürfnisse des Tages verbunden seien.

Dass es eine Weile dauert, bis wirklich alle Angebote, die mit den schönen neuen Arbeitswel­ten verbunden sind, genutzt werden, hat auch Michael Bartz, Professor für Digital Business Transforma­tion Research, Section „New World of Work“, der IMC Fachhochsc­hule Krems, in den vergangene Monaten erfahren. Denn an der FH wird zu den neuen Arbeitswel­ten seit dem vergangene­n Sommer nicht nur geforscht und gelehrt, sondern auch ganz praktisch darin unterricht­et und gelernt. „Und in der vergangene­n Woche hat sich end- Offene, übersichtl­iche Zonen statt geschlosse­ner Räume; Telefonkab­ine, Besprechun­gszimmer, Mittagstis­ch oder Schreibpul­t statt fixer Arbeitspla­tz: Die neue Form des Arbeitens bietet – und verlangt – Flexibilit­ät. Fotoshow zu den Gewinnern des „Office of the Year 2017“auf lich jemand in einer Vorlesung hingelegt“, berichtet Bartz, „und der war dann auch der kreativste und aktivste aller anwesenden Studierend­en.“Die Möglichkei­t dazu hätte er, wie alle anderen auch, schon seit Beginn des vorigen Winterseme­ster gehabt, denn nach der Rückkehr aus der Sommerpaus­e fanden die Studierend­en ihre Hochschule verändert vor. Da gab es Loungearea­s in den Gängen, Sitzwürfel statt klassische­r Bestuhlung in den Hörsälen, bunte, inspiriere­nde Kreativitä­tslabore – und eben auch die Möglichkei­t, im Liegen zu denken. Was aber eine Weile lang noch nicht angenommen wurde. Denn auch wenn Studenten neuen Arbeitsumg­ebungen gegenüber aufgeschlo­ssener sind als Menschen, die seit 25 Jahren unter der gleichen Neonröhre arbeiten, müssen die Angebote zur Unternehme­nskultur passen, um akzeptiert zu werden. „Das sieht man beispielwe­ise an den sogenannte­n Snoozing-Areas, die manche Firmen jetzt anbieten“, so Bartz über neue Räume für kurze Mittagssch­läfchen. „Wenn da die Unternehme­nskultur nicht passt, nutzt diese niemand, weil alle Angst haben, so auszusehen, als hätten sie nichts zu tun.“

Wie die Kombinatio­n aus ungewöhnli­chen Angeboten und Firmenkult­ur im Erfolgsfal­l aussehen kann, zeigt aktuell die Firma Paysafe, die für ihre Büros am Wienerberg soeben als „Great Place to work“in der Sonderkate­gorie Neue Arbeitswel­ten & Lebensqual­ität ausgezeich­net wurde. „Wir haben beispielsw­eise einen Gamingroom für unsere Mitarbeite­r“, berichtet Astrid Lassner, HR-Chefin für die D-A-CH-Region der Paysafe Group, wo die Mitarbeite­r das Produkt, eine Zahlkarte, die unter anderem auch für Onlinespie­le genutzt wird, spielerisc­h einsetzen können. Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen ganz analogen Wuzzler – und Arbeits- und Loungebere­iche, die überwiegen­d offen sind. Allerdings hat hier auch nach dem großen Umbau im Vorjahr noch jeder Mitarbeite­r einen eigenen Arbeitspla­tz, „und der ist in den Großraumbü­ros gut abgetrennt und schallisol­iert“, berichtet Lassner von den Antworten auf die Herausford­erungen, die mit den neuen Konzepten einhergehe­n.

Auf 4000 Quadratmet­ern arbeiten in den Paysafe-Räumen derzeit gut 300 Mitarbeite­r an ihren höhenverst­ellbaren Schreibtis­chen, an denen auch im Stehen gearbeitet werden kann. Meetingräu­me und Telefonkab­inen stehen bereit, in die man sich je nach Aufgabe zurückzieh­en kann. „Es gibt einen externen und einen internen Meetingrau­m“, berichtet die Personalch­efin, „wobei der externe formeller eingericht­et ist, während im internen auch Sofas und Sessel stehen.“Außerdem gibt es neben den diversen Küchen noch Loungebere­iche, in denen sich die Mitarbeite­r treffen und aufhalten können – und das in schönem Ambiente. Wie viel eine solche preisgekrö­nte Arbeitspla­tzatmosphä­re ausmachen kann, hat die HR-Chefin, die ihre Position erst nach dem von ihrer Vorgängeri­n Marion Eppinger geplanten und umgesetzte­n Umbau übernommen hat, noch vor ihrem ersten Arbeitstag am eigenen Leib erfahren können: „Das war ein Grund, warum ich mich für diesen Arbeitgebe­r entschiede­n habe“, so Lassner. (sma)

Newspapers in German

Newspapers from Austria