Stahlkunst für die Stahlstadt
Bei seiner Einrichtung, 1977, war es ein Novum in der westlichen Welt. Die guten Zeiten freilich liegen schon länger zurück. Forum Metall: über ein außergewöhnliches Skulpturenensemble und den nicht ganz so außergewöhnlichen Umgang damit. Besuch im Linzer
Forum Metall: Seit der Eröffnung dieser permanenten Ausstellung von Skulpturen im September 1977, damals zeitgleich zum vierten Brucknerfest im noch neuen Konzertgebäude Brucknerhaus veranstaltet, bietet das großräumige Ensemble unterschiedliche Werke und künstlerische Positionen der abstrakten Formgebung der Zeit vor 40 Jahren.
Nicht alle ursprünglichen Gestaltungen blieben erhalten. Einige wurden nach wenigen Jahren wieder entfernt: „Linzer Atlas“von Bernhard Luginbühl, „Four Boxes“von Donald Judd sowie „Zwei Vertikalachsen, die sich im Erdmittelpunkt treffen“von Klaus Rinke, alle drei Arbeiten von 1977. Die „Nike von Samothrake“der Haus-RuckerCo, ein weiteres Werk des Forums Metall, ragte vom Dach des westlichen Brückenkopfgebäudes, in dem sich 1977 die Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung und die Neue Galerie der Stadt Linz befanden, in den Luftraum des Linzer Hauptplatzes. Gerade diese elegante Konstruktion erregte viele Bürger und die Boulevardpresse in den späten 1970er-Jahren.
Andere Werke kamen später hinzu. So wurde die rote, gezackte Stahlform „La Serpiente“(Die Schlange) des deutsch-mexikanischen Künstlers Mathias Goeritz im Jahr 1986 errichtet. In dessen Nachbarschaft entstand die gleichfalls rote, aber aus runden Elementen bestehende Stahlskulptur „Hommage a` Anton Bruckner“des Spaniers Amedeo Gabino erst 1998.
Jedenfalls zählen diese großen Skulpturen seit Jahrzehnten zum Stadtbild von Linz, im Donaupark, der ursprünglich durch die Anlage eines Schutzdamms gegen Hochwasser der Donau in einem vormaligen Auwaldgebiet entstanden war.
Was jedoch nur wenigen Besuchern oder den Linzer Benützern des Donauparks geläufig ist, ist der Hintergrund der Planung und Realisierung des Forums Metall, das zur Zeit seiner Eröffnung in der sogenannten westlichen Welt ein völliges Novum darstellte, was den Bereich der modernen Skulptur auf internationalem Niveau betrifft. Genauer gesagt: große Skulpturen in einem Freigelände, die aus Eisen, besonderen Stahlsorten oder Aluminium hergestellt wurden. Im Fall der „Pavillonskulptur III“von Max Bill bedeutete es auch konstruktive Balken aus Holz.
Eine vergleichbare Installation war im Jahr 1968 in Mexiko-Stadt als Teil des kulturellen Programms der Olympischen Sommerspiele, die damals erstmalig in Lateinamerika stattfanden, ausgeführt worden. Unter der Leitung von Mathias Goeritz wurden 19 großformatige, farbige Raumskulpturen aus Stahlbeton errichtet. Die lange Strecke der „Ruta de la amistad“(Straße der Freundschaft) wurde weltweit beachtet und hatte Vorbildcharakter für das später geplante Forum Metall in Linz.
Metalle aus heimischer Herstellung
In Linz konzentrierten sich die Organisatoren auf die Herstellung der Skulpturen aus Metallen, die wiederum von der heimischen Industrie hergestellt wurden.
Beim Forum Metall sind bei mehreren Werken raumbildende Formen präsent, die in abstrakter Formgebung leeren Raum umfassen. Einige Teilnehmer waren als Architekten aktiv: Herbert Bayer, Max Bill, Mathias Goeritz, Erwin Heerich, Laurids Ortner. Auch die Arbeiten von Amadeo Gabino und Günther Uecker bilden eigene Räume, bei Gabino in geschwungener Stahlform, bei Uecker als starrer „Tisch der Austreibung“.
Vergangenen November fand im Linzer Kunstmuseum Lentos eine Podiumsdiskus- sion statt, die viel Publikum anzog. Das Thema: „40 Jahre Forum Metall“. In der Diskussion ging es um die Geschichte des besonderen Ensembles an Skulpturen und in weiterer Folge um die kulturelle Gegenwart mit dem häufig strapazierten Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“, damit um ein breit gespanntes Feld zwischen bildender Kunst und kontroversieller Rezeption (um es reichlich euphemistisch zu benennen.)
Teilnehmer der Diskussion waren die beiden Gründer von Forum Metall, Helmuth Gsöllpointner (damals Rektor der jungen Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung und Leiter der Klasse für Metallgestaltung) und Peter Baum, langjähriger Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz und Gründer des nachfolgenden Museums Lentos am Donauufer. Weiters diskutierten Laurids Ortner und Klaus Rinke, beide Teilnehmer am Forum Metall, mit jüngeren Vertretern etwa des Museums Lentos und der Stadt Linz.
Zwei Tage später besuchte ich den Donaupark im Licht des frühen Nachmittags, ging vom Komplex des Brucknerhauses zum Museum Lentos und von dort die Donaulände auf einer Länge von rund 700 Metern entlang. Diese Strecke bildete die ursprüngliche Ausdehnung des Skulpturengeländes, die durch zwei Donaubrücken stadträumlich gefasst war: Die Nibelungenbrücke schafft den räumlichen Abschluss im Westen, die historische Eisenbahnbrücke war die östliche Begrenzung, die mittlerweile allerdings verloren gegangen ist – abgetragen im August 2016.
Was mir neben der fehlenden Brücke negativ auffiel: der Zustand einiger Skulpturen, von denen neun sich im Bereich der Donaulände in leicht ansteigendem Gelände befinden, zwei in der nächsten Umgebung des Brucknerhauses auf der Höhe des Hochwasserdamms. Insgesamt umfasst das heutige Ensemble also elf Werke, die in den vergangenen Jahren renoviert und vor allem von Sprayer-Zeichen befreit worden sind. Bei den unterschiedlichen Sorten von Roheisen (Eduardo Paolozzi), Cortenstählen mit Rostoberfläche, Legierungen aus hochwertigen Nirosta-Stahlverbindungen sowie im Fall der geometrischen Komposition von Erwin Heerich aus Aluminium sind Reinigungen aufwendige Prozesse, da die verschiedenen Metalle chemisch unterschiedlich reagieren – derartige Sanierungen sind teuer. Nur wenige Jahre nach der Sanierung finden sich aber schon wieder Schmierereien von Sprayern auf mehreren Werken. Ursprünglich standen bei jedem Werk metallene Pulte, die Namen und Lebensdaten der Künstler, den Titel des Werks, Hersteller und Sponsor enthielten. Gegenwärtig sind nicht alle dieser Tafeln erhalten, und auf vorhandenen ist selbst die kleinformatige NirostaPlatte mit den Schriftgravuren von Farbspray überdeckt.
Der Beitrag des Schweizers Max Bill, die „Pavillonskulptur III“, ist eine minimalistische Würfelkonstruktion aus Holzbalken mit verzinkten Metallverbindungen. Aus Kostengründen konnte 1977 das Werk nicht aus Nirostastahl gefertigt werden, deshalb geschah die Umsetzung im Sinn einer radikalen Arte povera aus Holzbalken und metallenen „Schuhen“. Der leere Würfel eines primären Raums wurde im Zug der Rekonstruktion neu hergestellt. Aus irgendeinem Grund steht diese Skulptur seit ihrer Neuaufstellung allerdings nicht vertikal, sondern leicht geneigt. Wie der Vergleich mit früheren Aufnahmen zeigt, ist diese Schrägstellung durch Nachlässigkeit entstanden, ein Nichtbeachten der statischen Fundierung des Werks.
In der Nähe des Brucknerhauses befindet sich die „Hommage a` Anton Bruckner“des britischen Bildhauers Eduardo Paolozzi. Ein meditatives Werk, das sich einer neuen, fragwürdigen Nachbarschaft erfreuen darf: Direkt daneben beginnt das Areal eines „Sandstrands“, offensichtlich als „Partygelände“von der Stadt Linz eingerichtet. Definitiv der falsche Ort für Spaßkultur, ergänzt durch einen ausrangierter Linzer Straßenbahnwaggon aus den 1960er-Jahren als Bar. Dieser Pseudosandstrand ist in Linz nicht neu, es gab darüber längere Diskussionen, aber die Kulturverwaltung der Stadt förderte das Projekt, einem spaßlastigen Kulturbegriff folgend, wonach Kultur eher das wäre, was populär ist.
Das Ende der Kunst
Damit gelangt der Betrachter aber an ein Ende des Kunstbegriffs, der im Jahr 1977 zur Gründung des Forums Metall geführt hatte. Es ging damals um die Ernsthaftigkeit einer Avantgarde der Moderne, die erstmalig in Westeuropa einen Park an der Donau mit besonderen Werken gestalten sollte. Als einen Raum für Besucher und Benützer, Spaziergeher, Jogger, Kunstinteressierte. Genau dieser Donaupark war das Gelände der frühen Klangwolken der damaligen Brucknerfeste, bei denen symphonische Konzerte aus dem Brucknerhaus von großen Lautsprechertürmen über die Donau schallten.
Den Gründern von Brucknerfest, Klangwolke und Forum Metall ging es darum, temporäre und dauerhafte Ereignisse zu ermöglichen, die zweierlei Intentionen hatten: Im besten Fall die Verbindung von geistigen und sozialen Inhalten, die Darstellung von symphonischen, romantischen und modernen musikalischen Werken im Fall der Klangwolke und die Verbindung von moderner Architektur am Donauufer (Brucknerhaus) mit dem Skulpturenpark des Forums Metall als Ausdruck der abstrakten Moderne jener Zeit.
Das ist ein hoher Anspruch, den einzulösen damals in Linz und noch später manchmal gelang, auch mit der Gründung des Ars-Electronica-Festivals. Es geht dabei nicht zuletzt um einen direkten Auftrag, den die Stadt Linz wahrnehmen sollte: die Werke des Forums Metall in ihrer gegenwärtigen Form zu erhalten, samt den notwendigen Tafeln, sie zu sichern und zu respektieren, um damit auf etwas hinzuweisen, was im Herbst 1977 zumindest in der westlichen Welt einzigartig war: ein internationales Symposium moderner Skulptur.