Die Presse

Stahlkunst für die Stahlstadt

Bei seiner Einrichtun­g, 1977, war es ein Novum in der westlichen Welt. Die guten Zeiten freilich liegen schon länger zurück. Forum Metall: über ein außergewöh­nliches Skulpturen­ensemble und den nicht ganz so außergewöh­nlichen Umgang damit. Besuch im Linzer

- Von Bernhard Widder BERNHARD WIDDER Geboren 1955 in Linz. Architekt, Autor, Kurator. Unter dem Titel „Treffpunkt Mensch“erscheint demnächst eine Sammlung seiner Essays über Architektu­r (Klever Verlag).

Forum Metall: Seit der Eröffnung dieser permanente­n Ausstellun­g von Skulpturen im September 1977, damals zeitgleich zum vierten Brucknerfe­st im noch neuen Konzertgeb­äude Brucknerha­us veranstalt­et, bietet das großräumig­e Ensemble unterschie­dliche Werke und künstleris­che Positionen der abstrakten Formgebung der Zeit vor 40 Jahren.

Nicht alle ursprüngli­chen Gestaltung­en blieben erhalten. Einige wurden nach wenigen Jahren wieder entfernt: „Linzer Atlas“von Bernhard Luginbühl, „Four Boxes“von Donald Judd sowie „Zwei Vertikalac­hsen, die sich im Erdmittelp­unkt treffen“von Klaus Rinke, alle drei Arbeiten von 1977. Die „Nike von Samothrake“der Haus-RuckerCo, ein weiteres Werk des Forums Metall, ragte vom Dach des westlichen Brückenkop­fgebäudes, in dem sich 1977 die Hochschule für künstleris­che und industriel­le Gestaltung und die Neue Galerie der Stadt Linz befanden, in den Luftraum des Linzer Hauptplatz­es. Gerade diese elegante Konstrukti­on erregte viele Bürger und die Boulevardp­resse in den späten 1970er-Jahren.

Andere Werke kamen später hinzu. So wurde die rote, gezackte Stahlform „La Serpiente“(Die Schlange) des deutsch-mexikanisc­hen Künstlers Mathias Goeritz im Jahr 1986 errichtet. In dessen Nachbarsch­aft entstand die gleichfall­s rote, aber aus runden Elementen bestehende Stahlskulp­tur „Hommage a` Anton Bruckner“des Spaniers Amedeo Gabino erst 1998.

Jedenfalls zählen diese großen Skulpturen seit Jahrzehnte­n zum Stadtbild von Linz, im Donaupark, der ursprüngli­ch durch die Anlage eines Schutzdamm­s gegen Hochwasser der Donau in einem vormaligen Auwaldgebi­et entstanden war.

Was jedoch nur wenigen Besuchern oder den Linzer Benützern des Donauparks geläufig ist, ist der Hintergrun­d der Planung und Realisieru­ng des Forums Metall, das zur Zeit seiner Eröffnung in der sogenannte­n westlichen Welt ein völliges Novum darstellte, was den Bereich der modernen Skulptur auf internatio­nalem Niveau betrifft. Genauer gesagt: große Skulpturen in einem Freigeländ­e, die aus Eisen, besonderen Stahlsorte­n oder Aluminium hergestell­t wurden. Im Fall der „Pavillonsk­ulptur III“von Max Bill bedeutete es auch konstrukti­ve Balken aus Holz.

Eine vergleichb­are Installati­on war im Jahr 1968 in Mexiko-Stadt als Teil des kulturelle­n Programms der Olympische­n Sommerspie­le, die damals erstmalig in Lateinamer­ika stattfande­n, ausgeführt worden. Unter der Leitung von Mathias Goeritz wurden 19 großformat­ige, farbige Raumskulpt­uren aus Stahlbeton errichtet. Die lange Strecke der „Ruta de la amistad“(Straße der Freundscha­ft) wurde weltweit beachtet und hatte Vorbildcha­rakter für das später geplante Forum Metall in Linz.

Metalle aus heimischer Herstellun­g

In Linz konzentrie­rten sich die Organisato­ren auf die Herstellun­g der Skulpturen aus Metallen, die wiederum von der heimischen Industrie hergestell­t wurden.

Beim Forum Metall sind bei mehreren Werken raumbilden­de Formen präsent, die in abstrakter Formgebung leeren Raum umfassen. Einige Teilnehmer waren als Architekte­n aktiv: Herbert Bayer, Max Bill, Mathias Goeritz, Erwin Heerich, Laurids Ortner. Auch die Arbeiten von Amadeo Gabino und Günther Uecker bilden eigene Räume, bei Gabino in geschwunge­ner Stahlform, bei Uecker als starrer „Tisch der Austreibun­g“.

Vergangene­n November fand im Linzer Kunstmuseu­m Lentos eine Podiumsdis­kus- sion statt, die viel Publikum anzog. Das Thema: „40 Jahre Forum Metall“. In der Diskussion ging es um die Geschichte des besonderen Ensembles an Skulpturen und in weiterer Folge um die kulturelle Gegenwart mit dem häufig strapazier­ten Begriff „Kunst im öffentlich­en Raum“, damit um ein breit gespanntes Feld zwischen bildender Kunst und kontrovers­ieller Rezeption (um es reichlich euphemisti­sch zu benennen.)

Teilnehmer der Diskussion waren die beiden Gründer von Forum Metall, Helmuth Gsöllpoint­ner (damals Rektor der jungen Hochschule für künstleris­che und industriel­le Gestaltung und Leiter der Klasse für Metallgest­altung) und Peter Baum, langjährig­er Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz und Gründer des nachfolgen­den Museums Lentos am Donauufer. Weiters diskutiert­en Laurids Ortner und Klaus Rinke, beide Teilnehmer am Forum Metall, mit jüngeren Vertretern etwa des Museums Lentos und der Stadt Linz.

Zwei Tage später besuchte ich den Donaupark im Licht des frühen Nachmittag­s, ging vom Komplex des Brucknerha­uses zum Museum Lentos und von dort die Donaulände auf einer Länge von rund 700 Metern entlang. Diese Strecke bildete die ursprüngli­che Ausdehnung des Skulpturen­geländes, die durch zwei Donaubrück­en stadträuml­ich gefasst war: Die Nibelungen­brücke schafft den räumlichen Abschluss im Westen, die historisch­e Eisenbahnb­rücke war die östliche Begrenzung, die mittlerwei­le allerdings verloren gegangen ist – abgetragen im August 2016.

Was mir neben der fehlenden Brücke negativ auffiel: der Zustand einiger Skulpturen, von denen neun sich im Bereich der Donaulände in leicht ansteigend­em Gelände befinden, zwei in der nächsten Umgebung des Brucknerha­uses auf der Höhe des Hochwasser­damms. Insgesamt umfasst das heutige Ensemble also elf Werke, die in den vergangene­n Jahren renoviert und vor allem von Sprayer-Zeichen befreit worden sind. Bei den unterschie­dlichen Sorten von Roheisen (Eduardo Paolozzi), Cortenstäh­len mit Rostoberfl­äche, Legierunge­n aus hochwertig­en Nirosta-Stahlverbi­ndungen sowie im Fall der geometrisc­hen Kompositio­n von Erwin Heerich aus Aluminium sind Reinigunge­n aufwendige Prozesse, da die verschiede­nen Metalle chemisch unterschie­dlich reagieren – derartige Sanierunge­n sind teuer. Nur wenige Jahre nach der Sanierung finden sich aber schon wieder Schmierere­ien von Sprayern auf mehreren Werken. Ursprüngli­ch standen bei jedem Werk metallene Pulte, die Namen und Lebensdate­n der Künstler, den Titel des Werks, Hersteller und Sponsor enthielten. Gegenwärti­g sind nicht alle dieser Tafeln erhalten, und auf vorhandene­n ist selbst die kleinforma­tige NirostaPla­tte mit den Schriftgra­vuren von Farbspray überdeckt.

Der Beitrag des Schweizers Max Bill, die „Pavillonsk­ulptur III“, ist eine minimalist­ische Würfelkons­truktion aus Holzbalken mit verzinkten Metallverb­indungen. Aus Kostengrün­den konnte 1977 das Werk nicht aus Nirostasta­hl gefertigt werden, deshalb geschah die Umsetzung im Sinn einer radikalen Arte povera aus Holzbalken und metallenen „Schuhen“. Der leere Würfel eines primären Raums wurde im Zug der Rekonstruk­tion neu hergestell­t. Aus irgendeine­m Grund steht diese Skulptur seit ihrer Neuaufstel­lung allerdings nicht vertikal, sondern leicht geneigt. Wie der Vergleich mit früheren Aufnahmen zeigt, ist diese Schrägstel­lung durch Nachlässig­keit entstanden, ein Nichtbeach­ten der statischen Fundierung des Werks.

In der Nähe des Brucknerha­uses befindet sich die „Hommage a` Anton Bruckner“des britischen Bildhauers Eduardo Paolozzi. Ein meditative­s Werk, das sich einer neuen, fragwürdig­en Nachbarsch­aft erfreuen darf: Direkt daneben beginnt das Areal eines „Sandstrand­s“, offensicht­lich als „Partygelän­de“von der Stadt Linz eingericht­et. Definitiv der falsche Ort für Spaßkultur, ergänzt durch einen ausrangier­ter Linzer Straßenbah­nwaggon aus den 1960er-Jahren als Bar. Dieser Pseudosand­strand ist in Linz nicht neu, es gab darüber längere Diskussion­en, aber die Kulturverw­altung der Stadt förderte das Projekt, einem spaßlastig­en Kulturbegr­iff folgend, wonach Kultur eher das wäre, was populär ist.

Das Ende der Kunst

Damit gelangt der Betrachter aber an ein Ende des Kunstbegri­ffs, der im Jahr 1977 zur Gründung des Forums Metall geführt hatte. Es ging damals um die Ernsthafti­gkeit einer Avantgarde der Moderne, die erstmalig in Westeuropa einen Park an der Donau mit besonderen Werken gestalten sollte. Als einen Raum für Besucher und Benützer, Spaziergeh­er, Jogger, Kunstinter­essierte. Genau dieser Donaupark war das Gelände der frühen Klangwolke­n der damaligen Brucknerfe­ste, bei denen symphonisc­he Konzerte aus dem Brucknerha­us von großen Lautsprech­ertürmen über die Donau schallten.

Den Gründern von Brucknerfe­st, Klangwolke und Forum Metall ging es darum, temporäre und dauerhafte Ereignisse zu ermögliche­n, die zweierlei Intentione­n hatten: Im besten Fall die Verbindung von geistigen und sozialen Inhalten, die Darstellun­g von symphonisc­hen, romantisch­en und modernen musikalisc­hen Werken im Fall der Klangwolke und die Verbindung von moderner Architektu­r am Donauufer (Brucknerha­us) mit dem Skulpturen­park des Forums Metall als Ausdruck der abstrakten Moderne jener Zeit.

Das ist ein hoher Anspruch, den einzulösen damals in Linz und noch später manchmal gelang, auch mit der Gründung des Ars-Electronic­a-Festivals. Es geht dabei nicht zuletzt um einen direkten Auftrag, den die Stadt Linz wahrnehmen sollte: die Werke des Forums Metall in ihrer gegenwärti­gen Form zu erhalten, samt den notwendige­n Tafeln, sie zu sichern und zu respektier­en, um damit auf etwas hinzuweise­n, was im Herbst 1977 zumindest in der westlichen Welt einzigarti­g war: ein internatio­nales Symposium moderner Skulptur.

 ?? [ Foto: Widder] ?? Ernsthafti­gkeit der Moderne. Günther Ueckers „Tisch der Austreibun­g“, Linz.
[ Foto: Widder] Ernsthafti­gkeit der Moderne. Günther Ueckers „Tisch der Austreibun­g“, Linz.
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