Ein Kontinent ohne Ordnung
Zärtlich: Herbert Sklenka über das extreme Leben in Afrika.
Der Entwicklungshelfer, die Betreiberin einer Leprastation und der belgische Spitalstechniker: verlogen, verbogen, letztlich verkommen in einer fremden Kultur, der täglichen Ereignislosigkeit unter sengender Sonne ergeben. In einem nicht näher bestimmten Land des Sahel lässt der Autor Herbert Sklenka seinen Roman „Chamäleonhimmel“spielen.
Zynisch und süffisant versuchen die Europäer, ihre gewohnte Pseudozivilisation aufrechtzuerhalten, mit der sie sich von „den Wilden“abheben wollen. Jahrzehnte nach dem Ende des Kolonialsystems hat sich in den Köpfen jener wenig verändert, die irgendein Schicksal aus dem Norden hierhergeweht hat. Sklaven werden lediglich nicht mehr so genannt, aber noch mit derselben Herablassung wie früher von den Weißen behandelt.
Auf einer zweiten Ebene schildert Sklenka die Geschichte des verwaisten Mädchens Bijou, das sich einem Wanderzirkus anschließt und mit diesem von Dorf zu Dorf zieht. Irgendwann begegnen sich die beiden Ebenen, beginnen sich zögernd zu berühren.
Einer der Protagonisten des Buches bezeichnet Afrika als „ordnungsfreien Kontinent“. Auf den ersten Blick scheint es vor dem Hintergrund des Romans so zu sein, doch bald wird klar, dass der Kontinent eigenen, jahrtausendealten Ordnungen folgt. Sklenka berichtet aus diesem Ordnungsverständnis heraus, in der Logik der dort lebenden Menschen. Und diese mag mitunter brutal und gnadenlos wirken, als egoistischer Überlebenskampf jedes Einzelnen. Dass der gebürtige Linzer seit vielen Jahren immer wieder eine lange Zeit in Afrika verbracht hat, macht der Text deutlich.
Der Autor schreibt als Erzähler, tut dies so wie jene, die abends das einheimische Publikum am Feuer mit ihren Geschichten unterhalten: Die Weltsicht derer, von denen er erzählt, übernehmend streift er sich ganz selbstverständlich ihre moralische Haltung über, argumentiert aus ihrem Empfinden, ihrer Überzeugung heraus. Einmal ist es die der Einheimischen, einmal die der Europäer.
Distanz des parteilosen Chronisten
Das macht Aktionen wie Reaktionen verständlich, hebt die maliziöse Überheblichkeit der Postkolonialisten umso schärfer vom ewig gleichen Alltag der Einheimischen bar aller Hoffnungen ab. Stets strahlt Sklenkas Sprache aber eine verständnisvolle Unaufgeregtheit und die Distanz eines Chronisten aus. Er formuliert mitunter in langen, aneinandergeschachtelten Sätzen, nimmt für alle und niemanden gleichermaßen Partei.
Dabei hat er Freude am politisch Unkorrekten, wenn er spricht, wie seine Romanfiguren denken – hüben wie drüben der Kulturschranke. Er entkleidet alle Dritte-Welt-Träumereien ihrer auf subjektiven Wünschen aufgebauten Romantik, zeigt die Sprachlosigkeit zwischen zwei Welten in Afrika auf.
Das tut er keineswegs zartbesaitet. Schonungslos und unbekümmert malt er Bilder des täglichen Umgangs von Menschen miteinander, mit den Tieren, mit der Natur, wie es auf diesem Stück Erde seit ewigen Zeiten selbstverständlich ist. Die Trennlinie, wo Situationen vom Komischen ins Grausame übergehen, ist schwer auszumachen.
Der Roman ist ein Blick auf Leben und Überleben unter extremen Bedingungen, bei denen kleine Katastrophen dazugehören und Abwechslung rar ist, eingeschrieben in die Atmosphäre von Schicksalsergebenheit zweier Welten. „Chamäleonhimmel“erzählt vom Leben in Afrika: realistisch, bisweilen ironisch und mitunter auch ein wenig zärtlich.
Herbert Sklenka
Chamäleonhimmel Roman. 200 S., geb., € 19 (Müry Salzmann Verlag, Salzburg)