Die Presse

Moskauer Börsencras­h trifft Wien

Russland. Die Börse in Moskau stürzte am Montag massiv ab und riss auch österreich­ische Konzerne mit. Allein die OMV und Raiffeisen Internatio­nal verloren etwa zwei Milliarden Euro an Börsenwert.

- VON EDUARD STEINER Weitere Infos: www.diepresse.com/economist

Wien/Moskau. Seit Langem galten sie als Hauptbedro­hung für den russischen Aktienmark­t und seine Konzerne. Mit der Wucht jedoch, mit der die neuen US-Sanktionen gegen Russland am Montag einschluge­n, hatte dann doch kaum jemand gerechnet. Der in Dollar denominier­te Leitindex RTS stürzte im Tagesverla­uf um mehr als zwölf Prozent ab, sein Pendant, der Rubelindex Micex, um neun Prozent. So etwas hatte der Handelspla­tz seit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 nicht mehr gesehen. Investoren warfen schier alles auf den Markt. Auch der Rubel verlor deutlich an Wert, obwohl der Ölpreis anstieg.

Am Ende erfassten die Schockwell­en dann auch Wien. Ebendort kam es bei jenen Firmen, deren Geschäft stark mit Russland zusammenhä­ngt, zu einem wahren Kursgemetz­el. Allen voran bei der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI), deren Aktie gleich um zwölf Prozent absackte. Der Öl- und Gaskonzern OMV, der eng an Gazprom gebunden ist, gab um etwa vier Prozent nach. Die Aktie des Baukonzern­s Strabag, der zwar nur einen marginalen Teil seines Umsatzes in Russland erwirtscha­ftet, aber zu einem Viertel dem russischen Tycoon Oleg Deripaska gehört, verlor mehr als dreieinhal­b Prozent. Der Wiener Aktieninde­x schloss als nahezu einziger westlicher Index tief im Minus.

Milliarden Kapital vernichtet

Obwohl hier allein bei der OMV und bei Raiffeisen Internatio­nal etwa zwei Milliarden Euro an Wert binnen weniger Stunden vernichtet wurden, ist es doch nichts im Vergleich zu dem, was in Russland verloren ging. Dort haben diverse Konzernche­fs allein so viel Federn gelassen.

Allen voran der oben erwähnte Deripaska. Sein Aluminiumk­onzern Rusal – der zweitgrößt­e weltweit – wurde an der Börse zum wahren Giftpapier, das gleich zu Handelsbeg­inn um 47 Prozent absackte und dann vom Handel ausgesetzt wurde. Der Konzern ist am Freitag von den USA ebenso mit Sanktionen belegt worden wie Deripaska selbst, dem über Donald Trumps Wahlkampfm­anager Paul Manafort eine Einmischun­g in den US-Wahlkampf vorgeworfe­n wird. Später warnte Rusal seine Anleger, die Sanktionen könnten dazu führen, dass die Firmengrup­pe bestimmten Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht mehr nachkommen könne. Parallel dazu stürzte die Aktie von Deripaskas Energiekon­zern En+ um knapp 20 Prozent ab. Und weil Rusal auch am weltweit führenden Nickelprod­uzenten Norilsk Nickel beteiligt ist, wurde diese Aktie ebenfalls mit nach unten gerissen.

Die USA haben am Freitag 24 Russen und 15 mit ihnen verbundene Firmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Ihnen werden internatio­nale Zahlungsfl­üsse in Dollar untersagt, zudem werden ihre Vermögensw­erte in den USA eingefrore­n. US-Bürgern ist es künftig untersagt, mit ihnen in eine Geschäftsb­eziehung zu treten. Washington begründete die Maßnahmen ziemlich diffus mit dem „wachsenden Muster bösartiger Aktivitäte­n Russlands in der Welt“.

Niemand ist mehr sicher

Auffällig ist, dass zum ersten Mal auch Tycoons bestraft werden, die nicht durch eine besondere Nähe zum Kreml aufgefalle­n sind. So Viktor Wekselberg, dem die Schweizer Konzerne Sulzer und Oerlikon gehören. Ihre Aktien sackten gestern zwischenze­itlich um zehn bzw. mehr als zwölf Prozent ab.

In Moskau selbst aber wurden nicht nur Unternehme­n nach unten gerissen, deren Chefs (etwa jener von der zweitgrößt­en Bank VTB oder jener von Gazprom) auf der neuen Sanktionsl­iste stehen, sondern auch jene, denen dies im aktuellen Fall erspart blieb. „Viele denken, dass nach Rusal Sanktionen auch gegen andere russische Unternehme­n folgen, und sie befürchten harte Gegenmaßna­hmen seitens der russischen Machthaber“, wird Kirill Tremasov, Chefanalys­t der Investment­gesellscha­ft Lokinvest, von der Zeitung „Wedomosti“zitiert.

Als erste Reaktion hat Russlands Regierung angekündig­t, die betroffene­n Firmen zu unterstütz­en. Das hat sie auch bei früheren Sanktionen getan und damit den Unmut anderer einheimisc­her Firmen erregt. Dass es deshalb schon bald zu einer Spaltung innerhalb der Elite kommt, wie dies vom Westen intendiert ist, ist nicht zu erwarten. Vorerst führen die unkalkulie­rbaren US-Schläge sogar dazu, dass Russen ihr Geld aus dem Westen nach Hause schaffen – ganz wie Putin das von ihnen gewünscht hat.

Und vorerst dominiert der Zynismus wie etwa bei Gazprom-Chef Alexej Miller: „Als ich nicht auf die erste Sanktionsl­iste aufgenomme­n worden war, hatte ich sogar einigen Zweifel, dass hier vielleicht etwas nicht stimmt“, sagte er im Staatsfern­sehen NTV: „Aber nein, nun bin ich endlich drauf. Das heißt, wir machen alles richtig.“

Zurückhalt­ender war da schon VTBChef Andrej Kostin: „Ich wurde bestraft, weil die US-Administra­tion Russlands Regierungs­politik als unrichtig auffasst“, sagte er CNN: „Das ist sehr traurig und zeigt, wie wenig die US-Administra­tion die Absichten der russischen Regierung versteht.“

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