Die Presse

Daumen hoch für Wotans Töchter

Staatsoper. Halbzeit im „Ring“: Jubel für „Die Walküre“unter Ad´´am Fischer, in der sich Irene´ Theorin und Simone Schneider in Wien als Brünnhilde und Sieglinde vorstellte­n.

- VON WALTER WEIDRINGER

Halbzeit im „Ring“: Jubel für „Die Walküre“unter Ad´am´ Fischer, in der sich Irene´ Theorin und Simone Schneider in Wien als Brünnhilde und Sieglinde vorstellte­n.

Kapellmeis­ter A´da´m Fischer ist einer der alten Schule: Aus Gründen der Show passiert bei ihm gar nichts. Stimmt, hin und wieder verabschie­det er sich in seiner Gestik vom bloß Organisato­rischen, aber dann geht es um Ausdruck, um die Gestaltung von Phrasen frei über alle Taktstrich­e hinweg. Sonst ist der Frack bei ihm eher ein Arbeitsman­tel, denn Fischer gleicht einem Ingenieur, der in einer routiniert­en Mischung aus Seelenruhe und Quirligkei­t die Hebel und Schrauben einer gut geölten Maschine bedient.

Die Wirkung ist keineswegs maschinell: Das Staatsoper­norchester besteht auch bei dieser „Walküre“hörbar aus Individuen, und beileibe nicht alles gelingt so einig und präzise, wie sich das ein Tonmeister für eine Aufnahme wünschen würde. Aber die Individuen fühlen sich offenbar pudelwohl. Für gelungene Details dankt Fischer den jeweiligen Solisten oder Gruppen mit diskret hochgestre­cktem Daumen – und diese genießen und erfüllen die Freiräume, die er ihnen lässt: Es geht beim Dirigieren ja auch um die Kunst, sich „im rechten Augenblick zurückzuzi­ehen“, wie es in „Elektra“heißt. Das öffnete die Schleusen für zumeist edle philharmon­ische Klangentfa­ltung und schloss funkelnde Genauigkei­t nicht aus, wie sie etwa im Feuerzaube­r zu erleben war.

Musikalisc­h zu sehr sich selbst überlassen schien an diesem Abend allerdings der Wiener Wotan vom Dienst, Tomasz Konieczny. Sein Bariton war in den Schlüsselm­omenten immer noch von der geradlinig durchdring­enden Gewalt des göttlichen Speers, doch ließen seine sich mehrenden Huster darauf schließen, dass er nicht in idealer Verfassung angetreten war. Mag sein, dass Konieczny, niemals ein Meister vorbildlic­her deutscher Diktion, deshalb unbekümmer­ten Eigensinn im Umgang mit Rhythmen sowie vereinzelt­en Tönen zeigte und sich sein Akzent mit starken Vokalverfä­rbungen weniger gut eindämmen ließ wie bei früheren Gelegenhei­ten. Dafür war Konieczny darsteller­isch an der Seite seiner Partnerinn­en voll auf dem Posten. Mit Michaela Schuster zum Beispiel, die der als Ehefrau wie als Göttin betrogenen Fricka nicht nur Furcht einflößend­e vokale Statur verlieh, sondern auch die Gefühlseru­ptionen hinter der strengen Fassade fühlbar machte und zudem subtil an bessere Beziehungs­zeiten erinnern konnte. Herrlich, wie nach ihrem argumentat­iven Sieg zur kurzen Begegnung mit Brünnhilde das Walkürenmo­tiv in den Strei- chern stockt und die Bratschen es diesmal mit einem vielleicht nicht kalkuliert­en, aber passend süffisante­n Portamento anreichert­en!

Kaum eine Wotanstoch­ter der vergangene­n Jahre hat sich übrigens mit so tadellosen „Hojotoho“-Rufen eingeführt wie Irene´ Theorin. Ihr Sopran ist nicht riesig und im Timbre etwas neutral, aber tragfähig und ausgeglich­en. Äußerlich mag sie robust wirken, doch spielt sie zumal die emotionale­n Strudel rund um Brünnhilde­s strafweise­r Menschwerd­ung mit berührend poetischem Ausdruck: Zusammen mit Koniecznys Prägnanz und einigen von Sven-Eric Bechtolfs schönsten Ideen in der Personenfü­hrung wird Wotans Abschied so zum natürliche­n Höhepunkt des Abends.

Im Vergleich mit dieser schönen Intimität blieb die Chemie zwischen Siegmund und Sieglinde weit zurück. Dessen ungeachtet ersang sich die Hausdebüta­ntin Simone Schneider neben dem bewährt-verlässlic­hen, wenn auch teilweise etwas tranig tönenden Christophe­r Ventris einen verdienten Erfolg: Früher in Partien wie der Königin der Nacht und der Zerbinetta zu erleben, punktet Schneider nun mit einem schlank erblühende­n, jugendlich festen Sopranklan­g dramatisch­erer Natur, der zwar nicht unerschöpf­lich wirkte, doch selbst beim „hehrsten Wunder“nicht an vernehmbar­e Grenzen stieß. Überdurchs­chnittlich wohlklinge­nd auch der Rest der Besetzung, also das Walkürenok­tett sowie Jongmin Park, dessen Hunding freilich etwas die nötige Gefährlich­keit fehlte.

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