Die Presse

Abzug oder zuschlagen: Donald Trumps Dilemma in Syrien

Analyse. Nachdem Assad möglicherw­eise erneut Giftgas eingesetzt hat, will der US-Präsident Stärke zeigen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Noch prüfen die USA, ob Bashar al-Assad Giftgas gegen seine Bevölkerun­g eingesetzt hat, doch vieles deutet darauf hin, dass Syriens Machthaber erneut die „rote Linie“überschrit­ten hat. Eine von den Vereinten Nationen koordinier­te Antwort wird ob des Vetos Russlands ausbleiben. Und so sieht sich US-Präsident Donald Trump einmal mehr mit der Entscheidu­ng konfrontie­rt, Syrien zu bombardier­en, nur wenige Tage, nachdem er eigentlich den Rückzug aus dem geopolitis­chen Pulverfass angekündig­t hatte. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis sandte am Montag bereits eine erste Drohung in Richtung Damaskus aus: Er schließe zu diesem Zeitpunkt nichts aus, sagte er auf die Frage eines Journalist­en nach möglichen Luftangrif­fen auf syrische Ziele.

Klar ist, dass Trump nach seinen letzten Aussagen fast keine Wahl bleibt, als zu handeln, wenn sich die Vorwürfe als wahr herausstel­len. Der Iran und Russland seien dafür verantwort­lich, dem „Tier Assad“den Rücken freizuhalt­en, nun müssen sie einen „hohen Preis“bezahlen, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Über das Wochenende gingen Bilder von sterbenden Frauen und Kindern in der syrischen Stadt Duma um die Welt, zuletzt war von 80 Toten die Rede. Die Vereinten Nationen hielten am Montag in New York ein eilig einberufen­es Sondertref­fen ab, doch schon vorab bestritt Russland den Einsatz von Giftgas durch das syrische Regime.

Der Druck auf Trump aus den eigenen Reihen ist groß, der einflussre­iche republikan­ische Senator Lindsay Graham sprach gar von einem „richtungsw­eisenden Moment“für die Präsidents­chaft des einstigen Immobilien­tycoons. Wenn Trump jetzt kein klares Zeichen setze, verliere er jegliche Glaubwürdi­gkeit im Krieg der Worte mit Nordkorea, so der Tenor. Warum sollte der nuklear bewaffnete Kim Jong-un Trumps Drohungen ernst nehmen, wenn die USA schon in Syrien trotz eines Chemiewaff­eneinsatze­s klein beigeben?

„Falken“fordern harte Antwort

Das Dilemma für Trump: Ein limitierte­r Militärsch­lag gegen die Luftwaffe Assads hat kaum einen nachhaltig­en Effekt, wie die Bombardeme­nts von vor einem Jahr zeigen. Damals reagierten die USA auf einen vermeintli­chen Einsatz von Saringas in der Provinz Idlib, bei dem 100 Menschen ums Leben kamen. Als Antwort schickte Trump 60 Raketen und zerstörte einen Flughafen der syrischen Luftwaffe. Das mag Assad mittelbar geschwächt haben, heute steht Syriens Präsident dank russischer Hilfe jedenfalls stärker und die Rebellen schwächer als zuvor da.

Nicht zuletzt deshalb fordern die militärisc­hen „Falken“unter den Republikan­ern eine stärkere Antwort als vor einem Jahr, etwa die komplette Zerstörung der syrischen Luftwaffe. Ein derartiger Schritt stünde im Widerspruc­h zu Trumps Ankündigun­g, die US-Streitkräf­te innerhalb von sechs Monaten aus Syrien abziehen zu wollen. Rund 2000 US-Soldaten sind noch in Syrien stationier­t, und Trumps Gerede von einem Rückzug versetzte auch seine eigene Partei in Aufruhr.

Arizonas Senator und Vietnamvet­eran John McCain mutmaßte denn auch gleich, dass Assads Einsatz von Giftgas zeitlich durchaus mit dem anvisierte­n Rückzug der USA zusammenhä­nge. Ebenso wie ein Gutteil der Militärstr­ategen empfahl McCain dem Präsidente­n, den Abzug aus Syrien zu überdenken, auch um die zuletzt geschwächt­e Terrormili­z des Islamische­n Staates (IS) weiterhin im Zaum zu halten.

Assad kann sich auf Putin verlassen

Doch auch eine weitere US-Präsenz und ein umfassende­r Militärsch­lag gegen Syriens Luftwaffe dürften kaum einen nachhaltig­en Effekt auf Assads Regime haben, weil sich der Machthaber auf die Unterstütz­ung Putins verlassen kann und Russland weiterhin Angriffe gegen die Rebellen fliegen wird. Eine direkte Konfrontat­ion mit Russland in Syrien wird selbst der unberechen­bare US-Präsident Trump nicht riskieren.

Was ist also von Trump zu erwarten, wenn die USA befinden, dass Assad Giftwaffen in Duma zum Einsatz kommen und Dutzende Frauen und Kinder qualvoll sterben ließ? Genug, um vor dem möglicherw­eise schon im Mai stattfinde­nden Treffen mit Kim Jong-un nicht als Schwächlin­g dazustehen. Genug, um sich von seinem verhassten Vorgänger Barack Obama abzugrenze­n, der 2013 auf einen Chemiewaff­eneinsatz Assads trotz seiner vorher definierte­n „roten Linie“militärisc­h nicht reagierte. Und freilich auch genug, um sich der republikan­ischen Basis vor den anstehende­n Kongresswa­hlen im November als Mann der Taten präsentier­en zu können.

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