Abzug oder zuschlagen: Donald Trumps Dilemma in Syrien
Analyse. Nachdem Assad möglicherweise erneut Giftgas eingesetzt hat, will der US-Präsident Stärke zeigen.
Noch prüfen die USA, ob Bashar al-Assad Giftgas gegen seine Bevölkerung eingesetzt hat, doch vieles deutet darauf hin, dass Syriens Machthaber erneut die „rote Linie“überschritten hat. Eine von den Vereinten Nationen koordinierte Antwort wird ob des Vetos Russlands ausbleiben. Und so sieht sich US-Präsident Donald Trump einmal mehr mit der Entscheidung konfrontiert, Syrien zu bombardieren, nur wenige Tage, nachdem er eigentlich den Rückzug aus dem geopolitischen Pulverfass angekündigt hatte. Verteidigungsminister James Mattis sandte am Montag bereits eine erste Drohung in Richtung Damaskus aus: Er schließe zu diesem Zeitpunkt nichts aus, sagte er auf die Frage eines Journalisten nach möglichen Luftangriffen auf syrische Ziele.
Klar ist, dass Trump nach seinen letzten Aussagen fast keine Wahl bleibt, als zu handeln, wenn sich die Vorwürfe als wahr herausstellen. Der Iran und Russland seien dafür verantwortlich, dem „Tier Assad“den Rücken freizuhalten, nun müssen sie einen „hohen Preis“bezahlen, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Über das Wochenende gingen Bilder von sterbenden Frauen und Kindern in der syrischen Stadt Duma um die Welt, zuletzt war von 80 Toten die Rede. Die Vereinten Nationen hielten am Montag in New York ein eilig einberufenes Sondertreffen ab, doch schon vorab bestritt Russland den Einsatz von Giftgas durch das syrische Regime.
Der Druck auf Trump aus den eigenen Reihen ist groß, der einflussreiche republikanische Senator Lindsay Graham sprach gar von einem „richtungsweisenden Moment“für die Präsidentschaft des einstigen Immobilientycoons. Wenn Trump jetzt kein klares Zeichen setze, verliere er jegliche Glaubwürdigkeit im Krieg der Worte mit Nordkorea, so der Tenor. Warum sollte der nuklear bewaffnete Kim Jong-un Trumps Drohungen ernst nehmen, wenn die USA schon in Syrien trotz eines Chemiewaffeneinsatzes klein beigeben?
„Falken“fordern harte Antwort
Das Dilemma für Trump: Ein limitierter Militärschlag gegen die Luftwaffe Assads hat kaum einen nachhaltigen Effekt, wie die Bombardements von vor einem Jahr zeigen. Damals reagierten die USA auf einen vermeintlichen Einsatz von Saringas in der Provinz Idlib, bei dem 100 Menschen ums Leben kamen. Als Antwort schickte Trump 60 Raketen und zerstörte einen Flughafen der syrischen Luftwaffe. Das mag Assad mittelbar geschwächt haben, heute steht Syriens Präsident dank russischer Hilfe jedenfalls stärker und die Rebellen schwächer als zuvor da.
Nicht zuletzt deshalb fordern die militärischen „Falken“unter den Republikanern eine stärkere Antwort als vor einem Jahr, etwa die komplette Zerstörung der syrischen Luftwaffe. Ein derartiger Schritt stünde im Widerspruch zu Trumps Ankündigung, die US-Streitkräfte innerhalb von sechs Monaten aus Syrien abziehen zu wollen. Rund 2000 US-Soldaten sind noch in Syrien stationiert, und Trumps Gerede von einem Rückzug versetzte auch seine eigene Partei in Aufruhr.
Arizonas Senator und Vietnamveteran John McCain mutmaßte denn auch gleich, dass Assads Einsatz von Giftgas zeitlich durchaus mit dem anvisierten Rückzug der USA zusammenhänge. Ebenso wie ein Gutteil der Militärstrategen empfahl McCain dem Präsidenten, den Abzug aus Syrien zu überdenken, auch um die zuletzt geschwächte Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) weiterhin im Zaum zu halten.
Assad kann sich auf Putin verlassen
Doch auch eine weitere US-Präsenz und ein umfassender Militärschlag gegen Syriens Luftwaffe dürften kaum einen nachhaltigen Effekt auf Assads Regime haben, weil sich der Machthaber auf die Unterstützung Putins verlassen kann und Russland weiterhin Angriffe gegen die Rebellen fliegen wird. Eine direkte Konfrontation mit Russland in Syrien wird selbst der unberechenbare US-Präsident Trump nicht riskieren.
Was ist also von Trump zu erwarten, wenn die USA befinden, dass Assad Giftwaffen in Duma zum Einsatz kommen und Dutzende Frauen und Kinder qualvoll sterben ließ? Genug, um vor dem möglicherweise schon im Mai stattfindenden Treffen mit Kim Jong-un nicht als Schwächling dazustehen. Genug, um sich von seinem verhassten Vorgänger Barack Obama abzugrenzen, der 2013 auf einen Chemiewaffeneinsatz Assads trotz seiner vorher definierten „roten Linie“militärisch nicht reagierte. Und freilich auch genug, um sich der republikanischen Basis vor den anstehenden Kongresswahlen im November als Mann der Taten präsentieren zu können.