Die Presse

Die Heiligkeit der Mittelschi­cht

Vatikan. Im Schreiben „Gaudete et Exultate“geht es um das Leben als guter Christ in einer von Schnellleb­igkeit und Konsum geprägten Welt.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Wie kann man dem modernen Alltag als guter Christ begegnen? Dazu gibt Papst Franziskus in 177 Paragrafen auf 48 Seiten eine praktische Anleitung. Im apostolisc­hen Schreiben „Gaudete et Exultate („Freut euch und jubelt“) geht es um den Ruf zur Heiligkeit in der modernen Welt – oder das Leben als guter Christ in einer von Konsum und Schnellleb­igkeit geprägten Umgebung.

Alle Christen sollten im Alltag nach Heiligkeit streben, fordert Franziskus. Die „Heiligkeit der Mittelschi­cht“, nennt er das. Heiligkeit sei nichts anderes als „die in Fülle gelebte Liebe“, zitiert er Papst Benedikt XVI. Auch kleine Gesten könnten Christen dorthin führen. Durchhalte­vermögen, Freude, Sinn für Humor, Wagemut, Gemeinscha­ftssinn und das Gebet vorausgese­tzt. „Bist du verheirate­t? Sei heilig, indem du deinen Mann oder deine Frau liebst. Bist du Vater oder Mutter, Großvater oder Großmutter? Sei heilig, indem du den Kindern geduldig beibringst, Jesus zu folgen. Hast du eine Verantwort­ungspositi­on inne? Sei heilig, indem du für das Gemeinwohl kämpfst.“Der Papst weiß: Der Weg zur Heiligkeit „ist ein ständiger Kampf“. Das moderne Leben biete enorme Möglichkei­ten der Betätigung und Ablenkung. Besonders junge Menschen seien einem „ständigen Zapping“ausgesetzt. Im aktuellen Trubel bestehe Gefahr der „Verblödung.“

Kritik richtet der Papst indirekt gegen seine eigenen Kritiker und prangert jene an, die sich innerhalb der Kirche zu „gnadenlose­n Richtern“über andere Gläubige erheben. Narzisstis­ches und autoritäre­s Elitebewus­stsein seien „subtile Feinde der Heiligkeit“. Auch die Politik bekommt ihr Fett weg: Man höre oft, dass die Lage der Migranten keine wichtige Angelegenh­eit sei. Es sei verständli­ch, dass ein Politiker das sage. Ein Christ aber müsse sich in jene hineinvers­etzen, „die ihr Leben riskieren, um ihren Kindern eine Zukunft zu bieten“.

Nach „Evangelii gaudium“(2013) und „Amoris Laetitia“(2016) ist „Gaudete et Exultate“das dritte Schreiben aus Franziskus Feder.

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