Das Ende des blauen Laissez-faire-Stils
Regierung. Heimo Lepuschitz soll die Kommunikation der FPÖ-Minister koordinieren.
5.012.593 Personen waren 2017 bei der Allgemeinen Unfallversicherung versichert. Behandelt werden können sie im Bedarfsfall in einem der 918 Betten der sieben zur AUVA gehörenden Krankenhäuser. Zwei davon befinden sich in Wien (Traumazentrum Lorenz Böhler und Meidling), je ein Unfallkrankenhaus in Graz, Kalwang, Klagenfurt, Linz und Salzburg.
Gemeldet wurden im Vorjahr 104.161 Arbeitsunfälle von Erwerbstätigen sowie 54.510 Unfälle von Kindergartenkindern, Schülern oder Studierenden. „Die Zahl der Freizeitunfälle steigt stark an, teilweise liegen sie bei 80 Prozent“, heißt es etwa aus Wien. Dazu kommen vier Rehabilitationszentren (siehe Grafik), wo unter anderem Personen mit Verbrennungen, Amputationen oder Querschnittlähmungen betreut werden. Als dritte Kernaufgabe gilt die Prävention: Der Unfallverhütungsdienst informiert in Betrieben und Schulen über Sicherheitskonzepte.
Wird die AUVA wegrationiert, müssten zunächst wohl die Länderspitäler einspringen, wo bereits vor Engpässen in der Versorgung gewarnt wird: „Das geht weder von heute auf morgen noch ohne zusätzliche finanzielle Mittel“, betont etwa Kärntens Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ). Über fünf Millionen Personen – Erwerbstätige, Schüler und Studenten – sind bei der
gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Die AUVA betreibt sieben Unfallkrankenhäuser und vier Reha-Einrichtungen. Finanziert wird sie über die Lohnnebenkosten: Der Arbeitgeber zahlt derzeit 1,3 Prozent des Bruttoeinkommens. Arbeitnehmerbeitrag gibt es keinen. Die AUVA gehört im österreichischen Gesundheitssystem zu den attraktivsten Arbeitgebern für Ärzte und Pfleger. Die Bezahlung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Arbeitsbelastung. Erstere ist – wegen anderen Kollektivverträgen – höher, Letztere niedriger.
Das Lorenz-Böhler-Krankenhaus beispielsweise hat sogar ein eigenes Personalhaus direkt neben dem Spital, in dem zumeist Pfleger untergebracht sind. Viele von ihnen sind aus den Bundesländern nach Wien gezogen. Hinzu kommt der Prestigeaspekt. In den Unfallkrankenhäusern der AUVA arbeiten die besten Unfallchirurgen des Landes. Dass jemand von einem AUVA-Unfallkrankenhaus in ein Gemeindespital wechselt, kommt also nicht allzu oft vor. Ein Wechsel in die andere Richtung hingegen ist nichts Ungewöhnliches.
Für die Belegschaft würde die Auflösung der AUVA also in jedem Fall Nachteile bedeuten. Natürlich könnte man nicht in bestehende Arbeitsverhältnisse eingreifen, aber die Verträge neuer Mitarbeiter wären wohl schlechter dotiert, was zu Ungleichgewicht und Spannungen führen könnte. Die besten Ärzte würden sich ohnehin abwerben lassen und ins Ausland gehen. Insgesamt hat die AUVA rund 5700 Mitarbeiter, davon arbeiten 74 Prozent in den elf Behandlungseinrichtungen. Selbstverständlich sind die Gebietskrankenkassen für die Beibehaltung des Status quo, da sie an die AUVA nur einen Bruchteil (nämlich rund 25 Prozent) der tatsächlich anfallenden Kosten für die Behandlung von Freizeitunfällen zahlen. Die AUVA ist ja eigentlich nur für Arbeitsunfälle zuständig und wurde auch deshalb ins Leben gerufen, weist aber auch keine Patienten ab, die Freizeitunfälle hatten. Die Kassen gehören (wie auch die Länder) also zu den großen Profiteuren der aktuellen Situation.
Nicht umsonst pocht Gesundheitsministerin Beate HartingerKlein (FPÖ) auf eine Änderung der Querfinanzierung. „Es kann nicht sein, dass die Betriebe, die eine Arbeitsunfallversicherung zahlen, die Behandlung von Freizeitunfällen, die mittlerweile 80 Prozent der Behandlungen in Unfallkranken- Durch die Senkung der Unfallversicherungsbeiträge von 1,3 auf 0,8 Prozent sollen Unternehmen entlastet werden. So steht es im türkisblauen Regierungsabkommen. Daraus soll sich, so die Rechnung der Koalition, eine Ersparnis von 500 Millionen Euro jährlich ergeben. „Profitieren würden alle Unternehmen im Land“, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer, gegenüber der „Presse“.
Laut Statistik Austria erhält ein Arbeiter im Durchschnitt 1444 Euro brutto pro Monat, sparen würde eine Firma damit 7,22 Euro. Bei einem Angestellten wären es bei angenommenen 2720 Euro brutto im Monat 13,60 Euro.
Ein Interview mit einem ÖVP-Minister wird geführt? Gerald Fleischmann wird informiert. Ein unliebsames Thema kommt auf? Fleischmann übernimmt. Seit Jahren setzt Kanzler Sebastian Kurz in Kommunikationsfragen auf einen seiner engsten Mitarbeiter.
Und die FPÖ? Im Vergleich zur strikt geführten ÖVP-Kommunikation pflegt der Koalitionspartner eher einen Laissez-faire-Stil. Wer wann und wo zu einem Thema Stellung bezieht, wirkt oft nicht abgesprochen. Nun wollen sich die Freiheitlichen aber keine Fehler mehr erlauben. Also holt die Partei Verstärkung: Der langjährige Pressesprecher und Berater Heimo Lepuschitz soll in Zukunft die freiheitliche Regierungskommunikation koordinieren.
Wird er also der freiheitliche Fleischmann? Eher nicht, zumindest würde sich Lepuschitz wohl nicht so beschreiben. Nach seiner Funktion gefragt, formuliert er es, Die Regierungspläne für die AUVA sind Teil einer größer angelegten Sozialversicherungsreform. Von den 21 Trägern sollen am Ende maximal fünf übrig bleiben: eine Österreichische Krankenkasse, in der die neun Gebietskrankenkassen zusammengefasst werden, eine Kasse für Selbstständige (Bauern, Gewerbliche), eine für den öffentlichen Dienst (inklusive Eisenbahner, Bergbau), eine Pensionsversicherungsanstalt und – sofern die AUVA nicht zerschlagen wird – eine abgespeckte Unfallversicherung.
Ein fertiges Konzept wird es im Mai geben, eine Gesetzesvorlage im Herbst. In Kraft treten sollen die Neuerungen mit Jänner 2019. Gewerkschafter – auch christdemokratische – warnen bereits vor dem Ende der Selbstverwaltung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Ziel sei ein „schlankeres System“, heißt es dagegen in der Regierung. Vehement bestritten wird, dass es Hartinger-Klein auch aus persönlichen Gründen auf die AUVA abgesehen hat. Immerhin hatte sie sich einst vergeblich um die Stelle als AUVA-Generaldirektorin in der Steiermark beworben. ganz Medienprofi, so: „Ich sehe mich als unterstützende Servicestelle.“Einerseits für Medien, die Hintergrundinformation bräuchten. Aber auch für seine Kollegen im FPÖ-Team.
Seinen Sitz hat Lepuschitz aber nicht in den Büroräumlichkeiten von Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Er ist nun im Kabinett von Norbert Hofer angestellt, der nicht nur Verkehrsminister, sondern Regierungskoordinator für die FPÖ ist.
Die Gefahr, Regierungs- und Parteiarbeit zu vermischen, sieht Lepuschitz nicht. Dafür habe er aber mit April sämtliche laufenden Aufträge seiner Firma beendet, sagt er. Lepuschitz gründete vor einigen Jahren ein Strategieberatungsunternehmen. Politiker hätten da aber nicht zu seinen Kun- den gehört. Zuletzt beriet er aber das Innenministerium.
Seitdem die Freiheitlichen die Koalition eingingen, meldete er sich aber schon auffällig oft als Verteidiger der türkisblauen Regierung zu Wort. Wobei: Ideologisch ist Lepuschitz ohnehin in der FPÖ verankert. Immerhin begann er seine Karriere in der FPÖ Steiermark, obwohl er ursprünglich Kärntner ist. Dann wurde er Pressesprecher der ehemaligen Sozialministerin Ursula Haubner, bis 2013 war er für die Medienarbeit des BZÖ unter Josef Bucher zuständig.
Nach dem verpassten Einzug der Partei in den Nationalrat gründete er ein Unternehmen mit dem Ex-Abgeordneten Stefan Petzner, ehe er sich allein selbstständig machte. Zuvor berieten die beiden übrigens noch eine andere Partei: das Team Stronach Kärnten.