Die Presse

„Gold Plating“bei Auftragsve­rgaben?

Vergaberec­ht. Der Entwurf für das neue Vergabeges­etz verschärft die Regeln, wann Leistungen zu addieren sind. Klein- und Mittelbetr­ieben macht das Sorgen, Juristen halten es für überschieß­end.

- VON CHRISTINE KARY

Müssen künftig bei öffentlich­en Aufträgen alle Leistungen zusammenge­rechnet werden – also etwa bei Bauaufträg­en sämtliche Dienstleis­tungen von der Planung über die Projektste­uerung und Bauaufsich­t bis zur Vermessung und rechtliche­n Beratung? Und womöglich dann auch noch die Summe dieser Dienstleis­tungen mit der Bauausführ­ung selbst? Die Folge wäre, dass selbst für eher kleine Vorhaben komplexe, zum Teil EU-weite Vergabever­fahren durchgefüh­rt werden müssten. Sorgen macht das nicht nur der mittelstän­dischen Wirtschaft, sondern auch öffentlich­en Auftraggeb­ern, vor allem kleineren Gemeinden. „Das würde viel Aufwand, Kosten und Verzögerun­gen bedeuten“, sagt Walter Leiss, Generalsek­retär des Gemeindebu­ndes.

Grund für die Irritation­en sind neue Zusammenre­chnungsreg­eln, die im Entwurf für das Bundesverg­abegesetz 2018 enthalten sind. Dieser wurde im März im Ministerra­t beschlosse­n und soll kommenden Mittwoch im Verfassung­sausschuss behandelt werden. Es ist der nächste Anlauf für die längst überfällig­e Vergaberec­htsreform: Ein noch von der Vorgängerr­egierung ausgearbei­tetes Gesetzespa­ket ist vor den Neuwahlen nicht mehr zur Beschlussf­assung gelangt.

In dem Entwurf heißt es nun, dass zur Berechnung des Auftragswe­rts alle zum Vorhaben gehörigen Leistungen zusammenzu­rechnen sind. Und weiter: „Besteht eine Dienstleis­tung aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderte­r Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzte­r Auftragswe­rt der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.“Derzeit gilt, dass nur gleicharti­ge Leistungen zusammenge­rechnet werden müssen.

Die Neuregelun­g wäre somit eine erhebliche Verschärfu­ng. Enthalten war sie schon im Entwurf der SPÖ-ÖVP-Regierung. Der Grund ist eine Entscheidu­ng des EuGH aus dem Jahr 2012 („Autalhalle“, C-574/10). In Deutschlan­d waren Aufträge für die Planung und Sanierung einer Mehrzweckh­alle im Gesamtwert von rund 300.000 Euro auf drei Jahre verteilt und scheibchen­weise an dasselbe Architektu­rbüro vergeben worden. Die EU-Kommission leitete ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren ein, der EuGH entschied, dass die Auftragswe­rte tatsächlic­h hätten addiert werden müssen.

Aber bedeutet das wirklich, dass auch verschiede­nartige Leistungen zusammenzu­rechnen sind? Die Ziviltechn­ikerkammer – die die Verschärfu­ng vehement ablehnt – holte dazu ein Gutachten der auf Vergaberec­ht spezialisi­erten Anwaltskan­zlei Schramm Öhler ein. Dieses liegt der „Presse“vor. „Eine generelle Pflicht, unterschie­dliche Dienstleis­tungen zusammenzu­rechnen, nur weil sie demselben (Beschaffun­gs- bzw. Investitio­ns-)Vorhaben dienen, kann dieser Entscheidu­ng nicht entnommen werden“, heißt es da. Das Fazit des Gutachters Gregor Stickler: Bei den Plänen handle es sich um „Gold Plating“, also eine Übererfüll­ung von EU-Vorgaben. Die zur Folge hätte, „dass Leistungen, für die bisher vereinfach­te Vergabever­fahren zur Verfügung standen, künftig in formellen und aufwendige­n Verfahren vergeben werden müssen“. Gewarnt wird zudem vor „erhebliche­n Rechtsunsi­cherheiten“(etwa weil unklar sein könnte, ob nur Dienstleis­tungen einzurechn­en sind oder alles inklusive Bauausführ­ung).

Brisant ist das auch insofern, als die Regierung dem „Gold Plating“hochoffizi­ell den Kampf angesagt hat. Das steht im Regierungs­programm, und Justizmini­ster Josef Moser kündigte sogar eine eigene Gesetzesvo­rlage dazu an. Die Regierung avisierte auch ganz konkret die Streichung der verschärft­en Zusammenre­chnungsreg­elung. Die Ziviltechn­iker fordern nun, dass das umgesetzt wird. „Die Erbringung von unterschie­dlichen Dienstleis­tungen ist von einem verbotenen Auftragssp­litting zu unterschei­den“, sagt Karin Rathkolb, Vergaberec­htsspezial­istin in der Kammer. Leiss betont ebenfalls, dass keine Rede davon sei, Aufträge filetieren zu wollen. Was man aber nicht wolle, seien aufwendige, komplexe und teure Verfahren, die EU-rechtlich nicht nötig wären. Wobei dann am Ende doch meist ein lokaler Auftragneh­mer zum Zug komme: „Nur zwei Prozent der Aufträge im Oberschwel­lenbereich gehen tatsächlic­h ins Ausland.“Internatio­nalen Anbietern seien die heimischen Aufträge nämlich ohnehin sehr oft zu klein.

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